Alles anzeigenEs geht mir derzeit folgende Frage im Kopf herum:
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Oder anders gefragt, ist es wahrscheinlich, dass die Bausparkasse(n) schon vor der Veröffentlichung der Urteilsbegründung Kenntnis von der Ausnahmeregel hatten?
Das hängt davon ab, was seitens des BGH in der mündlichen Verhandlung vom 21.2.2017 mit den Verfahrensbeteiligten erörtert worden ist und was der Vorsitzende an diesem Tag ggf. zur mündlichen Begründung der Entscheidung gesagt hat.
Ich habe insoweit nochmals die Forenbeiträge dieses Tages (ab 770 ff. ) überflogen. Danach begann die mündliche Verhandlung in beiden Verfahren um 10 Uhr und war wohl schon gegen Mittag beendet, wobei der Vorsitzende am Ende der mündlichen Verhandlung wohl darauf hingewiesen hat, dass der Senat beabsichtigt, die Entscheidung um 15 Uhr zu verkünden. In welcher Form dies geschehen sollte, ist den Forenbeiträgen nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen. Denkbar wäre es, dass der Senatsvorsitzende den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt hat, dass sie den Entscheidungstenor ab 15 Uhr in der Senatsgeschäftsstelle abrufen können oder die Geschäftsstelle beauftragt hat, den Verfahrensbeteiligten die Entscheidungstenöre um 15 Uhr zu faxen. Für wahrscheinlicher halte ich es allerdings (auch wenn dies spekulativ ist), dass der Senatsvorsitzende die mündliche Verhandlung mit den Worten geschlossen hat, dass Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf nachmittags, 15 Uhr, festgesetzt wird und bei diesem Verkündungstermin die Entscheidung kurz begründet hat. Jedenfalls hatte der BGH an diesem Tag schon eine Pressemitteilung fertig (Nr. 21/2017), in der er die beiden für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte herausgestellt hat und daraus im letzten Absatz der Presseerklärung das Fazit gezogen hat, dass die Bausparkasse einen Bausparvertrag "im Regelfall" zehn Jahre nach Zuteilungsreife wirksam kündigen kann. Diese Einschränkung "im Regelfall" lässt mich vermuten, dass auch schon in der mündlichen Verhandlung mit den Verfahrensbeteiligten erörtert worden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen es Ausnahmen von dem vom BGH angenommenen Regelfall gibt.
Fazit: Ich halte es für wahrscheinlich, dass jeder, der in der mündlichen Verhandlung vom 21.2.2017 persönlich anwesend war, zumindest damit rechnen musste, dass die Regel nicht ohne Ausnahme gilt. Nach dem Bericht in der Berliner Morgenpost vom 21.2.2017 (siehe Link im Beitrag Nr. 778) waren seinerzeit beim BGH nach Angaben des Senatsvorsitzenden mehr als 100 Bauspar-Verfahren anhängig. Es ist daher davon auszugehen, dass dem BGH seinerzeit über die am 21.2.2017 von ihm entschiedenen beiden Wüstenrot-Fälle hinaus, bei denen es sich letztlich um "stinknormale" Bausparfälle" (siehe Beitrag Nr. 797) gehandelt hat, ein reicher Fundus ganz unterschiedlicher Vertragsgestaltungen vorlag. Insoweit ist Ihre Fragestellung aus meiner Sicht jedenfalls differenziert zu beantworten: Wenn die Bausparkassen schon vor Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe Kenntnis von einer Ausnahmeregelung hatten, so gilt dies jedenfalls auch für die anderen Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung (und ggf. am Verkündungstermin), also insbesondere die klagenden Bausparer. Dass einseitig nur die eine Partei (also z.B. die BSK) Kenntnis von der Ausnahmeregel hatte, halte ich für ausgeschlossen.
obiter25 (2.6.2017)