ETF Anlagedauer

  • Guten Abed zusammen,


    seit etwa Anfang des Jahres bin ich auf Finanztip und Saidis Videos sowie Podcast gestoßen, die mich bei meinem Vermögensaufbau und Altersvorsorge wirklich weiter gebracht haben!


    Eine Frage stellt sich mir aber noch: es heißt ja immer wieder, mind. 10 besser noch 15 Jahren in ETFs investiert zu sein, soweit so klar. Verstehe ich das dann richtig, dass wenn ich mit sagen wir mal 65 Jahren von meinem erspartem leben möchte, ich spätestens mit 55 nicht mehr in ETFs investieren sollte?!


    Mein Gedankengang dazu: wenn ich weiter monatl. bis ich etwa 70 bin einzahlen möchte sollte die Summe dann ja bis ich 85 Jahre bin investiert bleiben....wer weiß ob ich überhaupt so alt werde?! Oder habe ich hier nur einen Denkfehler?


    Bin auf eure Antworten und Meinungen sehr gespannt :)

  • Die Bedenken vor den 10 oder 15 Jahren kann ich eh nicht nachvollziehen. Dabei handelt es sich um Erfahrungswerte, nicht um feste Gesetzmäßigkeiten.


    Wenn der ETF oder Markt längere Zeit stark fällt, dann werden eh die Wenigsten 15 Jahre tapfer aushalten sondern schon vorher schmeißen.

  • Du wirst ja wahrscheinlich auch nicht zu Beginn der Rente deinen kompletten Fonds verkaufen. Du kannst ja auch Teile weiterlaufen lassen, um weiterhin Rendite einzufahren. Alternativ könnte man noch eine teilweise Umschichtung in sicherere Anlageklassen anpeilen. Auch dies dann progressiv und nicht zwingend auf einen Schlag.

  • Der grundsätzliche Konsens ist die Aktienquote mit zunehmendem Alter etwas runterzufahren damit man einen eventuellen Börsencrash nicht voll abbekommt. Wie stark kommt auf die Details an.

    Wie sehr bist du auf das Geld aus dem Depot angewiesen? Für Angestellte sollte in Deutschland in der Regel die gesetzliche Rente als Grundversorgung ausreichen, was aus dem Depot kommt ist meist verzichtbar. Bei Selbstständigen kann das anders aussehen.

    Wie viel ist überhaupt drin bzw wie hoch ist die (geplante) Entnahmerate? Das überschneidet sich ein bisschen mit der ersten Frage, aber nicht komplett. Je höher die prozentuale Entnahmerate desto problematischer sind kurze Zeiträume und starke Schwankungen.

    Soll das Kapital im wesentlichen erhalten werden oder ist Kapitalverzehr in Ordnung? Bei Kapitalverzehr, wie lange muss es reichen?


    Grundsätzlich ist der Rentenbeginn ein Wechsel aber kein hundertprozentiger. Ein 60-jähriger Mann hat in Deutschland noch eine Lebenserwartung von knapp 22 Jahren (82), ein 70-jähriger hat eine Lebenserwartung von 14,4 (84). Die Hälfte lebt länger, die andere Hälfte lebt kürzer. Wir können also davon ausgehen dass ein 67-jähriger gute Chancen hat mehr als 15 Jahre zu leben und solange sein Depot behält. Und selbst wenn man früher stirbt, die Erben können das Depot ja ebenfalls länger laufen lassen

  • Eine Frage stellt sich mir aber noch: es heißt ja immer wieder, mind. 10 besser noch 15 Jahren in ETFs investiert zu sein, soweit so klar. Verstehe ich das dann richtig, dass wenn ich mit sagen wir mal 65 Jahren von meinem erspartem leben möchte, ich spätestens mit 55 nicht mehr in ETFs investieren sollte?!


    Bin auf eure Antworten und Meinungen sehr gespannt :)

    Nein, die Aussage ist etwas anders gemeint.

    ETF sind volatile Anlagen (Kurse schwanken). Bei einem unvorhergesehenen Börsencrash besteht sogar die Möglichkeit, dass die Kurse extrem einbrechen können (z.B. 50%) und es dann auch sehr lange dauern kann, bis sich die Börse wieder erholt hat und die Kurse wieder die alten Höchststände erreicht haben.

    Dazu kommt dann eben, dass es nach einem Kurseinbruch von 50% eben eine Kurssteigerung um 100% braucht um wieder auf den alten Höchstkurs zu kommen! ;)

    So viel zu Theorie.


    In der Praxis ist es so, dass es weltweit bisher noch nie eine Börsenphase gab, bei der es nicht nach 15 Jahren doch wieder eine positive Rendite gegeben hat.

    Da es bisher Niemand verlässlich geschafft hat einen Börsencrash und seine Dauer vorherzusagen, geht man eben aus der Praxis heraus davon aus, dass man mit jedem Euro den man min. 15 Jahre in einen marktbreiten ETF investierst hat, eine positive Rendite erzielt.


    Fazit: Der Punkt ist also, dass man als Buy-and-Hold-Anleger davon ausgehen sollte, dass man die letzte Sparplanrate 15 Jahre im ETF belässt.

    Wenn man Glück hat, und es keinen Crash gibt, kann man das Geld natürlich auch ganz flexibel zu jedem beliebigen Zeitpunkt aus dem Depot entnehmen.

    Und wenn ich als Rentner davon ausgehe, dass ich einen bestimmten Teil meines Geldes erst in 10 oder 15 Jahren benötige, spricht m.E. auch nichts dagegen mit 65 noch ein Depot zu eröffnen und in ETF zu investieren.


    BTW: Ich habe 'erst' mit Ende 40 angefangen in ein ETF-Depot zu investieren. Bist zur Rente mit 63 sind das 15 Jahre. Und genau mit Renteneintritt endet bei mir die Ansparphase ins Depot.

    Aber brauche ich mit 63 dann gleich mein gesamtes angespartes Vermögen aus dem Depot!? Ich habe ja meine Rente, die dann hoffentlich noch meine Grundkosten (Miete/Essen) deckt.

    Mit dem Geld aus dem Depot möchte ich mir halt den 'Spaß' gönnen (Urlaube, Hobbys, usw.) Also werde ich langfristig wieder das Geld aus dem Depot entnehmen. Im Idealfall bis zu meinem Tod.

    Mein Depot wird mich also hoffentlich den Rest meines Lebens begleiten. Möglichweise 20, 30 oder gar 50 Jahre. Gut möglich, dass dann die letzten Sparplanraten im Depot 30 Jahre investiert waren.

  • Die Rente bietet im Normalfall (was auch immer "normal" ist) eine ausreichende Absicherung, allerdings wird es oft knapp.


    Wie knapp, sieht man hier:


    Beispiel

    Grundsicherungsniveau mal mit 800 Euro angenommen. Eine Bruttorente von 900 Euro ergibt netto grob diese 800 Euro netto. Für eine solche Bruttorente wären etwa 26,5 persönliche Entgeltpunkte notwendig. Je nach Abschlägen müsste man dafür 26,5 bis 31 Entgeltpunkte in seinem Erwerbsleben erwirtschaften.


    Annahme: 40 Jahre gearbeitet - pro Jahr 0,6625 Entgeltpunkte vonnöten, um auf Grundsicherungsniveau zu kommen


    In 2021 wäre (nach vorläufigen Werten) für 0,6625 Entgeltpunkte ein Bruttoverdienst von 27.520 Euro nötig, also nicht ganz 2.300 Euro im Monat.


    27.520 × 40 = 1,1 Mio Verdienst für Grundsicherungsniveau 8|

  • Kommt jetzt jemand mit der Gegenrechnung, wie viel man für die private Verrentung von 1,1 Mio bekäme?

    Ja, tolle Rechnung, weil man ja auch 100% seines (Brutto)Einkommens sparen kann, oder wie? ;)

    Die Frage wäre wohl eher, was für ein Vermögen herausgekommen wäre, wenn die gesamten Rentenbeiträge dieses Versicherten über 40 Jahre in den Aktienmarkt geflossen wären?

    Oder, wenn es nur 2,5% der Rentenbeiträge gewesen wären, so wie es seitens der FDP vor der Wahl vorgestellt wurde?

    Da wären bestimmt einige Überrascht.

  • Nach heutigen Werten (alles aus 2021er Werten hochgerechnet) würde der Spaß 205.000 Euro an Beitrag kosten, von denen bei Angestellten nur die Hälfteselbst zu tragen wäre.


    Wenn wir nun noch die "Nebenleistungen" wie Reha, Erwerbsminderungsrente, Hinterbliebenenrente und das andere Gedöns abziehen, dass man sonst auch noch irgendwie absichern müsste, um Vergleichbarkeit zu schaffen, dann sieht es gar nicht mehr so schlimm/teuer/etc. aus.


    Fazit: ETF-Sparen kann die gesetzliche Rente ergänzen (irgendwas muss ja dazu passieren), nicht aber ersetzen, sonst tun sich ganz andere Lücken auf. (Due sozialen Komponenten der gRV haben wir jetzt noch gar nicht mit betrachtet.

  • Ich halte eine Kapitaldeckung der Altersvorsorge bei einem 90 Mio Volk für schwieriger als bei einem 5 Mio. oder 10 Mio. Volk wie Norwegen oder Schweden.

    Weder Norwegen noch Schweden setzten bei der Altersvorsorge auf eine 100%ige Kapitaldeckung!

    Das ist eine Säule der gesetzlichen Altersvorsorge in diesen Ländern. Und wahrlich auch nicht unumstritten. 2008 gab es in Norwegen durchaus stimmen, die eine Ende des Staatsfonds gefordert haben. Da stand nämlich nach fast 10 Jahren des Fonds eine negative Rendite in den Büchern!

    Gibt es überhaupt ein Land, dass zu 100% auf eine rein kapitalgedeckte Altersvorsorge setzt?


    PS: Wir sind auch schon wieder ganz schön Off-Topic hier.

  • Es geht darum, im Archiv unter einer prägnanten Frage die relevanten Antworten zu finden.


    Dann müssten gleiche oder ähnliche Fragen nicht immer wieder neu gepostet und beantwortet werden.


    Man ist hier im Forum bei beiden Dingen aber ausgesprochen tolerant und bekommt weder für Themenabweichungen noch für schon oft gestellte Fragen eine Ermahnung. Außer man ist sehr sensibel und betrachtet die von monstermania schon als solche.

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort, nun habe ich es verstanden :)

  • Die zehn bis 15 Jahre sind natürlich keine Gesetzmäßigkeit. Bei ETFs profitiert man aber nunmal recht entspannt vom Zinseszinseffekt und dieser macht sich nach 15 Jahren im Vergleich zu 10 bemerkbarer. Wenn dir das, was am Ende auf deinem Konto stehen sollte, nicht ausreicht, müsstest du eventuell nach ertrag- und risikoreicheren Investments umschauen.

  • Bei ETFs profitiert man aber nunmal recht entspannt vom Zinseszinseffekt und dieser macht sich nach 15 Jahren im Vergleich zu 10 bemerkbarer.

    Vorsicht!

    Nicht zwei Dinge in einen Topf werfen. Das eine ist die (realistische) Gefahr bei einer Investition in Aktien/ETF in 10 Jahren keine Rendite zu erzielen (z.B. 1929-1939, 1972-1982 und zuletzt 1999-2009). In allen diesen Zeiträumen (Lost Decades) hat eine Investition in Aktienmärkte quasi keine Rendite abgeworfen. D.H, wer 1929, 1972 oder 1999 Geld in Aktien investiert hat, musste 10 Jahre durchstehen in denen dieses Geld keinerlei Rendite erwirtschaftet hat!

    Und eine 0-Rendite bleibt auch mit dem Zinseszinseffekt eine 0-Rendite!