Abbezahlte Immobilie neu belasten, um Kredit in den Aktienmarkt zu stecken?

  • Hallo,


    der User "JDS" hat in einem anderen Thread folgendes gesagt:

    Übrigens, ich kenne viele Leute, die in den letzten ca. 20 Jahren etwas bis weitgehend 'abbezahlte' Immobilien wieder belastet hatten... und diese Kredite in vernünftige Fonds oder ETF gesteckt haben. Während die Masse der konventionellen Sparer Geld/Vermögen 'vernichtet' haben und 'vernichten', laufen die vorgenannten mit einem Grinsegesicht herum ;)

    Aber.. jeder wie Karl will!


    Mich hat das etwas stutzig gemacht. Ich habe mir früher immer gesagt: So schnell wie möglich raus aus den Schulden. D.h. möglichst viel Eigenkapital und möglichst viele Sondertilgungen einbringen, um schnellstmöglich nichts mehr der Bank zu schulden. Einfach um freier leben und ruhiger schlafen zu können.


    Früher... da wusste ich auch noch nicht, was ein ETF ist und habe mir über Vermögensaufbau und Altersvorsorge wenig Gedanken gemacht.


    Eigentlich war mein Plan, die Immobilie durch Sondertilgungen schnellstmöglich abzubezahlen und danach die alten Kreditraten in den ETF-Sparplan zu investieren (also die heutige Sparrate um die Kreditrate zu erhöhen).


    Wie macht man das denn "richtig"? Nochmal 6-stelligen Kredit nehmen und diesen All-In ins ETF Portfolio und die nächsten 20 Jahre abbezahlen? Oder so wie ich oben beschrieben habe?


    Der Gedanke aus einer abbezahlten Immobilie Kapital zu schlagen, in dem man sie als Sicherheit verkauft, ist mir neu, aber ziemlich interessant.

    Letztendlich denke ich, ist es eine Risikoabwägung, aber viele Leute scheinen es ja so zu machen (?)!?

  • Also ich bin da eher konservativ eingestellt und halte von so einer Idee wenig. So kann man beides verlieren wenn es schief geht.


    Bemerkung etwas am Thema vorbei: Gestern noch eine Dokumenation zum "Schwarzen Donnerstag" in den USA gesehen. Da wurden auch Aktiengeschäfte, nichts anderes sind ETFs ja auch, auch auf Kredit finanziert und als es schief ging war das Jammern groß.


    Zugegeben Schwarzmalerei aber ich würde mir so einen Schritt gut überlegen.

  • Soweit ich weiß ist das vor allem in Amerika populär, in Deutschland weniger. Letztendlich kauft man Aktien auf Kredit, hebelt also neben der Rendite auch sein Risiko.

    Problematisch daran ist dass viele Risiken nicht alleine auftreten (also unabhängig sind) sondern im Rudel kommen. Wenn eine Wirtschaftskrise ist und man seinen Job verliert, dann ist es sehr wahrscheinlich dass auch die Börse im Keller ist und der Immobilienmarkt schlecht läuft. Das macht einen fragil und erhöht das Risiko alles zu verlieren.


    Für mich persönlich habe ich beschlossen einen Mittelweg zu gehen und alle Optionen offen zu halten. Ich versuche nicht mit allem verfügbaren Geld den Kredit abzuzahlen und habe eine ordentliche Sparrate die ins Depot geht. Gleichzeitig ist aber das Haus ist so finanziert dass es alleine durch die Rate in vernünftiger Zeit abbezahlt wird. An Eigenkapital werde ich gute 20% eingesetzt haben wenn es mal fertig ist (Haus ist noch im Bau).

    Sondertilgungen sind keine vereinbart (da freut sich auch das Risikomanagement der Bank). Falls am Ende des Baus noch Geld übrig bleibt, kommt das in ein gesondertes Depot, ebenso alle früh möglichen "Sondertilgungen". Spätere "Sondertilgungen" je nach dann herrschenden Zinssätzen ins Depot oder Festgeld. Bei der Anschlussfinanzierung in 10 Jahren wird dann geschaut wie alles steht und danach entschieden ob ein Teil des Kredits durch das "Haus-Depot" abgelöst wird (hohe Zinsen, Börse steht gut) oder nicht (niedrige Zinsen, Börse steht schlecht).

  • Zugegeben Schwarzmalerei aber ich würde mir so einen Schritt gut überlegen.

    Jeder wie wer will!


    Ich habe das Volumen oder den Anteil der "moderaten Spekulation auf Kredit" und die Voraussetzungen dazu aber auch beschrieben! Vielleicht mag das csh ja zusätzlich hier mal zitieren?

  • Gerne, JDS hat das vor diesem Hintergrund gesagt:


    Ich behaupte nicht, dass es für alle und jeden sinnvoll ist! Aaaber... wenn jemand eine Hütte für ne halbe Mio hat und 2/3 oder 3/4 bereits getilgt sind und die regelmäßigen Einkünfte ausreichen um "neu" aufgenommene 100 bis 200k bis zur Rente zu bedienen, dann kann es durchaus passen. Man muss halt rechnen...

    Und im Übrigen kommt es auch auf die Gesamtsituation an... Einkünfte, Netto-Vermögen, Notgroschen, Rücklagen für Anschaffungen, (zu erwartende) Alterseinkünfte, Risikobereitschaft, Hirn...


    Dazu mal ein paar Zahlen zu meiner Situation:


    Immobilienwert ca. 550k EUR (Kaufkosten inkl. aller Nebenkosten), 130k Restschuld für Immobilienkredit (Eigennutzung), Zinsbindung noch 7 Jahre zu 1,1%.


    Ohne Sondertilgung hätte ich dann bei Ablauf der Zinsbindung noch ca. 70k Restschuld. Mit voller Sondertilgung jedes Jahr wäre es nur noch ein 4-stelliger Betrag.


    Dann wäre ich Ende vierzig und hätte theoretisch noch genug Zeit einen neuen Kredit durch Arbeitseinkommen abzubezahlen.


    Plan wäre eigentlich so ähnlich wie bei LebenImSueden (s.o.). Ein bisschen sondertilgen, ein bisschen investieren. In 7 Jahren dann schauen, wie die Märkte stehen, was die Anschlussfinanzierung angeht.

    Eigentlich wollte ich aber dann keinen neuen (6-stelligen) Kredit aufnehmen, sondern mich über meine (nahezu) Schuldenfreiheit freuen und einfach vermehrt mein Gehalt investieren, weil das optional ist und man keine Verbindlichkeiten hat. Und dann kam JDS und brachte mich zum Grübeln... ;)

  • Die älteren unter uns erinnern sich, dass bei der Dot Com Blase in 2000 ebenfalls die Youngsters, die der festen Meinung waren, an der Börse könne es nur nach oben gehen (ja, ja, ich gehörte damals auch dazu :thumbup:), viele Aktien auf Kredit gekauft haben. Was daraus geworden ist, ist bekannt.


    Mir macht es sein wenig Angst, wenn ich sehe, dass sich diese Geschehnisse zu wiederholen drohen...

  • an der Börse könne es nur nach oben gehen (ja, ja, ich gehörte damals auch dazu :thumbup: ), viele Aktien auf Kredit gekauft haben. Was daraus geworden ist, ist bekannt.

    Messer, Gabel, Schere, Licht... sind für kleine Kinder nicht! - Das lässt sich auch auf Aktien übertragen.

    Immer wieder hört man Schauermärchen zu DOT COM, oder zur Telekom-Aktie, oder noch nicht so lange her... zur Wirecard Aktie...

    Da haben Leute Geld verbrannt und andere Geld gemacht. Die Doofen zahlen für die Schlauen... oder so ähnlich... und ohne dich dabei irgenwo mit einreihen zu wollen.


    Ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass man die Handelsprinzipien und Märke schon einigermassen kennen muss, um an der Börse möglichst etwas Geld zu verdienen, jedenfalls mehr, als man 'verbrennt'.


    Du hast dir scheinbar einmal die Finger verbrannt und willst diese Erfahrung nicht wiederholen. Analysiere mal, weshalb du dir die Finger verbrannt hattest! Vielleicht war der Bankberater dran schuld, der genauso wenig Ahnung hatte wie du?


    Bei csh geht's nicht darum, auf Kredit zu zocken!!! Ausgangslage war die Frage nach der Verwendung eines Guthabens aus einem Blausparvertrag; nämlich Sondertilgung vs. Investition in einen ETF. Bei dieser Dimension besteht keine Gefahr einer Pleite... und selbst bei einem Kurseinbruch hat csh immer noch Zeit, die Anteile liegen zu lassen und auf Erholung (der Kurse) zu warten.

  • JDS Die Finger haben sich damals (2000) viele verbrannt, wir waren jung und brauchten das Geld, das Problem waren nur bedingt die Bankberater, in vielen Fällen war es einfach der "Rausch", dass sich die Börsenteilnehmer gegenseitig hochgepushed haben. "Kennst Du diese Firma schon?" war oft die Frage, es war auch eine Zeit der Neuemissionen, die man dann zeichnete, wenn die Firma irgendwie mit IT zusammenhing. Ich glaube nur der, der damals dabei war, kann das nachvollziehen. Bei mir waren es nicht die Riesensummen, die ich verlor, (die hatte ich damals als Berufsanfänger nicht) aber trotzdem haben die Verluste (um die -80%) schon weh getan.


    Damals habe ich gesehen, dass manche tatsächlich geglaubt haben, über Schulden ihre Aktienkäufe finanzieren zu können (und das ist ja auch eine der Ideen es Original-Posts). Dies riecht für mich schon wieder ein wenig nach der "Gier" von damals. Ich mache csh keinen Vorwurf. Ohne sein Alter zu kennen, möchte ich lediglich darauf hinweisen, dass es diese Entwicklung schon mal gab und nicht unbedingt zum allgemeinen Reichtum beigetragen hat.

  • Dies riecht für mich schon wieder ein wenig nach der "Gier" von damals.

    Die Auswirkungen dieser Gier nach schnellem Reichtum haben wir einige Male und auch nach Dot Com erlebt... Auf Anhieb fällt mir die Zeit gegen Ende 2017 im Zusammenhang mit der Kursentwicklung des Bitcoin ein. Damals sind unzählige Hohlbohrer schnell noch eingestiegen - einige sogar mit geliehenem Geld - und haben dann laut geheult, als die Kurse rapide fielen.


    Wenn jemand heute mit einem 'Kredit', den er sich bequem und ohne wenn und aber leisten kann und der nur einem Bruchteil des Gesamtvermögens ausmacht, moderat investiert, dann sehe ich kaum die Gefahr aus dieser "blinden Gier", sondern eine bewusste Spekulation darauf, dass sich die Investition in z.B. einen mäßig volatilen ETF in Bezug auf den Wertzuwachs (die Entwicklung des Nettovermögens) vorteilhafter entwickelt, als die schnellere Entschuldung und ein späteres Investieren.


    Wer absolut auf Nummer sicher gehen will und gerade so seine Hypothek bedienen kann , der entschuldet sich und spart/investiert eben später.

  • Meiner Meinung nach muss man klar unterschieden zwischen einer Kapitalanlage-Immobilie und einer selbstbewohnten Immobilie. Erstere ist letztlich nur eine Nummer im Excel Sheet, wenn man das für sinnvoll hält kann man die ohne mit der Wimper zu zucken mit einem Kredit neu belasten. Wenn der Teufel auf den größten Haufen macht, wird das Ding eben liquidiert. Bei der selbstgenutzten Immobilie wäre ich deutlich vorsichtiger, außer wenn man kein Problem damit hätte auch diese zu verkaufen und in etwas umzuziehen, das vielleicht nur halb so viel wert ist (manche haben das ja vielleicht sowieso vor, dann Feuer frei).


    Wie andere hier wurde ich ebenfalls im Dot Com Boom und dem darauf folgenden Crash börsenmäßig sozialisiert. Aus der Erfahrung investiere ich weiter stark in Aktien (ETF), aber eben auch nicht nur. Und ich bin skeptisch, was starke Sektor-Wetten betrifft.

  • Wenn es darum geht, ETFs statt Sondertilgung, dann würde ich darüber nachdenken. Eine Hypothek aufnehmen, um ETFs zu kaufen, wäre nicht mein Fall.


    Wir haben Anfangs mit 4,15% finanziert. Am Anfang der Finanzierung war das toll: 10k€ Sondertilgung = 17k€ weniger Schulden auf dem Haus. In der 2. Runde haben wir dann nur noch 1% Zinsen bezahlt. Und bei der dann geringen Restschuld/-laufzeit hat sich eine Sondertilgung kaum auf die Zinslast ausgewirkt. Das wäre der Zeitpunkt gewesen, lieber in ETFs statt in Sondertilgungen zu investieren. Haben wir aber nicht gemacht. Nach 13 Jahren war die Immobilie bezahlt, das hat auch was.

  • Ich bin mit meiner Immobilie noch lange nicht in dieser Situation aber sobald ich bei der Restschuld in Regionen komme, in denen ich mich "wohl fühle", dann ist das sicherlich ein Gedanke, den ich näher betrachten werde.


    Voraussetzung ist natürlich, dass noch hinlänglich langer Zeitraum bis zur Rente bzw. dem Rückzahlungszeitpunkt liegt und das Zinsniveau auch weiterhin so attraktiv ist.