Bank informiert Rentnerin über zehn Jahre nicht über Kursverluste

  • Hallo Community,


    meine Oma hat seit knapp 20 Jahren ein über ihre Bank verwaltetes Aktiendepot ohne Online Zugang. Über den aktuellen Stand der Depotwerte wird sie vierteljährlich per Post informiert. Hierbei werden keinerlei Angaben zur prozentualen Entwicklung gemacht. In gutem Vertrauen in die Bank, hat sie diese Berichte immer schön abgeheftet und sich gefreut, dass die Zahl insgesamt meistens leicht gestiegen ist. Vor ein paar Monaten habe ich mir die Unterlagen einmal angeschaut, die Produkte recherchiert und gesehen, dass einer der Fonds seit über zehn Jahren fällt und inzwischen 30% Verluste eingefahren hat. Die Bank hat dies zu keinem Zeitpunkt irgendwie hervorgehoben und nach einem Wechsel des Beraters vor zehn Jahren sich nicht mehr zu den Produkten gemeldet. Ich habe mir die Produkte und Zahlen weiter angeschaut und anhand der jährlichen Gebühren i.H.v. 1,95 bis 2,73% errechnet, dass die Bank über die letzten 15 Jahre an dem Portfolio mehr verdient hat als meine Oma.


    Ist diese Praxis legal? Hat die Bank keine Informationspflichten gegenüber ihren Kund*innen bei nachhaltig negativen Entwicklungstrends - insbesondere, wenn derartige Gebühren fürs Fondsmanagement fließen? Kann die Bank von einer heute 90-Jährigen erwarten, dass sie die Zahlen aus den Quartalsberichten in Excel abtippt und sich über die Jahre die prozentuale Entwicklung selbst errechnet um bei negativen Trends zu intervenieren, wenn sie nicht mal weiß, wie man eine ISIN nachschlägt? Ich bin nur mit online Brokern vertraut, die mir jederzeit die Kursentwicklungen anhand von Graphen und roten und grünen Zahlen anzeigen. Ich bin erstaunt, wie die Bank meiner Oma es schafft über Jahrzehnte hinweg, die für ihre Kundin wichtigsten Daten einfach quasi zu verstecken.


    Über eure Erfahrungen/Einschätzungen würde ich mich sehr freuen! Noch eine Anmerkung: sofern dies überhaupt rechtlich irgendwie angreifbar und nicht einfach nur trauriger Status Quo sein sollte: es geht um Kursverluste i.H.v. ca 5000 EUR (die absurd hohen Gebühren mal ignoriert, da die Verträge nun mal unterzeichnet wurden) und nicht Millionen...


    Danke im Voraus und Gruß

  • Hallo Jonas L. , willkommen hier im Forum!


    Die Bank ist zum "MiFID Verlustschwellenreporting" verpflichtet. Kunden sind am Folgetag zu informieren, wenn der Wert des Gesamtdepots um 10% oder ein Vielfaches davon gefallen ist. Manche Banken machen dies zusätzlich pro Wertpapier, aber das ist wohl freiwillig.

  • Hallo Jonas,


    wenn es sich um jemand anderen als deine Oma handeln würde und ich nicht hier im Forum auf deinen Thread antworten würde, würde ich vielleicht sagen: "Selbst dran dumm! Wie kann man nur sein Geld, egal um wie viel oder wenig es sich handelt, einer Bank zur Verwaltung überlassen und deren Tun nicht verfolgen? Ich lass doch auch meinen Hund nicht auf das Hackfleisch aufpassen, das ich vorhin beim Metzger gekauft habe."

    Böse Worte über Bankster würde ich natürlich auch für mich behalten. Niemals würde ich öffentlich behaupten, dass es sich als unklug erweisen kann, "arme Schweine", die nicht einmal ihr eigenes, schmales Vermögen ordentlich verwalten können, mein Vermögen verwalten zu lassen.


    In diesem Sinne... solltet ihr euch mal die Verträge ansehen, die Oma vor 20 (?) Jahren unterzeichnet hatte. Möglicherweise wurde sie schon damals ordentlich darüber belehrt, dass die Investition in ein volatiles Produkt im gewissen Rahmen riskant sein kann, also dass bis hin zum Totalverlust alles möglich ist. Haftungsmäßig dürfte die Bank fein raus sein. Und wenn Oma regelmäßig über den jeweils aktuellen Stand informiert wurde, reicht das imho völlig aus. Auf deinem Kontoauszug (zum Giro) steht ja auch nur ein Saldo und keine prozentuale Entwicklung des Kontostandes.

    Ich gehe davon aus, dass die Bank, so wie du es berichtet hast, ihrer Informationspflicht nachgekommen ist.

    Allerdings finde ich es absolut unter aller Sau, um es mal krass zum Ausdruck zu bringen, dass sich kein Kundenberater um diese Geschichte gekümmert hat und wenigstens einer moralischen Verpflichtung (im Sinne von Service/Kundendienst) nachgekommen ist, der Oma ein anderes, voraussichtlich besser laufendes Finanzprodukt anzubieten.


    So etwas wäre mal einen fetten Artikel in der lokalen Presse wert! Bringt Omas 5k nicht zurück, warnt aber viele andere Omas und Opas und durchaus auch Jüngere!

  • Mich würde einfach Mal interessieren um welche Bank es sich denn handelt und was deiner Oma verkauft wurde?

    Rechtlich hast du wenig Chancen. Du müsstest höchstens Fehler in der damaligen Beratung nachweisen. Ggf. Mal das Beratungsprotokoll von damals anfordern.

  • Hallo,


    ich sehe es wie JDS. Nach den Schilderungen dürfte rechtlich kaum etwas zu machen sein. Aber dieser absolut fehlende Kundenservice, zumal frau den Kundenbetreuer teuer bezahlt hat, sollte schon öffentlich gewürdigt werden.


    Jonas L., wenn Sie sich mit Ihrer Faktendarstellung sicher sind, würde ich es als legitim ansehen, den Namen der Bank auch hier zu nennen.


    Gruß Pumphut

  • Hm, nicht dass ich da etwas relativieren oder gar entschuldigen will, aber ist der Depotwert für die Oma denn relevant? Falls es ihr nur um die Ausschüttungen geht, dann wäre das weniger brisant zu sehen. Und der "negative" Fonds ist ein reiner Aktienfonds?

  • Vielen Dank für die Rückmeldungen!


    tobiasweiss : Vielen Dank, auch für den Hinweis auf das Verlustschwellenreporting! Auf das gesamte Depot verrechnet, liegen die Verluste noch unter 10%, womit hier wohl kein Verstoß vorliegt. Aber gut zu wissen, dass es überhaupt Informationspflichten gibt.


    JDS : Die Hund-Hackfleisch-Analogie trifft es ganz gut. Ich sehe es für mich genau so. Ich hatte allerdings auch nie die Jahrzehntelange Vertrauensbeziehung mit dem freundlichen Bankberater, die hier wohl der entscheidende Grundstein gewesen ist.

    Ich befürchte ebenfalls, dass die Bank bei Vertragsabschluss die rechtlichen Minimalanforderungen damals erfüllt hat. Ich habe pandemiebedingt (wohne in anderer Stadt) gerade keine volle Einsicht in die Dokumente bei meiner Oma und auf Anfrage hat die Bank sich quer gestellt, mir (inzwischen mit Vollmacht) alle Dokumente digital zukommen zu lassen. Laut Preisverzeichnis würden Kopien im Zweifel auch 10 EUR pro Dokument (!) kosten. Ein zehn Jahre altes Beratungsprotokoll, in dem die Risiken generisch aber vermutlich gesetzkonform dargestellt werden, habe ich. Ob die Produkte zur Anlagestrategie passen ist wahrscheinlich debattierbar. Im besten Interesse der Kundin hat die Bank definitiv nicht gehandelt - ob rechtlich sauber oder nicht.

    Ich spiele daher auch in der Tat mit dem Gedanken, mich an die Presse zu wenden. Gibt es hier Ideen, wie/wo man das am effektivsten macht? Lokale Zeitung, Verbraucherzentrale, Finanztest?


    MichaG und Pumphut : Ich habe diese Woche ein Gespräch mit der Bank. Je nachdem, wie das Gespräch läuft, nenne ich hier dann gern auch den Namen der Bank. Auf dem Rechtsweg Fehler im Beratungsprotokoll nachzuweisen ist wahrscheinlich den Aufwand nicht wert. Meine Oma stresst diese ganze Situation inzwischen auch so sehr, dass ich das so schnell wie möglich auflösen muss, bevor das gesundheitliche Auswirkungen hat.


    Referat Janders : Gute Frage. Aus meiner Sicht passt die Wahl ausschüttender Fonds von vorn herein nicht zur Anlagestrategie. Die Ausschüttungen wurden alle direkt reinvestiert - ob dieses Modell aus steuerlichen Gründen gewählt wurde, wird mir die Bank hoffentlich bald erklären.

    Bei dem negativen Fonds handelt es sich um einen Anleihenfonds in Entwicklungsländern, keine Aktien. Ich kenne mich zu wenig mit der Materie aus um beurteilen zu können, ob das vor 15 Jahren eine gute Idee war. Aus heutiger Sicht (Hindsight Bias) ist es natürlich kaum zu rechtfertigen.

  • Ich spiele daher auch in der Tat mit dem Gedanken, mich an die Presse zu wenden. Gibt es hier Ideen, wie/wo man das am effektivsten macht? Lokale Zeitung,

    Eine lokale Zeitung (Tageszeitung! Kein Anzeigenträger) wäre imho das geeignete Medium. Schau vorher mal rein, ob die betreffende Bank dort Werbung schaltet; wenn dem so ist, wirst du wahrscheinlich kaum jemanden in deren Redaktion dazu bewegen können, die "Melk-Kuh zu schlachten"...

  • Ich kann das Ganze ehrlich gesagt noch nicht so bewerten. Wenn das Gesamtdepot aus mehreren Fonds besteht, sind das vermutlich Aktien-, Misch- und Anleihenfonds. Bei einer solchen Kombination war/ist es durchaus üblich, bei den Anleihen auch "Hochzins" (= Hochrisiko) mit aufzunehmen. Solange es läuft, beschwert sich keiner. Wenn nur einer der Fonds schlecht lief, die anderen aber gut, ist das im Gesamtdepot okay. Wenn das restliche Depot aber aus teuren Mischfonds ohne ordentliche Langfrist-Rendite besteht, schaut es anders aus. Dann war die schlimmere Entscheidung aber evtl. nicht dieser eine Fonds, sondern eher die konsequente Verwendung von Fonds mit über 1,5% Verwaltungskosten.


    Jonas, wenn Du magst, schreib doch mal alle WKN oder ISIN des Depots hier rein, ohne Anlagesummen. Dann machen wir einen kleinen Depotcheck :)

  • Ich kann das Ganze ehrlich gesagt noch nicht so bewerten. Wenn das Gesamtdepot aus mehreren Fonds besteht, sind das vermutlich Aktien-, Misch- und Anleihenfonds. Bei einer solchen Kombination war/ist es durchaus üblich, bei den Anleihen auch "Hochzins" (= Hochrisiko) mit aufzunehmen. Solange es läuft, beschwert sich keiner. Wenn nur einer der Fonds schlecht lief, die anderen aber gut, ist das im Gesamtdepot okay. Wenn das restliche Depot aber aus teuren Mischfonds ohne ordentliche Langfrist-Rendite besteht, schaut es anders aus. Dann war die schlimmere Entscheidung aber evtl. nicht dieser eine Fonds, sondern eher die konsequente Verwendung von Fonds mit über 1,5% Verwaltungskosten.


    Jonas, wenn Du magst, schreib doch mal alle WKN oder ISIN des Depots hier rein, ohne Anlagesummen. Dann machen wir einen kleinen Depotcheck :)

    Das wäre interessant! Die Fonds sind in der Tat recht unterschiedlich gelaufen: Der Immobilienfonds (DE0009805556) hat sich bis Corona fast linear (so eine Kurve habe ich noch nicht gesehen) positiv entwickelt. Der Aktienfonds (LU0186860408) hat sich langfristig - bei der Marktentwicklung der letzten 15 Jahre kaum anders zu erwarten - positiv entwickelt, wovon aufgrund der hohen Gebühren nur nicht so viel übrig geblieben ist. Den Anleihenfonds (LU0252123129) hatte ich ja bereits erwähnt.

    Danke!

  • Eine lokale Zeitung (Tageszeitung! Kein Anzeigenträger) wäre imho das geeignete Medium. Schau vorher mal rein, ob die betreffende Bank dort Werbung schaltet; wenn dem so ist, wirst du wahrscheinlich kaum jemanden in deren Redaktion dazu bewegen können, die "Melk-Kuh zu schlachten"...

    Guter Punkt, mit der Werbung. Danke!

  • OK, ein Depot aus diesen drei Fonds ist nicht gerade der Brüller:

    https://www.fondsweb.com/de/ve…LU0186860408,LU0252123129


    Die Emerging Markets Anleihen sollten vermutlich einen Renditekick bringen. Das war spekulativ und klappte nicht. Wenn man schon Anleihen mit ins Depot nimmt, dann sollten die eher der Stabilität dienen. Diese Funktion hat hier der Immo-Fonds übernommen.


    Beim Aktien-Anteil ausschließlich auf europäische Dividendentitel zu setzen, ist auch nicht optimal. Das klingt konservativ, verschenkt aber die Chance einer breiteren weltweiten Streuung.


    Das Kind ist nun schon im Brunnen. Dem Ärger über die Vergangenheit nochmals Luft zu machen, kann helfen. Danach ist die wichtige Frage, wie es mit dem Depot weitergehen soll: Was sind die Anlageziele für die weitere Zukunft?

  • Vielen Dank! Das sehe ich auch so. Das Depot wird jetzt schnellstmöglich aufgelöst und in Zukunft wird die altersentsprechende Stabilität durch ein kostenloses Girokonto gesichert und ein kleiner Wachstumsanteil geht in einen kostengünstigen ETF (MSCI World/EM oder so). Ob Büroimmobilien nach Corona noch so eine sichere Anlage sind, muss sich ja auch erst noch zeigen.