MSCI World und EM verwerflich? Nachhaltige ETFs als go-to?

  • Guten Tag liebe Community,

    ich beschäftige mich aktuell wieder mit der langfristigen Anlage in ETFs. Als ich vor einem Jahr begonnen habe, war mir ganz klar, dass es ein nachhaltiger ETF werden muss, da Waffen den Menschen schaden, CO2 schädlich für die Umwelt ist und Mitarbeiter in nachhaltigen Firmen eventuell bessere Arbeitsbedingungen haben.
    Gerade muss ich allerdings feststellen, dass ich wenig von diesen unterbewussten Glaubenssätzen wirklich weiß, oder nicht weiter durchdacht habe. So kann es durchaus sein, dass Atomwaffen (0,5% beim MSCI World) 1. sowieso bereits ausreichen, um der Menschheit ein Ende zu bereiten und dadurch 2. eventuell den Frieden sichern, weil wir uns keinen Krieg mehr leisten können.

    Ich beschäftige mich damit, weil der MSCI World & EM eben unschlagbar sind in Sachen Diversifikation und TER. Mit diesen beiden ETFs liegt man nie falsch - wenn da nicht der Punkt der Nachhaltigkeit wäre.

    Aber ist dem wirklich so? Sind nachhaltige ETFs wie der Dow Jones Global Sustainability Screened wirklich so viel besser für uns und den Planeten?


    Sicher eine schwierige Frage, ich bin aber durchaus gespannt auf eine rationale Diskussion. Einen emotionalen Smalltalk halte ich nicht für zielführend in diesem spannenden Thema.

  • Ich stehe auf dem Standpunkt, wenn Du meinst, dass es der Welt nutzt und Du dann besser schlafen kannst. Dann mach es.

    Ich gehe da eher unemotional heran. Waffen sind ja nicht pe se 'Böse'. Böse werden Sie erst durch den Menschen dahinter. Und wenn alle Menschen gut wären, bräuchte es gar keine Waffen und folglich gäbe es gar keinen Markt dafür!:/


    BTW: Was ist denn mit einem Maschinenbauer, der z.B. Feldküchen herstellt. Oder dem LKW-Hersteller, der LKW-Fahrgestelle an eine Rüstungsfirma liefert. Oder der Halbleiterhersteller, dessen Chips in der Elektronik von Kampfpanzern, Flugzeugen, usw. stecken.

    Keine Arme funktioniert nur mit Waffen. Da braucht es ohne Ende zivile Logistik.

    Justmy2Cent

  • Meiner Meinung nach ist "nachhaltiges Investieren" nur als aktives Stockpicking sinnvoll. Hunderte Kennzahlen in einen Score zu verwursten und den auf einer eindimensionalen Skala von gut nach böse zu machen ist vollkommener Humbug. Dann kommen Gleichungen der Sorte x kW Solaranlage auf dem Fabrikdach = 1 Frau mehr im Vorstand = X Tonnen weniger Quecksilber in die Umwelt einleiten. Klingt bescheuert, ist es auch, gibt aber am Ende den gleichen Score.

    Und was ist mit der Gewichtung von Sachen die offenbar nicht erfasst werden? Monopolartige Strukturen, Förderung geplanter Obszoleszenz, Zusammenarbeit mit Geheimdiensten zur Überwachung unbescholtener Bürger? Ausgerechnet Microsoft mit mehr als 10% Gewichtung im SRI entspricht nicht der Vorstellung von Nachhaltigkeit der meisten Menschen.


    Dazu sind viele Sachen einfach ambig. Atomenergie zum Beispiel ist etwas das aufgrund des Risikos und zigtausende Jahre strahlendem Müll eher kritisch zu sehen ist. Wertet man nach CO2 Ausstoss, dann müsste das aber zu den nachhaltigsten Energieformen gehören.


    Das Problem lässt sich nur auflösen wenn man vollkommen subjektiv mit seiner persönlichen Meinung rangeht und auch den Mut hat vollkommen unabhängig von Marktkapitalisierung zu gewichten. Nur ist die Welt der ETFs dann nicht mehr die richtige, da muss man aktiv managen. Den Anspruch möglichst genau die Marktrendite zu erzielen kann man damit natürlich auch aufgeben.

  • Hi,


    vielleicht wäre der Vanguard ESG Global All Cap was für dich. Ich habe vor kurzem angefangen diesen als meinen ersten und einzigen ETF zu besparen. In meinem Fall ging es primär um einen einzelnen ETF mit breiter Diversifikation als Rund-um-Sorglos Lösung ohne Rebalancing und co den ich die nächsten 30 Jahre vergessen kann. Das ESG ist quasi nur Bonus in meinem Fall :)


    --> Endlich mit ETFs anfangen - Vanguard ESG Global All Cap - Geldanlage - Finanztip Forum

  • Was ist denn mit einem Maschinenbauer, der

    Unternehmen die einen großen Anteil ihrer Gewinne mit Waffen er"wirtschaften" lobbyieren für Lasche Kontrollen und für Aufrüstung/Krieg (einfach mal die CDU Spenderliste durchskrollen). Der Aufkleberhersteller, der die Sticker auf der der Splittergranate herstellt auf denen "Splittergranate" steht, profitiert zwar von Aufträgen aus der Rüstungsindustrie, befeuert die Konflikte weltweit aber nicht aktiv. Das ist schon ein Unterschied.

  • Vielen Dank für die verschiedenen Perspektiven.

    monstermania Ich denke, im großen und ganzen Stimme ich dir zu. Ich hatte auch nicht daran gedacht, dass z.B. Apple Chips sehr wohl in Panzern stecken könnten. Ob das bei den nachhaltigen ETFs beachtet wurde? Wer weiß. Im Endeffekt werde ich vermutlich deinem Rat folgen und es mir nicht allzuschwer machen. Ich werde das besparen, mit dem ich ruhig schlafen kann.

    LebenimSueden In historische Todeszahlen umgerechnet ist Atomenergie allerdings um Welten grüner als jede andere Form der Energiegewinnung. Auch da gibt es wieder für und gegen.

    Nessy Danke für den Tipp, dieser ETF ist mir allerdings zu riskant, da er nicht einmal ein Jahr an der Börse gehandelt wird.

  • Der Aufkleberhersteller, der die Sticker auf der der Splittergranate herstellt auf denen "Splittergranate" steht, profitiert zwar von Aufträgen aus der Rüstungsindustrie, befeuert die Konflikte weltweit aber nicht aktiv. Das ist schon ein Unterschied.

    Ich weiß, da verliert man sich schnell in der Erbsenzählerei.

    Ich habe selbst einige Jahre bei einem rein zivilen Maschinenbauer gearbeitet, dessen Produkte auch in der (Militär)logistik genutzt werden. Klar, es sind erst mal grundsätzlich rein zivile Produkte, ohne die aber viele militärische Aktionen gar nicht erst durchführbar wären. Typisches Henne Ei Problem.:/

    Es gibt ja Möglichkeiten für Unternehmen Ihre Produkte schlichtweg nicht an militärische Abnehmer zu verkaufen bzw. Kunden, die Ihre Produkte wiederum an das Militär weiterverkaufen nicht mehr zu beliefern.

    Unsere Produkte hatten alle Serien- und Chargennummern, um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Wenn die Firma 'wollen' würde, wäre es also kein unlösbares Problem Sicherzustellen dass die Produkte eben nicht mehr an militärische Abnehmer geliefert werden bzw. das extrem zu erschweren.

    Aber letztlich zahlt die Rüstungsindustrie ganz gut. ;)

  • Hallo.


    Anfang der 2000er wurde Munition nicht beklebt, sondern mit Farbe markiert. Das wird wohl auch heute noch so sein. Aber der Farbhersteller hätte dasselbe Problem wie der Stickerhersteller aus dem Beispiel.


    Bei den Labeln ist es ja wohl auch so, dass wenn die "bösen" Anteile am Umsatz unter 5% sind, dass das Unternehmen im Topf bleiben darf.


    Sicherzustellen dass der Hydraulikzylinder hinterher nur Kranarme anhebt und keine Raketenstartrampen wird schwierig. (Dual-Use-Problematik)

  • Ich sag’s mal so: Wenn die privatwirtschaftlichen Rüstungsunternehmen in der westlichen Welt alle dichtmachen würden, und es dann nur noch staatliche Waffenschmieden in autoritären Staaten gäbe, dann wäre das dem Weltfrieden vielleicht auch nicht unbedingt zuträglich…

  • Bei den Labeln ist es ja wohl auch so, dass wenn die "bösen" Anteile am Umsatz unter 5% sind, dass das Unternehmen im Topf bleiben darf.


    Sicherzustellen dass der Hydraulikzylinder hinterher nur Kranarme anhebt und keine Raketenstartrampen wird schwierig. (Dual-Use-Problematik)

    Ist doch auch kein Problem.;)

    Der Hersteller verkauft seine Hydraulikzylinder ja nicht direkt an das Militär oder ein Rüstungsunternehmen.

    Der Hydraulikzylinder wird an den Großhändler Müller-Hydraulik verkauft, der verkauft weiter an die Firma Meier-Maschinenbau die dann Kranarme und Raketenstartrampen baut.


    Der Hersteller des Hydraulikzylinders verkauft damit gar nicht an die Rüstungsindustrie und erfüllt damit 100%ig die ESG Richtlinien. Aber so genau will das gar keiner wissen...

  • Ich sag’s mal so: Wenn die privatwirtschaftlichen Rüstungsunternehmen in der westlichen Welt alle dichtmachen würden, und es dann nur noch staatliche Waffenschmieden in autoritären Staaten gäbe, dann wäre das dem Weltfrieden vielleicht auch nicht unbedingt zuträglich…

    Nun sind diese staatseigenen Waffenschmieden in den autoritären Staaten i.d.R aber keine Aktiengesellschaften und müssen sich auch nicht an irgendwelche ESG/SRI-Kriterien halten um Ihren Aktionäre zu gefallen.

    Wir sind uns sicherlich alle irgendwo einig, dass das Gewese um die Einhaltung von ESG/SRI zu einem guten Teil Greenwashing ist.


    Und wie ich bereits in meiner 1. Antwort im Thread geschrieben habe: Wenn es keinen Markt für Waffen gäbe, würde das Zeug auch niemand herstellen!

    Und so lang es legal ist, warum sollte man dann nicht auch davon profitieren? Wer das nicht mag, kann ja in ESG/SRI-gescreente Fonds investieren und sich sagen, dass er/sie zumindest bewusst nicht davon profitiert.

  • LebenimSueden In historische Todeszahlen umgerechnet ist Atomenergie allerdings um Welten grüner als jede andere Form der Energiegewinnung. Auch da gibt es wieder für und gegen.

    Definiere historische Todeszahlen. Wie werden die berechnet? Menschen fallen nicht tot um weil 2km weiter Kohle verbrannt wird. Das ganze ist ein komplexes Gemisch aus vielen Faktoren die sich auch im Zeitablauf verändern (z.B. Feinstaubfilter). Eine Kausalität mag existieren und ist logisch nachvollziehbar, diese zu quantifizieren ist aber eine ganz andere Hausnummer. Und so ganz nebenbei hast du in deinem Absolutismus vergessen dass es nicht nur Atomenergie und fossile Brennstoffe gibt sondern auch Wasserkraft aus umweltfreundlich überfluteten Alpentälern, usw die nicht unbedingt für hohe Todeszahlen bekannt sind.

    Und keine Energiegewinnung ist übrigens auch keine Lösung.


    Ich möchte mich jetzt aber nicht an Detaildiskussionen aufhängen. Der Punkt war ja dass "grün"oder "nachhaltig" nicht universell definierbar ist. Und damit fällt eben auch das ganze Konzept "nachhaltiger Index" um.

  • Schau auch mal auf http://www.etf4good.de


    Dort werden viele Themen rundum nachhaltige ETFs gut beschrieben.


    Insbesondere auch in der Kategorie: https://www.etf4good.de/category/nachhaltigkeitsstrategie/


    Ob nachhaltige ETFs die Welt verbessern weiß ich nicht, aber ich kann damit trotzdem besser schlafen, deshalb bevorzuge ich sie.

    Theoretisch werden Aktien und ETFs nur am Sekundärmarkt gehandelt, so dass es kurzfristig keine Auswirkung auf die Unternehmen hat.

    Aber wenn viele nachhaltig denken und kaufen, sinkt dann langfristig doch mal irgendwann der Kurs von nicht-nachhaltigen Unternehmen und sie haben es dann schwieriger, wenn sie mal frisches Kapital brauchen, was sie wiederum zum Umdenken bewegen könnte.


    Die "Screened" und die "Enhanced Focus" Indizes von MSCI sind immer noch breit diversifiziert, aber schließen die ganz bösen Firmen aus.

    Aber auch ein strenger World SRI, wie der von UBS, der von Finanztip empfohlen wird, ist mir noch breit genug, so dass ich mir da kein erhöhtes Risiko einbilde.

  • Aber wenn viele nachhaltig denken und kaufen, sinkt dann langfristig doch mal irgendwann der Kurs von nicht-nachhaltigen Unternehmen und sie haben es dann schwieriger, wenn sie mal frisches Kapital brauchen, was sie wiederum zum Umdenken bewegen könnte.

    Was die Zukunft erst noch zeigen muss. :/

    Und Kurssteigerungen sind ja nicht Alles! Diverse "Böse" Unternehmen sind teilweise seit Jahrzehnten stabile Dividendenzahler (z.B. Tabakindustrie). Also scheinen die Unternehmen auch weiterhin gutes Geld zu verdienen.

    Auch wird Öl und Gas weiter auf absehbare Zeit einen Teil der Energieversorgung ausmachen, da z.B. Gaskraftwerke sehr schnell auf Lastspitzen reagieren können.

    Wer weiß, evtl. legt irgendwann eine Fondgesellschaft einen Bad-ETF auf, der ausschließlich aus den 'Schmuddelkindern' besteht.:evil:

    Und wenn die Renditen stimmen, würden die Leute auch da Ihr Geld investieren. Da bin ich mir zumindest ziemlich sicher.

  • Wer weiß, evtl. legt irgendwann eine Fondgesellschaft einen Bad-ETF auf, der ausschließlich aus den 'Schmuddelkindern' besteht.:evil:

    Und wenn die Renditen stimmen, würden die Leute auch da Ihr Geld investieren. Da bin ich mir zumindest ziemlich sicher.

    Schade, dass du so denkst und du vermutlich auch zu diesen Leuten gehören würdest, aber ich würde mein Geld lieber auf dem Tagesgeld Konto lassen, als es in einen Schmuddelkinder-only-ETF zu stecken.