ETF-Sparplan: Gewinnsicherung durch regelmäßigen Komplettverkauf sinnvoll?

  • Hallo ins Forum,



    ich lese hier schon seit einiger Zeit sehr interessiert mit. Nachdem ich mich ausreichend informiert habe, bin ich vor einem Jahr dann auch angefangen zu investieren. Als absoluter Neuling in Sachen Aktien und Börse bin ich per monatlichem Sparplan mit einem einfachen Brot-und-Butter-ETF auf den MSCI World eingestiegen. Zielrichtung ist grundsätzlich eine langfristige Geldanlage, um damit Rücklagen für´s Alter aufzubauen. Entsprechend meines Risikoempfindens gebe ich 70 % meiner monatlichen Sparrate in den ETF und „verwahre“ die übrigen 30 % (unverzinst und der Inflation ausgeliefert) auf dem Tagesgeldkonto.


    Jetzt ist der ETF während der letzten 12 Monate so gut gelaufen, dass mein Depot aktuell ca. 11 % im Plus steht. Da stellt sich mir eine Frage, auf die ich hier im Rahmen einer Forensuche ganz konkret noch keine Antwort finden konnte. Wahrscheinlich ist der Gedanke völlig blöde, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger sehe ich klar.


    Folgende Idee / Strategie beschäftigt mich:


    Gesetzt dem Fall, dass der ETF Jahr für Jahr positive Kursgewinne erzielt, könnte man nicht jährlich einmal alles verkaufen, nur den Gewinnanteil aufs Tagesgeld packen und das restliche, bereits investierte Geld danach sofort zum aktuellen Kurs wieder investieren?


    Beispiel:

    Nach einem Jahr sind 10.000 Euro im Depot, davon sind 15 % Kursgewinne.

    Alles verkaufen, die 1.500 Euro aus den Kursgewinnen aufs Tagesgeld schieben, für die selbst eingezahlten 8.500 Euro zum jeweils aktuellen Kurs sofort wieder neue Anteile desselben ETFs kaufen und den "alten" monatlichen Sparplan wieder genauso einrichten.


    Ich meine damit, dass man faktisch bei einem positiven Depotstand die Gewinne sichert, aber mit dem bis dato selbst aufgebrachten Kapital weiter am Markt bleibt. Dahinter steckt natürlich die Hoffnung, dass der Markt sich - mal mehr, mal weniger - tendenziell positiv entwickelt und man Jahr für Jahr einen Gewinn realisieren kann. Der Sparplan läuft im Grunde stetig weiter, das investierte Kapital steigt, und sofern Gewinne anfallen und eine brauchbare Höhe erreicht haben, wird durch Komplettverkauf einmal der Gewinnanteil gesichert. Dabei ist mir klar, dass man beim sofortigen Wiedereinstieg per Einmalanlage mit dem angesparten Restkapital bzgl. der Rendite wieder bei 0 beginnt. Mir ist auch klar, dass in der Regel gerade die ältesten (und daher günstigsten) ETF-Anteile für den höchsten Gewinn im Depot sorgen.


    Könnte das nicht trotzdem eine Strategie sein? Einfach z. B. jährlich auf eine positive Depot-Entwicklung hoffen und die Gewinne sichern? Übersehe ich etwas Grundsätzliches?


    Ein „Zinseszinseffekt“ bei einer Geldanlage in Aktien durch das langfristige Halten von Anteilen leuchtet mir als Argument nicht so richtig ein. Wenn morgen die Kurse um 20 % einbrechen, dann war´s das mit den „Zinsen“.


    Danke im Voraus für eure Rückmeldungen.

  • Hallo Mr. Moneypenny und Herzlich Willkommen im FT-Forum,

    es gibt eine alte Börsenweisheit die da lautet: Hin und her macht Taschen leer!

    Wenn Du Deinen ETF verkaufst und über Deinen Freibetrag für Kapitalerträge kommst (801€ p.a.) zahlst du mind. 26,375% Steuern auf die Gewinne. Darüber hinaus fallen je nach Broker auch Gebühren für Kauf/Verkauf an.


    Und ja, die Kurse können morgen um 20% einbrechen (oder sogar um 30, 40%). So What!? Warum investieren wir noch mal in Aktien (ETF)? Ach ja, weil die langfristige Entwicklung des Aktienmarktes positiv ist!;)

    Das heißt, was morgen um 20% einbricht, wird dann übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat oder nächstes Jahr wieder im Kurs steigen. Ein extrem krasses Beispiel war der Corona-Crash im letzten Jahr. Die Kurse sind rapide gefallen um dann genau so rapide wieder zu steigen. Wer einfach stur seinen Sparplan durchgezogen hat, freut sich heute über eine schöne Rendite. Auch nach der Finanzkrise 2007/2008 sind die Kurse wieder gestiegen.

    Sieh Dir einfach mal dem langfristigen Kursverlauf des MSCI World an.

    Deine 'Strategie' ist klassisches Marktiming. Das hat langfristig noch nie funktioniert (zumindest nicht bei den meisten Anlegern).


    Und der Zinseszinseffekt ist ein echtes Biest und wird häufig unterschätzt. Der wirkt erst so richtig nach 20 Jahren. Dann aber richtig heftig!

    Einfach stur seinen Sparplan durchziehen und gut ist.

    Justmy2cent

  • Hallo Mr. Moneypenny ,

    Willkommen auch von mir. Ich finde ein Totalverkauf ist nicht sinnvoll. Weil dadurch zu viel Steuern anfallen. Außerdem kann es zwischen Verkauf und Neukauf zu Kurseinbrüchen kommen. Sinnvoll ist es, wenn man bei den Verkäufen in etwa bei 801€ Sparerfreibetrag bleibt.

    Kurseinbrüche vermeide ich durch Fondstausch. Da wird am gleichen Tag verkauft und auch neu gekauft. Da beim Kauf des gleichen Fonds Steuervermeidung unterstellt wird, tausche ich immer in einen anderen Fonds. Ich bin bei ebase, da wird die Funktion "Fondstausch" mit angeboten.

    Gruß


    Altsachse

  • Da beim Kauf des gleichen Fonds Steuervermeidung unterstellt wird, tausche ich immer in einen anderen Fonds.

    Hast Du dazu etwas schriftliches?

    Das ist nämlich eine Frage, die ich mir stelle. Ich werde heute meinen restl. Freibetrag für 21 realisieren und das Geld zum rebalancen meines Portfolios nutzen. Morgen wird dann per Sparplan ein anderer ETF gekauft.

    Aber grundsätzlich kann es natürlich in den nächsten Jahren passieren, dass ich an einem Tag Anteile von ETF A verkaufe und am nächsten Tag dann wieder den gleichen ETF A kaufe.

    Ist das nicht erlaubt? Ich ging bisher davon aus, dass so etwas im Rahmen meines Gestaltungspielraums gestattet ist.

  • Verschiedene Banken hatten in der Vergangenheit darauf hingewiesen, wobei der Fokus die Marktmanipulation darstellt, wofür meine Depotgröße nicht ausreicht. Ich hatte den Text einer Bank hier mal verlinkt.


    Die EU-Richtlinie hier https://eur-lex.europa.eu/lega…-20210101&from=DE#tocId16

  • ...es gibt eine alte Börsenweisheit die da lautet: Hin und her macht Taschen leer!

    Diese alte Weisheit stammt aus einer Zeit, in der Transaktionen (Kosten und teils Transaktionssteuern) teuer waren. Was davon für die Jetztzeit übrig gebliben ist, sind die moderateren Kosten und natürlich der Steuerstundungseffekt.


    Bei spekulativeren Investitionen (Stock Picking... ) ist es tatsächlich eine nicht allzu selten angewandte Strategie, einen festen Betrag an "Spielgeld" zu investieren und Gewinne zu realisieren, die versteuerten Gewinne weniger risikobehaftet zu investieren und den ursprünglichen Betrag an Spielgeld weiterhin mit vermeintlich höherem Risiko zu investieren. Eventuelle Verluste werden durch das "auf die Seite gepackte" Geld ausgeglichen.


    Für ETF-Junkies (nicht despektierlich gemeint) ist dieses Procedere sicherlich nicht der Weisheit letzter Schuß...

    Deine 'Strategie' ist klassisches Marktiming. Das hat langfristig noch nie funktioniert (zumindest nicht bei den meisten Anlegern).

    Man kann ja einen Teil seiner Asche risikoärmer und einen anderen risikoreicher (wie zuvor beschrieben) investieren. Mit einem zeitlichen Aufwand von ca. 2 Stunden pro Tag, also gut über 700 Stunden pro Jahr, die der Regelarbeitszeit von mehr als 4 Monaten entsprechen, kann man sich durchaus auch als Zocker*in versuchen...

    In Kleinanlegerkreisen dürfte dies ein relativ teures Hobby sein :huh:

  • Achten Sie bitte immer darauf, dass die zuerst eingegebene Order bereits zur Ausführung gekommen ist, bevor Sie die zweite Order zum selben Wertpapier in das System eingeben!

    Ok, dann bin ich mit der Methode 'Einen Tag vor der nächsten Ausführung des Sparplans verkaufen' auf der sicheren Seite!

  • > Entsprechend meines Risikoempfindens gebe ich 70 % meiner monatlichen Sparrate in den ETF und „verwahre“ die übrigen 30 % (unverzinst und der Inflation ausgeliefert) auf dem Tagesgeldkonto.

    Du kannst z.B. jährlich nach deinem Risikoempfinden "rebalancen". Sprich, du verkaufst so viel ETF-Anteile, dass deine Asset-Allocation wieder deinem gewünschten 70% Risiko / 30% Kein-Risiko Verhältnis entspricht. Ich würde mich da aber nicht verrückt machen, wenn das Verhältnis da mal +-10% liegt.


    Dein anderer Vorschlag, jährlich die Gewinne "abzusichern" in dem auf den Einstandswert verkaufst halte ich für Quatsch. Damit einher geht ja, dass du immer nur geringfügig am Markt investiert bist. Du wirst dann nicht davon profitieren, dass sich deine Zinsen jährlich auf eine höhere Kapitalmenge beziehen.

    Einfach mal in einem Rechner durchspielen, z.B.
    https://www.zinsen-berechnen.de/fondsrechner.php