Wie machen das die Leute heutzutage?

  • Hallo zusammen,


    ich würde mir gerne ein Eigenheim finanzieren und beschäftige mich seit mehr oder weniger einem Jahr mit der Thematik (mal stärker/mal schwächer). Ich weiß so ziemlich genau was ich gerne hätte und weiß auch, dass der Markt momentan etwas überhitzt ist - nichtsdestotrotz ist meine persönliche Meinung, dass die Immobilienpreise nicht mehr großartig fallen werden und wir uns auf dem aktuellen Niveau halten werden bzw. sogar eher kleinere Steigerungen sehen werden.


    Die Frage die mich beschäftigt ist tatsächlich "Wie machen das die anderen?". Bitte versteht mich nicht falsch ich will keinerlei Überheblichkeit an den Tag legen aber vielleicht habe ich einfach falsche Vorstellungen oder irgendwo einen massiven Denkfehler.


    Kurz zu mir: Ich bin anfang 30, habe knapp 150k Eigenmittel, einen festen Job mit knapp 6k Nettoeinkommen + nebenberuflich ca. nochmal 1,5k monatlich. Ich habe keine offenen Kredite und meine Sparrate liegt irgendwo bei 50% also (3k im Monat).


    Wenn ich mir nun bei verschiedenen Finanzberater umhöre ist wohl eine Finanzierung bis 750.000 EUR machbar aber schon eine riskante Hausnummer (finde ich auch). In BW bekommt man aber tatsächlich darunter nur sehr schwer ordentliche Immobilien, also muss es ja in diese Richtung gehen.


    Und jetzt noch einmal ich will nur verstehen ob ich einen Denkfehler oder ähnliches habe. Wie schaffen es denn andere Personen mit einem gemeinsamen Nettoeinkommen von vielleicht der Hälfte bzw. 60% meiner Einkünfte und einem ähnlichen Eigenkapital, sich Immobilien die teilweise mit einer Million bewertet werden zu erwerben? Und ja ich kenne tatsächlich junge Familien die sich im Bereich von 600-800k Eigenheime finanzieren aber deutlich weniger verdienen.


    Wie geht das?

  • Zum einem würde ich dir auf das Alter beim Immobilienerwerb aufmerksam machen . Laut Dr. Klein liegt das Durschnittalter beim 39. Bis dahin soll man mehr Eigenkapital und Kaufkraft haben.

    Junge Familien bringen wahrscheinlich deutlich weniger als 10% EK und rechnen nicht durch: Immobilien sind ein sehr emotionelles Thema, und viele glauben, dass Mieten rausgeschmissenes Geld ist.

    Du siehts das Beispiel, dass du kennst, aber ich würde sagen, dass junge durschnitt Verdiener idR deutlich billiger kaufen.

  • Hallo.


    Man müsste sich den Einzelfall jeweils genau anschauen. Nicht jede Finanzierung, die bei der Bank durchgewunken wird, nachhaltig solide. Eventuell haben die Eltern einen Teil beigetragen oder Sicherheiten gestellt. Von Außen schwer zu sagen.


    Allerdings ist wahr, dass der Immobilienerwerb schon einmal leichter war.

  • Mit Deinen monatlichen Einkünften und Deinem Eigenkapital in diesem jungen Alter liegst Du schon sehr an der Spitze. Wer, wenn nicht Du, sollte in der Lage sein, ein Eigenheim zu erwerben?


    Meiner Erfahrung nach aus dem Bekanntenkreis sind diejenigen, die heute eine Immobilie erwerben entweder noch besser mit Eigenkapital (meist aus Schenkungen der Eltern oder Erbschaft) ausgestattet oder aber sie sind erheblich bescheidener, was den anvisierten Kaufpreis anbetrifft. Da sind es dann vielleicht doch nur 350-400 k€, die dann über den bekannten 30-Jahres-Zeitraum finanziert werden. Das Häuschen steht dann eben nicht in der Stadt, sondern etwas außerhalb.


    Es war früher definitiv einfacher (wenn auch nicht komplett problemlos), Wohneigentum zu erwerben. Damals als ich in der Kleinstadt in Baden-Württemberg meine Doppelhaushälfte gekauft habe, lag diese in der Größenordnung um die 400 k€, ein vergleichbares Nachbarhaus ging - wie gesagt 20 Jahre alt - kürzlich für nahezu 700 k€ über den Tisch...


    Dann gibt es noch ein ganz anderes Konzept, welches ich aus der Schweiz kenne. Dort sind die Immobilien noch mal um einiges teurer als in Deutschland. Daher gibt es dort zahlreiche Käufer, die gar nicht vorhaben, das Häuschen bis auf den letzten Rappen abzubezahlen, sondern ihre Zahlungen über die Lebenszeit leisten, um Zinsen und Tilgung zu bedienen, am Ende ist dann aber immer noch ein gewisser Prozentsatz übrig, der der Bank gehört. Wenn dann die Immobilie im Alter oder auch von den Erben verkauft wird, bleibt immer noch ein respektables Sümmchen übrig, über welches der Erbe sich dann freuen kann.

  • Ich habe einige jüngere Kollegen, die die Finanzierung sehr knapp gerechnet haben und auf jeden Cent angewiesen sind, damit das passt. Zum Glück waren die z.B. nicht von Kurzarbeit betroffen.

    (Meine eigene Erfahrung von vor 10 Jahren sagt, dass die Banken teilweise auch seltsame Rechnungen anstellen. Eine Bank hat z.B. vom Netto für Kinder, Auto... Pauschalen abgezogen. Darauf wurde die Kreditrate berechnet. Wenn wir das so gemacht hätten, wären wir jeden Monat ins Minus gegangen, weil die Pauschalen mit unserer Lebensrealität nicht viel zu tun hatten und wir höhere Ausgaben hatten.)

  • Ich habe einige jüngere Kollegen, die die Finanzierung sehr knapp gerechnet haben und auf jeden Cent angewiesen sind, damit das passt. Zum Glück waren die z.B. nicht von Kurzarbeit betroffen.

    Jo, sehe ich auch.

    Mir wird dann immer schlecht und ich muss mich wirklich zurück halten Ihnen nicht Ihren 'Traum' madig zu machen. Wenn in den nächsten 10-15 Jahren die Zinsen anziehen sollten, dürfte es für diverse 'Immobilienbesitzer' schwierig werden.

  • Das wichtigste Werkzeug bei einer Immobilienfinanzierung ist die Inflation!

    Selbst bei moderaten Inflationsraten von nur 2-3% erleichtert das auf die Dauer die Tilgung erheblich. Bei der derzeitigen Geldmenge in Verbindung mit den derzeitigen Staatsschulden muss der Euro in den nächsten Jahren merkbar abwerten.

  • Wenn in den nächsten 10-15 Jahren die Zinsen anziehen sollten, dürfte es für diverse 'Immobilienbesitzer' schwierig werden.

    Für einen Großteil der heute schon überschuldeten Länder auch...daher würde ich mal darauf tippen, dass die Zinsen noch lange niedrig gehalten werden - zulasten der soliden Sparer.

  • Für einen Großteil der heute schon überschuldeten Länder auch...daher würde ich mal darauf tippen, dass die Zinsen noch lange niedrig gehalten werden - zulasten der soliden Sparer.

    So ist es. Immer dieses Zinsgespenst... Leute die EZB würfelt den Leitzins nicht einfach! Das einzige Szenario in dem die Zinsen wieder deutlich steigen können ist wenn der Euro gleichzeitig noch deutlicher abwertet und dann ist ein Zinsanstieg wiederum recht problemlos verschmerzbar.

  • Das wichtigste Werkzeug bei einer Immobilienfinanzierung ist die Inflation!

    Selbst bei moderaten Inflationsraten von nur 2-3% erleichtert das auf die Dauer die Tilgung erheblich.

    Wenn ich Inflation mit steigenden Lebenshaltungskosten gleichsetze, dann würde ich den obigen Satz nur eingeschränkt gelten lassen. Bei stabilen oder steigenden Reallöhnen sieht es natürlich besser aus.

  • Danke für deine Antwort. Ich suche bereits außerhalb (ich will sogar aufs Land) wirklich auch ohne Bahnanbindung etc. und auch mein Suchagent z.B. bei Immoscout spuckt mir keinerlei Immobilien (außer komplette Ruinen) unter 500k raus.


    Ich würde es nachvollziehen können wenn ich tatsächlich nach einer Villa suchen würde die allein auf einem Berg steht, aber ich suche tatsächlich eher ein "Standard" Haus meine einzigen Ansprüche sind: EFH, Garten, Garage, mehr als 150 qm2 Wohnfläche und es sollte nicht an eine Hauptstraße liegen. Bei diesen Angaben ist man direkt bei über 600k und dann ist es meist noch lange nicht das was man sich vorstellt sondern man kann locker nochmal 100-150k in Renovierung einrechnen. Häuser die einen etwas moderneren Standard haben (sagen wir mal ab BJ 2000) liegen direkt bei 700-800k.


    Daher auch die Frage die Familien, die hier überall in Neubaugebiete ziehen oder auch die meiner Meinung nach total überteuerten Immobilien die bei Scout und Co. platziert werden gehen ja weg und ich kann mir nicht vorstellen, dass da wirklich jeder 50% EK einbringt oder wirklich jeder ein so hohes Haushalteinkommen hat. Andrerseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass von den Menschen keiner rechnen kann um zu sehen, dass die Rechnung nicht aufgehen kann wenn doch mal die Zinsen steigen oder etwas unerwartetes passiert.

  • Diese Frage hab ich mir auch schon öfters gestellt ;)


    Wie schon andere geschrieben haben, gehe ich davon aus, dass sehr häufig Erbschaften oder vorweggenommene Erbschaften bzw. Schenkungen eine Rolle spielen.

    Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass für Normal- bis Besserverdiener in den Metropollagen fast unmöglich geworden ist, ohne Erbschaft (oder ähnliches) Wohneigentum zu erwerben.


    Der nächste Punkt ist, dass vielleicht mit 2 oder gar nur 1,5 % getilgt wird, um man die vollständige Abzahlung einfach auf die ferne Zukunft verlegt oder gar nicht mehr konkret anstrebt - was ich irgendwie auch verstehen kann.


    Hinzu kommt dass Immobiliendarlehen derzeit, nebst das Führen von Wertpapierdepots, fast die einzige wirkliche Ertragsquelle für viele Banken geworden ist und fast jeder den Kredit bewilligt bekommt, wo es gemäß Musterberechnung machbar ist.

    Hier vor Ort bewirbt die Postbank sogar offensiv Immobilienfinanzierungen "ohne Eigenkapital" (also 110%-Finanzierungen).


    Zum Schweizer Modell: Es ist in der Tat usus, dass nicht (vollständig) getilgt wird. Das hat auch damit zu tun, dass Schuldzinsen auch bei selbstbewohntem Wohneigentum steuerlich abzugsfähig sind, so dass der Anreiz fehlt, tatsächlich zu tilgen. Ein anderer Aspekt ist, dass oft auch "indirekt" amortisiert wird. Man zahlt in steuerlich begünstigte Sparvehikel ein und die Auszahlung wird dann zur (Teil-)amortisierung verwendet.
    Das hat aber einen großen Nachteil: Im Alter können sich dann viele ihre Immobilien aus Banksicht nicht mehr leisten, da die so genannte Tragbarkeitsrechnung mit einem hypothetischen Zinssatz von 5 % (+ 1% für Unterhalten/Nebenkosten) berechnet wird.


    Letztendlich standen wir vor der gleichen Situation und mussten einfach einsehen, dass ein Einfamilienhaus in gutem Zustand und in guter Lage für uns einfach nicht leistbar ist und sind auf eine Eigentumswohnung umgeschwenkt. Das macht die Suche nicht einfacher, aber wir hatten Glück und eine Wohnung gefunden wo man trotzdem fast Einfamilienhausfeeling hat.

  • Jo, sehe ich auch.

    Mir wird dann immer schlecht und ich muss mich wirklich zurück halten Ihnen nicht Ihren 'Traum' madig zu machen. Wenn in den nächsten 10-15 Jahren die Zinsen anziehen sollten, dürfte es für diverse 'Immobilienbesitzer' schwierig werden.

    Sorry, eine gescheite Immobilienfinanzierung sichert - so der Verbraucher dieses Risiko sieht und meint, nicht gegensteuern zu können - dieses Risiko über eine längere, lange Zinsfestschreibungszeit ab.

  • Hm, da fällt mir auch nicht mehr viel zu ein.


    Wenn man da schaut wo das Breitband noch nicht so richtig angekommen ist? (Wahrscheinlich zieht es einen dann doch nicht dorthin.)


    Wenn sich die Sparrate noch etwas erhöhen ließe und man dies etwas durchhält, dann sollte sich die Finanzierung doch in Zukunft besser darstellen lassen, oder?


    Allerdings klingt es schon absurd, was nötig zu sein scheint, um ein Haus finanzieren zu können.

  • Danke für den Post. Das ist ein spannendes Thema das mich auch beschäftigt.


    Es kommt ja stark darauf an, wo man sucht. Allerdings sind nicht mehr nur Metropolregionen teuer. Der höchste Preisanstieg passiert in den letzten Jahren in Mittelstädten bis 100T Einwohnern. In Berlin passieren Verkäufe größerer Mietwohnungsbestände immer noch an internationale Investoren, wie Fonds. Aber eine Maklerin hat mir erzählt, dass sich bspw. skandinavische Privatpersonen mittlerweile stark zurückhalten. Die haben vor 10 Jahren spottbillig gekauft und auch wenn Berlin im internationalen Vergleich angeblich immer noch ein Schnäppchen ist - für den Durchschnittsverdiener in Berlin sind die Preise astronomisch. Jedenfalls wenn man einigermaßen anständig wohnen möchte.


    Daher passiert auch viel Umzug ins brandenburgische Umland, wo die Preise explodieren. Da gibt auch eine vernüftige Infrastrukturanbindung aber die Einheimischen wollen gar nicht so viel wachsen. Dann muss die ganze soziale Infrastruktur, wie Schulen etc., nachgezogen werden und das kostet. Ob das ein nachhaltiges Wachstum ist wird sich noch zeigen. Corona verstärkt auch noch den Wunsch nach Land und Eigenheim. Man darf gespannt sein.


    Den Gedanken, einen Kredit gar nicht zwingend tilgen zu wollen bis zum Renteneintritt finde ich recht interessant. So hatte ich noch gar nicht darüber nachgedacht. ich vermute jedenfalls, dass wir mit dem Auslaufen der Corona-Unterstützungsmaßnahmen noch einige Privatinsolvenzen erleben werden und damit möglicherweise auch interessante Immobilienangebote auf den Markt kommen.


    Der Immobilienmarkt ist ja relativ träge. Wenn aber erstmal das Angebot in den nachgefragten Lagen wieder der Nachfrage nahe kommt, kann es auch zu einem Preisrutsch kommen. Zudem werden wir noch einige interessante Entwicklungen in Zusammenhang mit der Demografie erleben. Wenn ich mich hier mal so freitags am Markt umsehe und das Durchschnittsalter des Publikums sehe ...

  • Auch wenn es wegen Corona demnächst zu einigen Privatinsolvenzen kommen könnte und dann Häuschen frei werden: Es gibt noch genügend Geld bei den Vermögenderen, die nicht knapp kalkulieren müssen. Die kaufen derzeit auch noch alles auf in den interessanten Städten, fangen also einen Preisrückgang auf.


    Das würde erst abebben, wenn sie die Immobilien nicht mehr gut vermieten können, weil sogar die Mieten zu hoch werden fürs Durchschnittspublikum. Oder weil mehr Leute aus den Städten ziehen, weil dank Homeoffice "das Land" wieder attraktiver wird.

  • Die wenigsten werden sich komplett gegenüber Dritten entblößen und eine wirklich komplette Auflistung aller vor Kauf vorhandenen Ressourcen (Schenkungen, Erbschaften) publik machen. Öffentlich rechnen sich die meisten doch lieber ärmer als reicher. Das könnte ein Grund sein, warum einige Immobilienfinanzierungen von außen betrachtet vielleicht als nicht realisierbar erscheinen.