Berufsunfähigkeit - Teilrisiko selber tragen

  • Hallo zusammen,


    ich (32 Jahre) habe eine Frage zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit dem Abschluss dieser Versicherung lagere ich mein Risiko der Berufsunfähigkeit ja an einen Versicherer aus (bis zu einer gewissen finanziellen Höhe die ich absichere). Meine Idee ist nun auf eine Versicherung zu verzichten und einen ganz bestimmten Teil (bzw. Fall) des Risikos der Berufsunfähigkeit selber zu tragen.


    Im Großen und Ganzen basiert meine Idee darauf:

    - Eintritt der BU bei Männern im Durchschnitt mit 48 Jahren

    - Wahrscheinlichkeit, dass Männer grundsätzlich berufsunfähig werden bei ca. 1/4

    - Die dominierenden Gründe für BU sind psychisch und Bewegungsapparat

    - Die überwiegende Mehrheit der Berufsunfähigkeiten ist nur temporär

    - Häufigster Ablehnungsgrund der BU-Versicherung ist die Nichterreichung des entsprechenden BU Grads

    - Aktueller Job (vergleichbar mit Rechtsanwalt) ist in der geringsten Risikogruppe


    Bezüglich der beiden größten Risikofaktoren (psychisch und Bewegungsapparat) würde ich persönlich sagen, dass man hier über eine bewusste Lebensweise viel selber tun kann, auch wenn das natürlich nur die Wahrscheinlichkeit weiter senkt, aber den Fall nicht ausschließen kann.


    Insgesamt ist die rein rechnerische Wahrscheinlichkeit, dass ich in meinem Erwerbsleben jemals berufsunfähig werde also überschaubar. Der wahrscheinlichste Fall bzgl. BU der mich (statistisch gesehen) treffen könnte wäre eine temporäre Berufsunfähigkeit in der zweiten Hälfte meines Erwerbslebens (Beginn mit 28). Dieses Risiko würde ich durch einen verstärkten Vermögensaufbau über einen ETF Sparplan absichern.


    Das Risiko was dann natürlich "offen" bleibt, ist das Risiko einer dauerhaften Berufsunfähigkeit, die evtl. bereits vor 48 Jahren eintritt. Sollte dieser Fall eintreten hätte ich mich am Ende natürlich "verkalkuliert" und müsste mit den Folgen leben.


    Die "Vermögensvoraussetzungen" sind:

    - Immobilienvermögen (ohne Schulden) vorhanden

    - Aktuell hohes Einkommen (über Spitzensteuersatzgrenze) mit vgl. hoher Sparquote

    - Aktuelles Einkommensniveau muss im Fall einer BU nicht erhalten bleiben


    Und jetzt würde ich mich über eure Meinungen hierzu freuen. Da das Thema Berufsunfähigkeit durchaus ein wirklich wesentliches bzw. existenzielles ist, will ich sicherstellen, dass ich keine groben Denkfehler oder Fehlkalkulationen hier drin habe. Deswegen gerne auch kritische Fragen und Denkanstöße, auch zu den Annahmen von oben. Ich habe mir diese zwar aus grundsätzlich verlässlichen Quellen zusammengesucht, aber "traue keiner Statistik die du nicht selber gefälscht hast"...


    Ein Punkt wo ich aktuell gedanklich noch nicht ganz durch bin ist der, dass ich im Moment Ledig bin und keine Familie in Aussicht ist. Aber dieser Punkt könnte meine Argumentation gefühlt evtl. nochmal etwas durcheinander werfen...


    Dass es am Ende eine subjektive Entscheidung bleibt und stark mit der individuellen Risikoneigung zusammenhängt ist natürlich verstanden.


    Beste Grüße

  • Ich habe keine BU, weil ich sie wegen Vorerkrankung nicht bekomme. Wäre ich nicht vorerkrankt, würde ich sie abschließen.


    Ich denke die BU deckt ein relevantes und in hohem Maße existenzielles Risiko ab, das ich mir für eine drei oder vierstelligen Betrag vom Halse schaffen kann.


    Klar, vielleicht zahlst du über 40 Jahre "umsonst", das Geld ist weg. Aber der Versicherungsbeitrag tut nicht wirklich weh. Und wenn es kracht, rettet die Versicherung dir den Lebensstandard.


    Mit Familie und als Haupternährer finde ich das Thema noch wichtiger!

  • ... es soll auch Leute geben, die eine Kranknversicherung haben (und dafür Beiträge zahlen) und nie nicht krank wurden/werden. Shit! Rausgeschmissenes Geld! :D


    Im Ernst... wenn dein Risiko (aus Sicht der Versicherer) niedrig ist, schlägt sich dies in (relativ) niedrigen Beiträgen nieder. Von welchen Betragshöhen reden wir? Wie stehen diese in Relation zum (aktuellen) Einkommen?

    Eine Bewertung, inwiefern dein Risiko berufsunfähig zu werden existenzgefährdend/-bedrohend werden würde, musst du selbst erstellen.

  • Mit Familie und als Haupternährer finde ich das Thema noch wichtiger!

    Ich denke, dass ist/sollte einer der Hauptgründe für den Abschluss einer BU sein. Für mich selbst kann ich gern die Entscheidung treffen, notfalls auch von Toastbrot und Ketchup zu leben. Aber für die Familie möchte man ja nun schon eine gewisse Absicherung.

  • Ich schließe mich hier v.a. chris2702 an.

    Nur, weil du heute keine Familie in Aussicht hast, muss das nicht in den nächsten 5-10 Jahren so bleiben. Und was die Beiträge angeht, so sind die niedriger, je früher du anfängst einzuzahlen und natürlich auch, solange du das eine oder andere alterbedinge Leiden nicht hast, was später zu hohen Beiträgen oder generell zum Ausschluss aus der Absicherung führt.

  • Hallo.


    Nicht alles lässt sich berechnen - Leben passiert.


    Ich habe meine BU erst abgeschlossen, als der Nachwuchs Thema wurde. Zurückschauend war das zu spät, weil Versicherung nicht unbedingt günstig. :(


    Mit einer Immobilienfinanzierung an der Backe wäre ich sehr vorsichtig mit dem Verzicht darauf, das Erwerbseinkommen abzusichern.


    Wenn die Wette aufgeht, hat man Geld gespart wenn die Wette nicht aufgeht, dann hat man ein Problem! =O


    Aber das sollte jede/r für sich entscheiden.

  • Gerade in Zeiten des Vermögensaufbaus würde ich nicht auf eine BU verzichten wollen. Diese Versicherung wird später, so ab 60 Jahren, relativ teuer (wegen hohem Risiko), man kann einiges an Geld sparen, wenn man die Versicherung nur bis 60 oder 63 laufen lässt (natürlich bekommt man dann anschließend auch kein Geld mehr, allerdings sollte man bis dahin auch schon den ein oder anderen Euro auf die Seite geschafft haben).


    Auch ist ein früher Abschluss mehr als günstig, einerseits sind da die Beiträge niedriger, andererseits kommen später eventuell gesundheitsbedingte Aufschläge hinzu. Und nein, diese lassen sich nicht alle durch gesunde Lebensweise berechnen, das Leben und das Genom halten manche Überraschungen bereit.

  • Immo-Finanzierung sichert man mit Risikoleben und einer Dread Disease ab!

    Nicht wirklich mit BU ..... Ausnahmen bestätigen aber Regeln.

    Stimmt schon, irgendwie sollte man das schon absichern. (Muss nicht zwingend eine BU sein.)


    Hier im Beispiel ist die Immobilie lastenfrei, wenn ich es richtig verstehe. Unterhaltsverpflichtungen sind nicht zu erkennen. (Stand: jetzt)


    Wenn längerfristig eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist, dann wird nur eine Seele ins Elend gestürzt (bzw. die anderweitige Absicherung greift).


    Hm, Günther Jauch würde jetzt jemanden anrufen.

  • Vorpheus , Ihre Überlegung, ob eine BU als Akademiker mit geringerem BU-Risiko unbedingt nötig ist, stellen viele der von uns beratenen Kunden an. Unter folgenden Voraussetzungen könnten Sie auf eine BU verzichten und sich das Geld dafür sparen:

    1. Sie sind nicht mehr auf Ihr Arbeitseinkommen angewiesen, z.B. weil Ihr ETF Depot oder regelmäßige Immobilieneinkünfte Ihren Lebensstandard jetzt und später (dabei bitte Sparen für die Rente und Beiträge zur Krankenversicherung nicht vergessen) abdecken.
    2. Sie können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, durch einen Unfall oder eine Erkrankung nicht mehr arbeiten zu können. Reduzierte Wahrscheinlichkeit reicht hier leider nicht aus. Sie müssen auch im "worst-case" noch klarkommen können.

    Wenn beides bei Ihnen (noch) nicht der Fall ist, empfehle ich den umgekehrten Weg. Jetzt erst mal eine vernünftige BU abschließen (aktuell ist Ihr Risiko über die Länge der Zeit am größten) und sobald eines der beiden Kriterien greift diese reduzieren oder kündigen. Beides ist jederzeit möglich. Alles andere wäre Roulette und mir persönlich zu gefährlich, erst recht wenn noch Familienplanung im Raum steht.


    Das geringere Risiko, als Akademiker mit Schreibtischjob berufsunfähig zu werden, ist schon in den deutlich niedrigeren Beiträgen einkalkuliert. Das ist also kein logischer Grund, deshalb keine BU abzuschließen.

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
    Von Finanztip empfohlene Spezialisten für Berufsunfähigkeit und private Krankenversicherung | Angaben gem. § 11 VersVermV, § 12 FinVermV: https://schlemann.com/erstinformationen | Beiträge in der Finanztip Community erstelle ich mit größtmöglicher Sorgfalt, jedoch ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Deren Nutzung erfolgt auf eigene Gefahr.

  • Meine persönliche Meinung:


    BU Absicherung ist eigentlich ein ziemlich deutsches Phänomen. Ich war viel im Ausland und dort wird sowas fast garnicht angeboten. Gleichzeitig haben wir einen der besten Sozialstaaten der Welt. D.h. hier muss (theoretisch) niemand auf die Straße.


    D.h. eine BU ist eine reine Status/Familienabsicherung. Ohne BU wirst du weder verhungern noch obdachlos. Vermögend ist natürlich ein anderes Thema.


    Ein anderer Punkt ist, dass dir niemand sagen kann in welchem Zustand du bist. Im Fall von Akademiker mit Bürojob wird es wahrscheinlich Burnout oder Gemüse. Hätte man in irgendeinem dieser Fälle etwas von den (zusätzlichen) Einnahmen?


    Was anderes ist es natürlich wenn klar ist das der Job wahrscheinlich bis zur Rente garnicht machbar ist. Oder ein kleiner Unfall schon reicht weil man irgendwelche motorischen Fähigkeiten braucht. Solche Kunden will die Versicherung eh nicht und regelt das über den Preis.


    Wenn man natürlich eine Familie versorgen muss und Allein/Hauptverdiener ist also andere an deinem Einkommen/Status/Vermögen hängen dann kann man sie damit absichern.


    Für mein eigenes Wohl schließe ich keine ab.


    Man darf wenn man mit Versicherungsberatern redet nicht vergessen, dass PKV, BU und RV die Versicherungen mit den besten Provisionen sind.

    RV sind aktuell schwer zu vermitteln, PKV für den Großteil der Bevölkerung nicht relevant also bleibt nur die BU. Die Beratung muss dadurch nicht falsch oder schlecht sein aber man sollte es im Kopg haben.

  • Du hast es ja geschrieben, ist deine persönliche Meinung;)

    Nicht umsonst empfiehlt der Verbraucherschutz eine private Haftpflicht und Berufsunfähigkeit als "muss".

    Hier spart man aus meiner Sicht an der falschen Stelle.


    Dieser Schutz muss auch vor der hier so geliebten ETF Anlage kommen.

  • Bei der Haftpflicht bin ich D'Accord.


    Die BU sichert hingegen ein sehr difuses und individuelles Risiko ab.


    Es wird sehr viele Situationen geben wo eine BU leider ihr Ziel trotz der richtigen Absichten verfehlt. Bsp Todesfall oder BU < 50% in dem Fall sieht man keinen Cent hat aber in seinem oder dem Leben seiner Lieben doch einiges durcheinander gebracht.


    Für die die es brauchen ist es mmn. zu teuer und für die für die es bezahlbar ist ist die Diskussion wie relevant es tatsächlich ist berechtigt.

  • Nicht umsonst empfiehlt der Verbraucherschutz eine private Haftpflicht und Berufsunfähigkeit als "muss".

    MMn darf einem die Empfehlung vom Verbraucherschmutz auch links am Dingens vorbei gehen ;)

    Diese Geschichte (mit der BU) ist vielmehr individuell zu betrachten, wobei neben Einkommen, Vermögen und beruflicher Situation auch das familiäre Umfeld berücksichtigt werden darf. Letztlich läuft es auf eine ganz nüchterne Risikobewertung hinaus, bei der auch - ebenso nüchtern und pragmatisch - die Kosten einer möglichen Absicherung/Versicherung in Relation zu den Einkünften gesetzt werden darf.

    Eigentlich war hierzu alles gesagt; wäre mal interessant zu erfahren, wie Vorpheus darüber denkt.

  • falli

    Ja, so falsch liegst Du mit Deiner Aussage sicherlich nicht. In meinem Bekanntenkreis haben eigentlich nur Leute eine BU, die Überdurchschnittlich verdienen. Eher die 'Sesselfurzerfraktion' (gehöre selbst auch dazu;)). Ich glaube in Deutschland spielt die Angst vor einem finanziellen Absturz eine große Rolle. Ich glaube niemand möchte von Sozialleistungen abhängig sein/werden.

    Und genau die Leute, die allein schon von der körperlichen Belastung her viel eher ein Risiko hätten später berufsunfähig zu werden, haben keine BU.:/ Natürlich auch/gerade, weil für diese Leute eine BU schon gleich mal deutlich teurer wäre als für uns 'Sesselfurzer'. Wobei inzwischen ohnehin mit über 30% psychische Probleme für die Berufsunfähigkeit verantwortlich sind. :/ Früher hieß es: "Ich hab Rücken!", heute heißt es "Ich hab Burnout!"


    Genau wie bei der Investition in ETF/Aktien, weiß man eben auch erst hinterher, ob sich eine BU gelohnt hat. Und wie bei einer Lebensversicherung will man diesen Joker eh nicht in Anspruch nehmen. ;)

  • Bin selbst Sesselfurzer und mit einer BU gut gefahren.

    Nach 30 Jahren kam die Berufsunfähigkeit. Da halfen neben 500 Euro Teilerwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen RV die 1000 Euro BU-Rente ein ganzes Stück weiter.

  • Man darf wenn man mit Versicherungsberatern redet nicht vergessen, dass PKV, BU und RV die Versicherungen mit den besten Provisionen sind.

    Versicherungsberater unterliegen einem Verbot Provisionen oder Courtagen anzunehmen - Sie meinen sicherlich den Versicherungsvermittler?

    Bitte beachten Sie die Berufsbezeichnungen und kommunizieren Sie auch an dieser Stelle korrekt!