Diskussion ETF Wechsel und steuerrechtliche Aspekte

  • Hallo liebe Finanztip-Gemeinde,


    Im Handbuch des kleinen Investierens von John Bogle (sehr empfehlenswert für Leute, die mit dem Gedanken spielen in ETF zu investieren) ist auf Seite 57ff. sehr gut beschrieben, welchen Einfluss die Kostenquote und die erwirtschaftete Rendite eines (Index)Fonds auf seine Gesamtperformance im Zeitlablauf haben. Selbst kleine Differenzen summieren sich nach Jahren des Buy and Hold zu stattlichen Summen. Verglichen wurden im Buch zwar aktiv gemanagte Fonds mit klassischen Indexfonds, doch ich finde, das Beispiel lässt sich durchaus auch auf einen Vergleich zwischen zwei ETF anwenden.


    Ich bin seit vier Jahren u.a. im ETF 110 Lyxor (vormals Comstage) MSCI World mit einer Gesamtkostenquote (TER) von 0,20 % investiert, eine damalige Finanztip-Empfehlung. Nun ist im ETF-Markt ja seit Jahren einige Bewegung, die Anbieter unterbieten sich gegenseitig mit dem günstigsten Angebot, was die TER weiter zugunsten der Anleger sinken lässt.


    Nun hat sich die Fondsgesellschaft Comstage noch vor der Übernahme durch Lyxor dazu entschieden, den Fonds von thesaurierend auf ausschüttend umzustellen, ich muss also seitdem für die Thesaurierung selbst ran. Ich selbst gebe zu, dies ist Jammern auf hohem Niveau.


    Lyxor hat 2018 selbst einen ETF auf den MSCI World aufgelegt (WKN: LYX0YD) mit einer TER von 0,12%, zudem physisch durch optimiertes Sampling replizierend und thesaurierend. Eine im Vergleich zu meinem jetzigen Fond attraktive Alternative.


    Leider ist es natürlich aufgrund der steuerrechtlichen Gesetzgebung in Deutschland nicht möglich, sein eingesetztes Kapital aus seinem ETF einfach abzuziehen und stattdessen in einen anderen, kostengünstigeren ETF fließen zu lassen. Man ist also bei seiner Anlageentscheidung für einen langen Zeitraum von vornherein festgelegt, wenn man nicht hohe Steuern auf Veräußerungsgewinne zahlen möchte (Vorabpauschale sei an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigt), die jeden Wechsel wirtschaftlich unattraktiv werden lassen. Eine unfaire Regelung wie ich finde.


    Wie bequem wäre es dagegen, wenn von Seite des Gesetzgebers der Wechsel zumindest zwischen inhaltsgleichen Finanzprodukten (ETF auf MSCI World) durch eine entsprechende Fristenregelung, verbunden mit einer Aussetzung der Besteuerung, erleichtert würde. Sofern also das Kapital aus einem veräußerten Fond innerhalb einer bestimmten Frist wieder in ein anderes, inhaltsgleiches Finanzprodukt investiert wird, würde die Kapitalertragssteuer entfallen.


    Ein Beispiel aus der Schweiz meines Arbeitskollegen: Veräußerungsgewinne auf Immobilien sind unter bestimmten Umständen nicht steuerpflichtig, wenn der Veräußerungsgewinn innerhalb einer bestimmten Frist wieder zum Kauf einer Immobilie verwendet wird.


    Zu einem solchen Reformvorhaben wird es freilich nie kommen, dem Finanzminister entgingen damit natürlich nicht unerhebliche Steuereinnahmen, doch notwendig und gerecht für den Privatanleger wäre diese Regelung meiner Meinung nach allemal. Mir geht es an dieser Stelle nicht um mein spezielles Investment, ich möchte aber gern einmal Eure Meinung zu einem solchen Reformvorschlag und allgemein zur ETF-Besteuerung hören.


    Viele Grüße

  • Zu Deinem Anliegen bei Lyxor: der alte Fonds läuft trotz höherer TER besser. Deswegen empfehle ich immer auf die Tracking-Differenz oder alternativ die Rendite zu schauen. https://www.fondsweb.com/de/ve…LU0392494562,LU1781541179


    Generell sollte die Vermögensbildung gefördert werden, egal ob mit ETF oder etwas anderen. Das kann unterschiedlich ausfallen, z.B. durch Steuerfreiheit des Wertzuwachses nach x Jahren Haltedauer bis zu einer Grenze von y Euro. Eine reine Umschichtungsprivilegierung hilft dabei nicht.


    Wir hatten da schon länger in einem anderen Thread diskutiert, allerdings mit Schwerpunkt Riester. Riester-Reform - wir entwickeln ein zukunftsfähiges Konzept

    Ich hatte dabei das 401k-Modell aus USA präferiert https://de.wikipedia.org/wiki/401(k)


    Im Grundsatz finde ich speziell die ETF-Besteuerung seit 2018 ganz OK. Ich fände höhere Freibeträge angemessen im Sinne des Vermögensaufbaus.


    Im Moment sehe ich das größere Problem darin, dass die künftige Bundeskanzlerin die Kapitalerträge der tariflichen Einkommenssteuer samt Sozialabgaben unterziehen will und über Vermögenssteuer geredet wird. Beides macht die eigene Altersvorsorge unattraktiv.

  • Beides macht die eigene Altersvorsorge unattraktiv.

    Das hört sich verdammt hart an, oder? Außerdem ist ja noch nicht klar, dass die steuerliche Situation für Kapitalerträge verbaerbockt wird. Die politische/n Alternative/n versprechen allerdings leider auch keinen Status Quo... grrrrrrr.

    Vielleicht kann man sich auf eine mildere Formulierung einschießen, wie: Beides macht die eigene (private) Altersvorsorge bzw. den Vermögensaufbau weniger attraktiv als bisher! Fest steht, dass bei einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen die Sparquote steigen muss, um ein ausreichendes Vermögen aufzubauen.


    Ich bin heilfroh, dass ich meine Altersversorgung im Laufe der letzten etwas über 30 Jahre "überdimensionieren" konnte und so investiert habe, dass "unsere" gierigen Regierungen davon nix abknabbern können :)

  • Ach lass, das ist ein zu weites Feld. ;)


    Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. :sleeping:


    Dass das Ergebnis von Anlageerfolg besteuert wird, ist schon richtig. Weniger ginge immer, aber grundsätzlich verstehe ich es schon, auch wenn ich nicht immer einverstanden bin.:saint:

  • Kennt jemand eine belastbare Quelle für den Überstieg vom Halbeinkünfteverfahren zur Abgeltungssteuer? MMn ist es so, dass mit der tariflichen Steuer und der schon im Unternehmen gezahlten Steuer sich eine Steuerbelastung > 50% ergeben würde, wogegen das BVerfG etwas hat. Dieser Aspekt fehlt im Gutachten der Grünen zur Abgeltungssteuer.


    In meinem Thread zur Bundestagswahl 2017 bzw. Koalitionsvertrag hatte ich dargelegt, dass es seinerzeit bei den Plänen zur Abschaffung nur um Zinseinkünfte ging. In einer späteren Anfrage der FDP, die Oekonom gepostet hatte, wird bei der Antwort auf Frage 2 und 3 Bezug auf die Vorbelastung im Unternehmen genommen. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/045/1904541.pdf .