Geldanlage auf Fest- und Tagesgeldkonten

  • Hallo,


    Umzugsbedingt habe ich (70 Jahre alt) meine Immobilie verkauft und wohne nun zur Miete in einem anderen Ort. Durch den Immobilienverkauf liegen nun auf mehreren meiner Giro- und Tagesgeldkonten in der Summe ca. 400.000 €, von denen ich mtl. zur Aufstockung meiner Rente ca. 1.500 € benötige, also vom Konto abhebe. Ich habe sämtliche Podcasts von Finanztip.de gehört, Saidi hier noch einmal herzlichen Dank für deine Erläuterungen, komme aber mit meinen Finanzplanungen nicht weiter.


    Gibt es eine Idee, dieses Geld sicher und sinnvoll "anzulegen", ETFs kommen bei meinem Alter wohl nicht in Frage (oder?) wegen der empfohlenen mindestens 10-15 Jahre Anlagedauer.


    Sollte man trotz hoher Inflation und Negativzinsen also das Geld auf Tagesgeldkonten (evtl. Festgeldkonten) belassen?


    AntixLinux

  • Hallo AntixLinux


    Willkommen im Finanztip Forum.


    Wenn du konstant 1500 Euro abhebst, reichen die 400.000 für 22 Jahre. Dann bist du 92.

    Wenn du 2% Dynamik (Inflation) und 0,5% Zinsen einbeziehst, reicht dein Vermögen für 19 Jahre. Gut möglich, dass du das erreichst.

    https://www.zinsen-berechnen.de/entnahmeplan.php

    Die Frage ist, ob du weiteres Vermögen hast. Deine Rente reicht ja offenbar nicht aus.

    Ich wäre mit einem ETF Investment in jedem Fall vorsichtig. Wenn in den nächsten 20 Jahren eine längere Tiefphase kommt, hast du ein echtes Problem.


    Wenn es dir der Aufwand Wert ist, kannst du dem Negativzins entgehen und 0,5% Zinsen erwirtschaften. Das wäre eine Realrendite von 1% gegenüber nichts machen. Aktuell also 4.000 Euro Brutto mit abnehmender Tendenz wegen der Entnahmen. Wenn ich 70 wäre, wäre es mir das in jedem Fall Wert. Dann aber bitte auf solide Banken verteilen, gute Bonität, Westeuropa, maximal 100.000 Euro Einlage je Bank.

  • Hallo AntixLinux !


    Ich bin zwar nicht @chris2702 , aber ich denke, dass er eine Festgeldtreppe meint.


    Viele Grüße vom Niederrhein



    Danger92

    "Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht." Zitat von Unbekannt.

  • Schwieriges Thema aber gehen wir das mal von verschiedenen Seiten an.


    1. Lebenserwartung:

    Für einen Mann mit 70 Jahren sind im Mittel 14,4 weitere Jahre zu erwarten. Das ist gar nicht so wenig und die Hälfte der Männer wird älter. Frauen noch wahrscheinlicher.


    2. Entnahmerate

    1500€ pro Monat sind 18 000€ pro Jahr. Bei 400 000€ Vermögen ist das eine Entnahmerate von 4,5%. Für eine Entnahmephase von 15 Jahren ist das sicherlich ok, bei mehr als 20 Jahren besteht definitiv das Risiko dass das Geld nicht bis zum Lebensende reicht.


    3. Anlagestrategie

    Die üblichen Daumenwerte für Entnahmeraten gehen davon aus dass das Vermögen eine ordentliche Rendite nach Abzug der Inflation erzielt. 2% Inflation sind sicherlich eine gute langfristige Näherung, kurz- und mittelfristig bin ich aber skeptisch ob wir wieder so tief kommen. Gleichzeitig sind Guthabenzinsen für einfache Sparkonten vorerst nicht in Sicht, die Anlage erzielt also eine sichere Negativrendite.


    Fügen wir die einzelnen Bausteine mal zusammen. Bei der Lebenserwartung würde ich jetzt mindestens 20 Jahre ansetzen, für Vorsichtige sind 25 Jahre auch ok. Unter diesem Aspekt betrachtet sind die 10-15 Jahre für ein Investment in ETFs durchaus für einen Teil des Kapitals sinnvoll. Modellrechnungen zu sicheren Entnahmeraten über 20 Jahre habe ich keine gefunden, Leute die sich damit beschäftigen möchten ja gerne früh in Rente ;). Trotzdem halte ich die 4,5% für riskant unter der Erwartung dass im ungünstigen Fall (noch lange kein Katastrophenszenario) auch mal 5 Jahre mit 3-4% Inflation und maximal 1% Guthabenzins kommen, jedes Jahr als 3% verloren gehen.


    Ich habe mir mal ein Qick and Dirty Excel Sheet gebaut um das zu simulieren. Die gute Nachricht ist, auch bei 5% Inflationsanpassung reicht das Geld für die mittlere Lebenserwartung, selbst ohne Verzinsung. Aber kritisch wird es um die 20 Jahre rum, auch in gemäßigten Szenarien (2% Inflation, 1,5% Zins). In späteren Jahren fressen die Entnahmen einfach den Großteil des noch vorhandenen Vermögens weg. Dafür ist bei 3,5% Rendite auch nach 25 Jahren noch etwas übrig.


    Mein Vorschlag wäre das Kapital zu splitten und mit unterschiedliche Laufzeiten und Erwartungen zu investieren.


    1. kurzlaufender sicherer Block:

    Den Bedarf von 5 Jahren (100 000€) würde ich sicher und relativ schnell verfügbar anlegen., sprich hauptsächlich Tagesgeld. Die Rendite ist bei diesem Block untergeordnet. Festgelder mit 1-2 Jahren sind für einen Teil aber durchaus in Ordnung.


    2. langlaufender Renditeblock:

    Für die Rendite zuständig ist ein großer Block des Vermögens (200 000€), der bietet sich für eine Anlage in Aktien an.


    3. ??

    Der mittlere Block ist der schwierigste, denn eigentlich gehört der sicher und zumindest etwas zinsbringend angelegt. Dazu gibt es aber zur Zeit keine vernünftige Lösung. Vielleicht mit mittelfristigen Festgeldern und der Option bei einem zeitnahen Crash damit in den Aktienmarkt einzusteigen (sofern man dann auch kaltblütig genug ist das durchzuziehen). Im Zweifelsfall würde ich den wie den kurzfristigen Block anlegen



    Nach ein paar Jahren müsste man dann schauen wie sich der Markt entwickelt und bei guter Lage den sicheren Block wieder etwas auffüllen.

  • Danke Chris2702 für den schnellen Tipp. Ich habe deinen Post mehrfach gelesen: WAS schlägst du also konkret vor

    Der Worst Case wäre für mich 2% Inflation und -0,5% Negativzins. Dann reicht das Geld 17,9 Jahre

    Der Best Case wäre 2% Inflation und 1% Zins. Dann reicht das Geld 20,3 jahre. (Hoffe ich hab das korrekt auf Zinsen Berechnen DE eingegeben)


    Damit lohnt sich aus meiner Sicht in jedem Fall das Engagement.


    Festgeldtreppe ist ein gutes Stichwort.


    Und du bist sehr abhängig von deinem Vermögen. 1500 Euro Entnahme bei 400.000 Euro Vermögen ist viel und birgt schon an sich einige Unsicherheit. Ich würde nicht in ETF gehen, aber wenn du risikofreudig bist und gut dabei schläfst, kannst du das natürlich in Erwägung ziehen. Wäre ich dein Sohn würde ich fragen "was machst du, wenn du dir nur noch 700 Euro Entnahme leisten kannst?". Wenn du dann Existenzängste hast, spricht das eher gegen ETF.

  • Ich danke euch, das sind wirklich gute Inputs für mich, die ich in Ruhe überlegen werde, ich glaube mit den "Blöcken" und "Treppen" wäre wirklich überlegenswert.


    Ich würde soo gerne auch in ETFs investieren, habe da auch schon Ideen, schade ist eben mein Alter von 70J aber das ist so

  • Hallo.


    Ganz anderer Ansatz:


    Mit Erklärung im Januar gegenüber dem Rentenversicherungsträger ab Februar auf 1% der Rente verzichten und freiwillige Beiträge einzahlen. 11 × 1.311,30 = 14.424,30 (Die kosten schon einmal kein Verwahrentgelt mehr.)

    Zum 01.07.2023 würde durch diese Einzahlungen die Rente steigen. Im ersten Schritt wären das mit heutigem aktuellen Rentenwert gerechnet ca. 68,15 Euro pro Monat, es kommt aber noch ein Zuschlag dazu, abhängig davon wie viele Monate nach Erreichen der Regelaltersgrenze der 01.07 2023 liegt. Bei (beispielhaften) genau fünf Jahren wären das 60 Monate und ein Zuschlag von 30%, somit wäre man bei 88,60 Euro monatlich. Da gehen dann noch Krankenkasse bzw. Pflegekasse ab, alternativ kommt ein (steuerfreier) Zuschuss zur privaten Krankenversicherung dazu. Steuern gehen hinterher auch noch runter, dafür kann man die gezahlten Beiträge steuerlich geltend machen.


    Im Jahr darauf wäre der Zuschlag bei 36%, wie die Reihe dann weitergeht kann man sich denken.

    Damit hätte man einen gewissen Inflationsschutz.

    Zahlenmäßig sieht das ganz nett aus, aber wie wohl man sich mit einer derartigen Vorgehensweise fühlen würde, muss man mit sich selbst ausmachen.

  • Hallo@AntixLinux,

    ich bin 80, und überwiegend in Aktienfonds, auch ETFs, investiert. Ich habe aber Nachkommen, die bei meinen hoffentlich späten Ableben, profitieren werden. Ohne Nachkommen würde ich das nicht so machen.

    Altersgerechte Grüße


    Altsachse