BHW kündigt nicht vollen Bausparvertrag - rechtens?

  • Urteil des BGH 21/17:


    Bundesgerichtshof bejaht Kündigungsrecht einer Bausparkasse 10 Jahre nach Zuteilungsreife!!!


    Schade, schade, schade.

  • schon wieder bzw, immer noch nicht nicht.


    Ich hatte es ja schon befürchtet!


    Für weltfremd halte ich das Urteil nicht., hatten doch schon überwiegend fast alle OLG entschieden,
    dass der § 489 Abs. 1 BGB -seiner Entstehung nach- auch auf Verbraucher anzuwenden ist.


    Das war eine juristische Frage, die der BGH nun entschieden hat.


    Neue Ideen zugunsten der Bausparer hat er nicht aus dem Hut gezaubert.


    berghaus 21.02.17

  • Hat jemand ernsthaft geglaubt, daß sich dieses repressive System von ein paar aufständischen Bauern, Verzeihung: Bau-Sparern, die doch tatsächlich glauben, sie hätten Rechte, die auch im Ernstfall gelten würden, in die Speichen greifen lässt?


    Ob Euro-Rettung, GEZ, Flüchtlingskrise oder eben Bausparen - Politik, Staat und systemrelevante oder systemförderliche Interessengruppen biegen und brechen Recht und Gesetz wie es Ihnen gefällt - und die sogenannte unabhängige Justiz liefert hinterher die passende Begleitmusik, selbstverständlich streng rechtsstaatlich.

  • Schon vor 2 Jahren hatte ich überlegt, wie das Sparguthaben eines „Otto Normalverbraucher“ als Kredit gelten kann, der an die Bausparkasse ausgereicht wird. Mein erster Gedanke war damals: „Auf die Idee muss man erstmal kommen.“


    Nachdem dies aber offenbar seit geraumer Zeit die Meinung zwar nicht aller, aber insbesondere der entscheidenden Juristen ist, hatte ich diese Argumentation befürchtet.


    Dass den Bausparkassen darüber hinaus auch noch Recht gegeben wurde hinsichtlich des vollständigen Empfangs des Darlehens nach 10 Jahren, dass also die Standpunkte u. Argumente der Bausparer vom XI. Zivilsenat quasi in Gänze zerlegt wurden, ist zwar zu akzeptieren.


    Verstehen muss man dies alles allerdings nicht - im Gegenteil: Mit etwas weniger gutem Willen könnte man auf den Gedanken kommen, dass dieses „Im Namen des Volkes“ in diesem Fall zu einer Phrase mutiert - mir ist jedenfalls niemand bekannt, der als - um bei dem Ausdruck zu bleiben - „Otto Normalverbraucher“ so entschieden hätte - es sei denn, er arbeitet bei oder für Bausparkassen.


    Mein erstes Fazit: Ein (sehr) bitterer Nachgeschmack wird bleiben, „Pacta sunt servanda“ blieb auf der Strecke - denn hier wurde weniger darüber entschieden, ob vertragliche Vereinbarungen einzuhalten sind. Es standen wohl wirtschaftliche u. finanzpolitische Interessen, sprich eine „Gefährdung der ertragreichen Fortsetzung des Systems“ im Vordergrund, die auch im Vorfeld dieser und anderer Revisionsverhandlungen von den Bausparkassen unverblümt ins Feld geführt wurden/werden. (Siehe #765)
    Insofern kann ich nicht verhehlen, dass auch bei mir gerade ein ziemliches Stück Vertrauen in unsere Justiz wegbröselt …



    Mir drängt sich gerade noch eine ganz andere Frage auf: Muss man eigentlich befürchten, dass jetzt auch jeder andere langfristige Sparvertrag nach 10 Jahren von den Sparkassen gekündigt werden kann - denn durch mein Sparguthaben werden sie doch ganz offensichtlich zu meinem Darlehensnehmer, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
    Oh oh oh …



    Gruß
    Eagle Eye

  • Moin zusammen,


    ja, von Rechtsprechung im Wortsinne kann man nicht mehr sprechen. Eine Backpfeife in jedes Gesicht ehrbarer Kaufmänner, die sich an Verträge halten.


    Was ist denn jetzt Eure Empfehlung zum Umgang mit der BHW (Vertrag einseitig gekündigt, widersprochen, Ombudsmann, Check verweigert)? Was sollte ich jetzt tun - BHW Anschreiben und Auflösung/Auszahlung beantragen?


    Beste Grüße,
    ckcelle

  • Hallo und herzliches Beileid an alle Geschädigten der Bausparkassen. Wie ein Sprichwort schon sagt:



    „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“


    Leider hat sich das wieder einmal bewahrheitet. Interessant wäre noch das Abstimmungsergebnis der beteiligten Richter, sofern es eines gibt und dieses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.


    Gruß
    wn25421pbg

  • Also das können wir Gott nicht auch noch in die Schuhe schieben, vielleicht haben die Bausparkassen die Richter auch zu ihrem nächsten Betriebsausflug nach Budapest eingeladen und irgendwo müssen die Spesen ja herkommen. /Sarkasmus aus.


    @ckcelle
    Eine gute Frage. Ich hatte auch der Kündigung widersprochen und die Checks nicht eingelöst.
    Mein Plan wäre jetzt der BHW ein Gegenkonto zu nennen und zu betonen, dass ich den Widerspruch aufrecht erhalte. Das Geld lege ich (bis zum "Wiederaufleben des Vertrages) an, um meiner Schadensminimierungspflicht nachzukommen.
    Oder gibt es eine bessere Möglichkeit um sich ein zumindest theoretisches Hintertürchen offen zu halten, für den Fall das "Europa" uns noch rettet?

  • Ich bin kein Jurist, aber ich würde @berghaus Recht geben.


    Der BGH hat meiner Meinung nach lediglich das BGB so angewendet, wie es definiert ist.
    Zuerst sollte man sich mal § 488 genauer anschauen in welchem steht:


    § 488
    Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
    (1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag
    in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten
    Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.


    Bei einem Bausparvertrag bekommt der "Sparer", sprich das allgemeine Fußvolk, erst einmal keinen Kredit, wourch er automatisch als Darlehensnehmer definiert wäre, sondern er "gibt" der Bausparkasse Geld, welches durch diese "verzinst" wird. Dadurch ist die Rollengebung eigentlich (ersteinmal) klar.
    Die Bausparkasse ist zuerst der Darlehensnehmer, da sie ja dafür auch Zinsen gibt.


    Jetzt kommt § 489 ins Spiel, in welchem es heisst


    2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer
    Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über
    die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die
    Stelle des Zeitpunkts des Empfangs


    Der vollständige Empfang ist somit die Zuteilungsreife, also der Zeitpunkt, ab welchem die Bausparkasse festschreibt, dass das Angesparte, sprich Darlehen, erfüllt wurde.
    Alles darüber hinaus ist sozusagen "on top" und darf somit nach 10 Jahren gekündigt werden bzw. nach vollständiger Ansparung der kompletten Bausparsumme, da dann ja der Bauspar Grund fehlt, sprich das Darlehen, welches ja dann bei "0" läge..


    Ich kann nicht behaupten, dass das für Otto Normalverbraucher verständlich und nachvollziehbar ist, geschweige denn irgendwo einleuchtend erklärt ist.
    Deshalb bleibt ein fader Nachgeschmack...vielleicht könnte man da auch mangelnde Aufklärung geltend machen ;)


    So long...wir müssen damit leben.

  • Tja @wanderer, vielleicht könntest Du noch mal erläutern, ...


    ... weshalb der von Dir zitierte § 488 BGB für Bausparverträge überhaupt gilt - heißt es doch in Abs. 1 Satz 1 - wie Du richtig zitierst:


    "Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen."


    Das heißt also, dass die Höhe des Geldbetrages, der der Bausparkasse als Darlehen zur Verfügung gestellt werden soll, im Darlehensvertrag vereinbart worden sein muss, damit es sich überhaupt erst um ein Darlehen handelt.
    Nun wüsste ich nicht, an welcher Stelle eines Bausparvertrages oder in den ABB irgendwo ein Geldbetrag als Darlehenshöhe vereinbart wurde.


    Kannst Du mich diesbezüglich eventuell aufklären? Denn wenn keine vereinbarte Höhe dieses Geldbetrages existiert, die als Darlehen ausgewiesen wird, kann man mit "normalem Otto-Normalverbraucher-Verstand" wohl kaum sagen, wann dieses Darlehen "vollständig empfangen" wurde - naja, unsere unabhängigen Chef-Juristen scheinen dies zu können.


    Da kann ich mich viel eher mit dem Kommentar in der Süddeutschen anfreunden, dessen Link MyLo unter #787 gepostet hat ...



    Gruß
    Eagle Eye

  • Hallo,


    ich habe mich bei meine Schwiegereltern beschwert, dass Sie nicht wie vorgesehen 9 Jahre nach Zuteilung meines Bausparvertrages verstorben sind. Ich hätte eventuell doch nachhelfen sollen ;)


    Wer garantiert mir eigentlich, dass ich den Bausparkredit tatsächlich bekomme? Wer legt fest wie hoch die Eigenkapitalquote sein muss. Und besonders wichtig, welchen Inhalt die AGB´s des Kredites haben?
    Laut meinem gekündigten Vertrag, die Bausparkasse.


    Bausparkassen, insbesondere Landesbausparkassen, haben wohl Kontakt mit dem Bundesministerium für Wirtschaft aufgenommen. Diese mit der BaFin, welche als Aufsichtsbehörde Fragen des BGH´s auch ohne Aufforderung gerne beantwortet. Es ist bekannt, dass es inoffiziell Vorgespräch gab (Quelle müsste ich nochmals suchen / in der Verwaltung auch üblich).


    Den Bausparkassen war die Einschätzung des BGH bekannt. Daher haben diese die Klage auch nicht zurückgezogen.


    Wieso wurde eigentlich nicht ,wie sonst immer, geprüft wer der schwächere Vertragspartner ist. Der Grundsatz des Römischen Rechtes wurde missachtet: Vertrag ist Vertrag.


    Wie war das noch und gilt immer noch?


    Bausparen dient dem Vermögensaufbau.


    Ein Bausparvertrag kann auch als Altersvorsorgevertrag im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vom 26. Juni 2001 abgeschlossen werden.(Bausparkassengesetz)


    Die Vermögenswirksame Leistung (VL) ist eine in Deutschland staatlich geförderte Form des Sparens, bei der Arbeitnehmer zur Verbesserung der Altersvorsorge vom Staat einen finanziellen Anreiz in Form einer jährlichen Zulage erhalten.


    Schlucken und schauen wie ich das Geld sicher anlegen. Bestimmt nicht in eine Bausparvertrag.


    Ach ja. Seit der Kündigung habe ich meine Konten bei einer Bank die keine Bausparverträge verkauft.

  • Hallo joergspi,


    wie ich schon weiter oben befürchtete und beschrieb, ging es in diesem Verfahren von Anfang an nicht um das Einhalten von Recht und Verträgen, sondern um wirtschaftliche "Begradigungen" mit Hilfe unserer Justiz.


    Nachdem dies in der Revisionsbegründung noch der breiten Öffentlichkeit verborgen blieb, lässt jetzt - nach dem Urteil - auch der Anwalt der Wüstenrot, Herr Reiner Hall, die Katze aus dem Sack, indem "er keinen Hehl daraus [machte], dass es letztlich um einen juristischen Ausweg aus der wenig komfortablen Marktsituation geht."


    http://www.sueddeutsche.de/wir…en-ist-rechtens-1.3388657


    Herr Prantl trifft in seinem Kommentar in der Süddeutschen imho den Nagel auf den Kopf. Er schreibt zwar nicht "Der Bundesgerichtshof bricht das Recht", aber seine Zusammenfassung "Der Bundesgerichtshof bricht mit einem Kernsatz des Rechts" ist wohl nur eine höflich-vorsichtige Umschreibung.


    Und weiter:
    "Der Bundesgerichtshof hat mit juristisch interessanten, bankenfreundlichen Winkelzügen das Recht der Verbraucher ausgehebelt. Das ist bedenklich. Denn es handelt sich um glasklare Verträge, bei denen hohe Zinsen nach dem objektiven Vertragstext Vertragsinhalt geworden sind."


    Dem ist für heute nichts hinzuzufügen - für unseren "Rechtsstaat" eine bedenkliche Entscheidung, ein trauriger Tag!



    Gruß
    Eagle Eye

  • Hallo @eagle_eye


    ehrlich gesagt, begeben wir uns da in die Tiefen der Juristerei und der Hermeneutik.
    Da ich kein Jurist bin, will ich mich da nicht aus dem Fenster lehnen.
    Was ich weiß, ist, dass in jedem (neuen) Bausparvertrag ein fester Betrag als Bausparsumme eingetragen ist.
    Des Weiteren beschreibt die ABB den Sinn und Zweck des Vertrages sowie z.B.wie sich die Spardauer, das Bauspardarlehen etc. berechnet.
    Laut Definition ist ein Darlehen ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einem Darlehensgeber und einem Darlehensnehmer, bei dem der Darlehensgeber dem Nehmer Geld oder vertretbare Sachen zur Nutzung überlässt. Diese Nutzung ist jedoch nur vorübergehend, und zwar für die Zeitspanne, welche im Darlehensvertrag vereinbart worden ist. Gemäß diesem Vertrag verpflichtet sich der Darlehensnehmer, den geschuldeten Betrag oder eine gleichwertige Sache zurückzuzahlen. Dafür erhält der Darlehensnehmer neben dem Geld beziehungsweise der vertretbaren Sache auch die Darlehensvaluta, welche ihm das Recht gibt, mit den Sachen nach eigenem Belieben zu verfahren.


    Das Problem ist, dass dies alles sehr allgemein gehalten ist und dass kein Mensch sich aus den ABB und der Bausparsumme und abhängig wieviel er anspart und wie lange er spart die Dauer errechnen kann geschweige denn dass dieses geben-nehmen-geben Spiel irgend jemand versteht bzw. einordnen kann.
    Da muss ich @joergspi Recht geben, dass eine Prüfung, wer der schwächere Vertragspartner ist, völlig fehlt und unbewertet bleibt.


    Der BGH hat in diesem Fall das Recht zum Vorteil der Bausparkassen interpretiert.
    Interpretation in Rechtsfragen ist eine übliche und anerkannte Vorgehensweise, allerdings hätte ich es sinnvoller gehalten, die alten Verträge bestehen zu lassen und für neue genauere Definitionen bzw. klarere Regeln/Grenzen zu setzen, die auch jeder verstehen kann.


    Es gab früher auch Verträge, die explizit als "Sparverträge" zur Geldanlage beworben wurden....da bin ich mir nicht sicher, wenn es per Unterlagen bewiesen werden kann, ob das auch unter das BGH Urteil fällt, da der Zweck nicht nur auf Bauspardarlehen begrenzt war.


    Die Intention der Bausparkassen war meiner Meinung nach schon immer klar...da ging es ausschließlich um wirtschaftliche Interessen bzw, Schadensbegrenzung und da diese natürlich gut vernetzt sind, haben sie definitiv schon im Vorfeld abgeklopft, ob so ein Durchmarsch sinnvoll und erfolgreich sein kann...alles andere hätten sie ihren Anteilseignern nur schwer verkaufen können.
    Niemand stürzt sich sehenden Auges in ein potentiell riskantes finanzielles Fiasko.


    VG
    wanderer

  • Es ist schon interessant: Vor einem Jahr, als es um den Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen ging, hat keinen Verbraucherschützer der Grundsatz "pacta sunt servanda" interessiert. Aber jetzt wird der BGH kritisiert, weil er eine Kündigungsregelung vollkommen korrekt anwendet und es wird als Bruch der Vertragstreue fehlinterpretiert.


    Dabei ist es mitnichten so, dass ein einmal geschlossener Vertrag für immer eingehalten werden muss: Genau dafür hat der Gesetzgeber gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten geschaffen. Die Ansicht, der § 489 BGB gelte nicht für Bausparkassen, war von Anfang an verfehlt: Das steht so nicht im Gesetz, es gibt keine durchschlagenden Gründe für diese Annahme.


    Prantl holt aber die ganz großen Keule heraus: Anpassungsmöglichkeiten oder Kündigungsgründe bestünden nur bei Wegfall der Geschäftsgrundlage, der BGH hätte also eine Kündigungsmöglichkeit fälschlicherweise angenommen. Hätte Prantl mal einen Blick ins Gesetz geworfen. Dann hätte er gesehen, dass seine Aussage vor dem Hintergrund des § 489 BGB schlichtweg völliger Unfug ist und der Gesetzgeber im Gegenteil für einige Vertragsarten reguläre Kündigungsmöglichkeiten vorsieht. Insofern: Miserabler Artikel von Prantl. Das Thema hat er offensichtlich nicht ansatzweise verstanden.

  • Hallo,


    auch wenn ich nicht unmittelbar betroffen ist, weil mein Uralt-Bausparvertrag noch lange nicht zuteilungsreif ist, bedauere ich natürlich das heutige BGH-Urteil und kann die hier verbreitete allgemeine Enttäuschung verstehen.


    Manche Äußerungen allerdings nicht.


    forenteilnehmer: Die OLG-Stuttgart-Urteile, die Gegenstand des heutigen Revisionsurteils waren, datieren vom 30. März 2016 - das ist knapp ein Jahr her. Die gesamte Rechtsfrage, die heute für uns Bausparer leider nagativ entschieden wurde, ist nach meinem Kenntnisstand etwa 2 1/2 Jahre "alt" (dieser Thread existiert seit dem 29. Dezember 2014!) (ich habe das jetzt nicht genauer recherchiert und hoffe, dass ich mich zeitlich nicht sehr irre) - aber das ist für die Klärung einer neuen Rechtsfrage von der ersten bis zur letzten Instanz eher ein positiver Rekord als ein Anlass zu Kritik á la "die Mühlen der Justiz mahlen langsam".
    Was meinen Sie mit "so einer primitiven Begründung"? - Viel Begründung ist der Pressemitteilung - das haben Pressemitteilungen so an sich - in der Tat nicht zu entnehmen. Die komplette Urteilsbegründung bleibt abzuwarten und kann noch allerlei Anlass zu weiteren Diskussionen (einschl. Kritik am Urteil) geben. Aber: Der BGH hat uns Bausparvertragsinhabern (und auch den Bausparkassen) ins Stammbuch geschrieben, wozu ein Bausparvertrag nach dem Gesetz über Bausparkassen eigentlich gedacht ist: Man spart Geld an, um einen Rechtsanspruch auf einen Kredit zur Verwirkichung eines wohnungswirtschaftlichen Vorhabens zu erhalten. (Punkt!!!) - So einfach ist das.
    Das in den Kündigungsschreiben der Bausparkassen zu lesen, klang (und klingt) angesichts der bekannten Werbung der Bausparkassen in den 90er Jahren (und vielleicht auch noch Anfang des Jahrtausends) natürlich ganz stark nach Hohn - ist aber leider nicht falsch. Bausparkassen, die Bausparverträge an Kunden verkauft haben, obwohl diese nie ein Baudarlehen wollten, haben diesen den betreffenden Verträgen zu Grunde liegenden rechtlichen Grundgedanken nicht eingehalten. Menschen, die einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, aber nie ein Baudarlehen wollten, haben sich von vornherein genau so wenig an den Grundgedanken des Bausparvertrags gehalten. (Menschen, die erst im Laufe der Zeit von ihrem anfänglichen Vorhaben, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, Abstand genommen haben, haben sich im Sinne dieses gedanklichen Bildes im Laufe der Zeit von dem ihrem Bausparvertrag zu Grunde liegenden Vertragszweck abgewandt.)
    Fragen zum Nachdenken: Wer ist in dieser Konstellation der "Böse", wer ist der "Gute"? Können zwei Vertragsparteien, die nicht (mehr) beabsichtigen, den gesetzlichen Vertragszweck zu erfüllen, realistisch voneinander erwarten, dass dass der jeweils andere Partner sich noch an den Vertrag hält? Wer hat in einer Konstellation, in der beide Vertragspartner nicht dem Vertragsgrundgedanken entsprechen, "Recht"? Mir scheint, dass der BGH schlicht und ergreifend gesagt hat "Wir wissen nicht, wer der "Gute" und wer der "Böse" ist, beide Vertragsparteien belügen uns, dass die Balken biegen, also tun wir einfach so, als seien beide die "Guten", die sich eigentlich an den Vertrag halten wollen, und sprechen schlicht Recht, indem wir der Seite, die auch zehn Jahre, nachdem erstmals die Möglichkeit dazu bestanden hätte, das Darlehen nicht in Anspruch genommen hat, erklären, dass die Sache für sie nun gelaufen ist, weil sie sich durch beharrliche Nicht-Inanspruchnahme nun offenkundig vom Vertragszweck abgewandt hat..." Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 (bzw. Nr. 3 a. F.) BGB hat der BGH die offene Rechtsfrage beantwortet. Das war sein Job. Über das Ergebnis können wir uns ärgern, es ist aber weder "falsch" noch "richtig", es ist das nun rechtlich maßgebliche Ergebnis. Ich kann mich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass der eine oder andere Bausparer (mich eingeschlossen) seinen Bausparvertrag wegen der guten Zinsen, wegen der Wohnungsbauprämie und evtl. wegen der Arbeitnehmersparzulage abgeschlossen (und/oder fortgeführt) hat, ohne das Geld wohnungswirtschaftlich verwenden zu wollen und einen Kredit in Anspruch nehmen zu wollen (was nach früherer Rechtslage so uneingeschränkt zulässig, aber eben nicht "im Sinne des Erfinders" war) und insofern ein klein wenig selbst in dem berühmten Glashaus sitzt, wenn er sich nun wundert, dass die Bausparkassen das Spiel aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht mehr mitspielen - mit Recht hat das alles nichts zu tun, ich hätte es uns trotzdem gegönnt ;) . Nun haben wir uns halt verzockt ... :(


    drogenfahnder: Was soll Ihre verhetzende Bemerkung? Die Rechtsprechung hat die Kündigung der Scala-Verträge für unrechtmäßig erklärt, sie fährt den Banken regelmäßig in Sachen "Rückabwicklung von Baudarlehensverträgen wegen falscher Widerrufsbelehrung" und in Sachen "Darlehensgebühren" in die Parade. Ich könnte zahlreiche weitere Beispiele aufführen, in denen die "kleinen" Vebraucher gegen "übermächtige" Banken etc. gewonnen haben - Sie könnten weitere Beipiele aufzählen, in denen die Verbraucher - wie hier und heute - verloren haben. Insgesamt bleibt: wer so einen Quatsch wie Sie hier verbreitet, ist ein Troll und sollte sich anderswo austoben.


    @eagle_eye: Zugegeben: Ich habe oben ein "bisschen" fantasiert und Dinge in die noch nicht bekannte Urteilsbegründung hineingelegt, die aus der kurzen Pressemitteilung objektiv nicht herauslesbar sind, um deutlich zu machen, dass es "nicht ganz sauber" ist, einen Bausparvertrag abzuschließen (oder fortzuführen), wenn keine Absicht (mehr) besteht in angemessener Zeit ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (auch wenn eben andererseits keine Verpflichtung besteht, das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen). Aber: Woraus schließen Sie, dass die von den Bausparkassen vorgetragenen wirtschaftlichen Gegebenheiten bei der Urteilsfindung tatsächlich eine Rolle gespielt haben - in Klage- und Klageerwiderungsschriften trägt jede Seite üblicherweise alles vor, was sie für relevant hält und überlässt es dem Gericht, das rechtlich Relevante herauszufiltern. Das hat also erst einmal nichts zu bedeuten - und ich hoffe sehr, dass die Richter auch tatsächlich nicht gerechnet, sondern Recht gesprochen haben - anderenfalls wäre das Urteil in der Tat höchst bedenklich - die komplette Urteilsbegründung bleibt abzuwarten.


    Es grüßt in Erwartung eines mittleren Shitstorms


    BSHKunde

  • Hallo zusammen,


    bei den beiden Bausparberträgen, die der BGH heute abgehandelt hat, handelt es sich um stinknormale Verträge.


    Interessant wäre es zu wissen, wie der BGH die von der BHW Bausparkasse angebotenen Dispo plus Verträge beurteilt, die explizit auch als Geldanlageprodukte verkauft wurden und wobei der Bausparer mit zusätzlichen Bonuszinsen für längere Vertragstreue bei Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehen belohnt wird (Seite 1 und 2 vor den allgemeinen Bausparbedingungen). Hierbei handelt es sich um ein Mischprodukt, welches durch die zusätzlichen "Bonuszinsen" extra beworben wurde.


    Ob der BGH hier eine andere Fallkonstellation sieht?


    wn25421pbg

  • Ich kann mich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass der eine oder andere Bausparer (mich eingeschlossen) seinen Bausparvertrag wegen der guten Zinsen, wegen der Wohnungsbauprämie und evtl. wegen der Arbeitnehmersparzulage abgeschlossen (und/oder fortgeführt) hat, ohne das Geld wohnungswirtschaftlich verwenden zu wollen und einen Kredit in Anspruch nehmen zu wollen (was nach früherer Rechtslage so uneingeschränkt zulässig, aber eben nicht "im Sinne des Erfinders" war)


    So ist es!


    Ich habe Bausparverträge schon immer für ein völlig überflüssiges Produkt gehalten.
    Aber wenn jemand einen Bausparvertrag abschließt, dann sollte ihm auch klar sein, welches Finanzprodukt er da gekauft hat. Es gibt viele Finanzprodukte, die sehr kompliziert sind. Bausparen ist sehr simpel gestrickt. Allerdings gehört halt die "wohnungswirtschaftliche Verwendung eines Bauspardarlehens" zwingend zur Produktlogik.


    Wer jetzt geglaubt hat, mit einem zuteilungsreifen Bausparvertrag hockt er auf einer Insel der Seeligen und kassiert auch 10 Jahre nach Zuteilungsreife völlig risikolos Zinsen, die es sonst nirgendwo mehr gibt, wird zu Recht enttäuscht. Dazu war Bausparen niemals konzipiert worden. Und wer ein auf kollektives Sparen verbunden mit kollektivem Finanzieren angelegtes System zu seinem Vorteil ausnutzen will, verdient keinen Schutz.


    Das BGH-Urteil ist völlig richtig. Die Richter konnten gar nicht anders urteilen.

  • Hallo Betroffenen,


    "Bausparverträge sind in der Regel zehn Jahre nach Zuteilung kündbar", stellte der Vorsitzende Richter des BGH-Bankensenats, Jürgen Ellenberger, am Dienstag in Karlsruhe fest.



    Keine Regel ohne Ausnahme. Warten wir mal die Urteilsbegründung ab. Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für die Bausparer, die z. B. Dispo plus Verträge (oder eine ähnliche Konstellation) besitzen. Das "Dispo plus" wurde als Anlage- und Darlehenskonto beworben. Kernaussage war, dass man während der Sparphase, wenn man kein Darlehen in Anspruch nehmen möchte, von der attraktiven Guthabenverszinsung profitieren konnte. Und die Sparphase endet bekanntlich, wenn der Vertrag voll bespart ist. Auf die Bonuszinsen will ich hier nicht eingehen.



    wn25421pbg

  • Ich weiß nicht wie der BGH-Senat und einige Diskutanten hier (die sich jetzt nach dem ihnen passenden Urteil aus dem unterholz des Besserwissertums herauswagen ;( ) für mich und hundertausende andere Bausparer vorab entscheiden können, ob eine"wohnungswirtschaftliche Verwendung des Bauspardarlehens" in der Zukunft angestrebt wird. Hier wird man vorverurteilt für eine "Tat", die man in Zukunft begehen könnte und die laut Vertrag auch gar nicht "strafbar" ist. Außerdem wurde dieses Verhalten von den Kassen durch Werbung und die Vertreter aktiv propagiert und jahrzehntelang als geübte Praxis hingenommen. Vielleicht liegt hier auch ein Fall von Fehlberatung vor, so das eine Vertragsrückabwicklung mit Entschädigung (aus der Zeit als die Zinsen noch (viel) höher waren als die Bausparzinsen) das Mittel der Wahl ist?
    Bei Vertragsabschluss/-Verlängerung war (dem Vertreter) immer klar das die Immobilie schon (lange) besteht und die Sparsumme für Renovierung/Sanierung ab 2020 vorgesehen ist. Müssen wir uns vorschreiben lassen, wann wir die "wohnungswirtschaftliche Verwendung" des Guthabens beginnen. Der Vertrag ist ja nur zuteilungsreif nicht zuteilungspflichtig. Zumindest in meinem Fall wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet....