Hauskauf ohne Kredit sinnvoll?

  • Moin,


    als langjähriger stiller Leser des Finanztip-Forums habe ich mich bisher bei allen Finanzentscheidungen gut informiert und sehr sicher gefühlt. Nun stehe ich aber vor einer Entscheidung, bei der ich mich über fremden Input freuen würde. Deshalb habe ich mir heute endlich einen Account hier im Forum angelegt.

    Fragestellung

    Ich möchte ein Haus bauen und habe ein ausreichend hohes Vermögen, um dieses Vorhaben ohne Aufnahme eines Kredits umsetzen zu können. Ich bin mir bewusst, dass das ein Luxus-Problem ist.

    Ich stelle mir nun die Frage, ob es sinnvoll ist, trotzdem einen Kredit aufzunehmen, um von Förderungen oder Steuererleichterungen zu profitieren

    Ausgangslage

    Ich bin Angestellter im öffentlichen Dienst, Anfang 30, verheiratet und kinderlos (voraussichtlich dauerhaft). Unser Haushaltsnettoeinkommen liegt bei monatlich 3500 €, das angesparte und geerbte Vermögen bei ca. 500.000 €.

    Ein Haus + Grundstück in meiner Region kostet je nach Lage und Ausstattung zwischen 400.000 und 500.000 €.

    Geplant ist ein KfW 40+ Effizienzhaus, um darin die nächsten Jahrzehnte selbst zu wohnen.

    Bisherige Recherche-Ergebnisse und Überlegungen

    Die KfW fördert ein 40+ Haus mit einem Tilgungszuschuss in Höhe von 25% der Darlehenssumme. Die maximale Kredithöhe ist 150.000 €. Dadurch würde ich bei Aufnahme eines Kredits in genau dieser Höhe 37.500 € "geschenkt" bekommen.

    Mit dem Finanztip Tilungsrechner habe ich errechnet, dass ich je nach Höhe der monatlichen Rate und Laufzeit des Kredits ca. 10.000 € Zinsen zahlen würde.

    D.h. ich würde durch Aufnahme des Kredits 27.500 € sparen im Vergleich zu einem Hausbau mit 100% Eigenkapital. Je höher die Rate und je kürzer die Laufzeit, desto weniger Zinsen würde ich insgesamt zahlen und dadurch noch ein paar € zusätzlich sparen können.


    Ein höherer Kredit als 150.000 € ist über die KfW anscheinend nicht möglich.

    Konkrete Fragen

    • Gibt es weitere (bundesweit verfügbare) Fördermöglichkeiten, z.B. für die Installation einer PV Anlage, die nur bei Inanspruchnahme eines Kredits gewährt werden?
    • Kann ich gewisse Ausgaben beim Hauskauf nur dann steuerlich geltend machen, wenn ich einen Kredit aufgenommen habe (z.B. Zinsen für Kredit mit Einkommen verrechnen)?
    • Falls es solche Förderungen oder Steuererleichterungen gibt, macht eine längere Kreditlaufzeit Sinn, um sie besser ausnutzen zu können?
    • Und zu guter Letzt eine Frage, die sich vermutlich nicht pauschal beantworten lässt, sondern von der Markterwartung und Risikobereitschaft abhängt: Macht es bei den aktuell günstigen Zinsen Sinn einen höheren Kredit aufzunehmen, um einen Teil unseres Vermögens in einem weltweiten ETF zu belassen? Bei langfristig zu erwartenden 7% Rendite klingt das sinnvoll. Andererseits würde ich ohne geplanten Hausbau keinen Kredit über 150.000 € aufnehmen, nur um ihn in einen ETF zu investieren.

    Fazit

    Bei meinem derzeitigen Wissensstand würde ich einen KfW Kredit über 150.000 € mit möglichst hoher Rate und kurzer Laufzeit aufnehmen, um vom o.g. Tilgungszuschuss zu profitieren.



    Für hilfreiche Rückmeldungen bin ich euch sehr dankbar :)

  • Ein paar grundlegende Punkte:

    - Kredit kannst du nur steuerlich geltend machen wenn die Immobilie zur Vermietung gekauft wird. Beim Eigenheim schaut man in der Hinsicht in die Röhre

    - Die Förderung für Energiesparhäuser im Neubau ist aktuell eingestellt und soll überarbeitet werden. Was rauskommt ist unklar, ich würde hier nicht die bisherigen Fördersätze erwarten. Es gab sowohl eine Kredit als auch eine Zuschussvariante, ein Kredit ist also nicht unbedingt nötig

    - Haus und Grundstück für unter 500 000€ ist in der aktuellen Lage recht optimistisch gerechnet. Das würde ich nochmal genau prüfen.


    Es bleibt also noch dass man mit einer Anlage mehr Rendite erwirtschaften kann als man an Kreditzinsen zahlt. Das nennt sich Zinsdifferenzgeschäft und ist letztendlich eine gehebelte Aktienanlage. Entsprehend ist es riskanter wenn die Börse in den Keller geht, die Rendite ist aber in der Regel deutlich höher als wenn man sein Haus direkt bezahlt. Eine wirklich perfekte Antwort gibt es dabei nicht, denn Risiko ist individuell.


    Noch ein kleiner Nachschlag zur Renditeerwartung:

    Die Märkte sind immer noch ziemlich hoch bewertet, gleichzeitig sind die Bauzinsen dieses Jahr deutlich gestiegen. Auf mittlere Zukunft würde ich definitiv nicht mit 7% rechnen sondern deutlich weniger. Davon musst du dann noch Steuern abziehen, sodass die Differenz zwischen Kreditzins und erwarteter Rendite deutlich kleiner ist, als sie im ersten Moment aussieht

  • Vielen Dank für eure schnellen und hilfreichen Antworten.


    Die Förderung für Energiesparhäuser im Neubau ist aktuell eingestellt und soll überarbeitet werden. Was rauskommt ist unklar, ich würde hier nicht die bisherigen Fördersätze erwarten. Es gab sowohl eine Kredit als auch eine Zuschussvariante, ein Kredit ist also nicht unbedingt nötig

    Die KfW schreibt hier zum Programm 261 und 262, dass wieder Anträge gestellt werden können (Stand 22.02.2022). Die selbe Info findet man auch in der Förderdatenbank, in der zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass sich die Förderung auch auf Neubauten bezieht.


    Haus und Grundstück für unter 500 000€ ist in der aktuellen Lage recht optimistisch gerechnet. Das würde ich nochmal genau prüfen.

    Danke für die Warnung, aber das sollte tatsächlich reichen. Ich habe ein Grundstück für 150.000 € im Auge und plane mit max. 350.000 € für ein kleines schlüsselfertiges KfW 40+ Haus. Da wir nur Platz für 2 Personen brauchen, kann das Haus relativ klein ausfallen. Da wir planen den Innenausbau teilweise in Eigenleistung umzusetzen, wird das Haus voraussichtlich ein Stück günstiger als 350.000 €.


    um es kurz zu machen: Finanztip empfielt erst Schulden abbauen und dann investieren, oder wie in Deinem Fall, keine Schulden aufnehmen...

    Deswegen tue ich mich mit der Entscheidung für den Kredit so schwer. Ich habe auf finanztip.de schon sämtliche Ratgeber zum Thema Haus und Finanzierung gelesen und daraus denselben Schluss gezogen wie du...


    ...Andererseits wirkt meine Rechnung in meinem ersten Beitrag auf mich sehr plausibel und attraktiv. Jedenfalls unter der Annahme, dass ich noch einen Kredit mit den alten Bedingungen erhalten kann. Dann würde ich im einfachsten Fall einen Kredit mit kürzestmöglicher Laufzeit (4 Jahre) nehmen und die Rate so wählen, dass der Kredit nach dieser Zeit komplett abbezahlt ist. Die Rate zahle ich nicht aus meinem monatlichen Einkommen, sondern lege mir die 150.000 € plus wenige 1.000 € für Zinsen auf mein Girokonto und bediene damit den Kredit. So sind die 150.000 € nicht dem Risiko am Aktienmarkt ausgesetzt. Auf die mögliche zusätzliche Rendite würde ich entsprechend der Aussagen von LebenimSueden verzichten. Um die 150.000 € noch sicherer zu lagern, würde ich sie auf 2 Konten bei verschiedenen Banken verteilen, um bei einer Bankenpleite unterhalb des Höchstbetrags der Einlagensicherung zu bleiben.

  • Mal kurz weg von den Finanzen:

    Vor kurzem gab es im Spiegel einen Artikel,in dem dargelegt wurde,daß nur noch in den seltensten Fällen Hausbau ohne kostspieligen und nervenaufreibenden Ärger mit Leistungserbringern aller Art erfolgt.Das fängt mit der Erstellung von gerichtsfesten Verträgen an und hört mit kostspieligen Folgen für den Bauherrn im nachhinein noch lange nicht auf.


    Es wird dringend empfohlen,einen vereidigten Bausachverständigen hinzuzuziehen,der mit umfassenden Vollmachten aller Art auszustatten ist.Diese Leute seien heutzutage die einzigen,vor denen Handwerksbetriebe Respekt haben bzw.diese Leute fürchten,da sie Gefahr laufen,ihrerseits ruiniert zu werden.


    Die Kosten für einen vereidigten Bausachverständigen,der täglich oder mehrfach wöchentlich die Baustelle kontrollier, wurden in dem Artikel mit €10.000 bis €15.000 angegeben.Wichtig ist auch,daß der Sachverständige seinerseits umfassend in Haftung genommen werden kann.


    Eine Investition der beschriebenen Art scheint mir gut angelegten Geld zu sein.

  • Ich muss mich korrigieren:

    Im Infoblatt zur Antragstellung der KfW steht leider, dass Anträge zu Neubauvorhaben "auf der Basis des aktuell geltenden Merkblattes der KfW zum Produkt Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) - Wohngebäude Kredit Effizienzhaus (261) und der vorab genannten Richtlinie vom 07. Dezember 2021 bei der KfW nicht gestellt werden" können.


    D.h. ich muss vorerst doch auf ein neues oder überarbeitetes Förderprogramm der KfW warten, bevor ich eine Entscheidung für oder gegen einen Kredit treffe.

  • Um das Thema KfW mal zu präzisieren...aktuell werden die bereits gestellten Anträge abgearbeitet. Dafür musste jetzt nochmal das Budget aufgestockt werden. Laut Medienberichten war geplant, dass mit einer Milliarde dann KfW40 Häuser gefördert werden können bis eine komplett neu aufgestellte Förderung organisiert ist. Sehr lange wird das aber vermutlich nicht reichen und im Ministerium hat man gerade auch anders zu tun ;)


    Danke für die Warnung, aber das sollte tatsächlich reichen. Ich habe ein Grundstück für 150.000 € im Auge und plane mit max. 350.000 € für ein kleines schlüsselfertiges KfW 40+ Haus. Da wir nur Platz für 2 Personen brauchen, kann das Haus relativ klein ausfallen. Da wir planen den Innenausbau teilweise in Eigenleistung umzusetzen, wird das Haus voraussichtlich ein Stück günstiger als 350.000 €.

    Ich kann dir nur sagen, unterschätze das nicht. Es ist ja nicht nur das Haus, du brauchst auch noch Erdarbeiten, Versorgeranschlüsse, Küche, Außenanlagen, Sachverständigen, Notar, Grunderwerbssteuer, und so weiter. Aktuell kannst du mit Preisen von 3000-3500€ pro Quadratmeter für ein Haus auf Bodenplatte rechnen, zuzüglich den oben genannten Posten. Natürlich kann man auch erstmal ohne Carport leben, man sollte sich nur keine Illusionen dabei machen.

    Eigenleistung beim Innenausbau reißt nur große Summen wenn du ein teures Gewerk beherrscht. Die typischen Eigenleistungen Malern und Fußböden verlegen sind ziemlich günstig.


    Die Kosten für einen vereidigten Bausachverständigen,der täglich oder mehrfach wöchentlich die Baustelle kontrollier, wurden in dem Artikel mit €10.000 bis €15.000 angegeben.Wichtig ist auch,daß der Sachverständige seinerseits umfassend in Haftung genommen werden kann.

    Das kommt mir ein bisschen übertrieben vor. Man sollte nicht beim Hausbau den billigsten nehmen und dann das ganze Geld wieder über den Sachverständigen raushauen. Wichtig ist, eine Baufirma aus der Region zu nehmen die einen guten Ruf hat und mit festen Handwerkern zusammenarbeitet, dann gibt es auch tendenziell weniger Probleme.

    Mein Sachverständiger ist auf 4 Termine geplant, jeweils zu Themen die mit Abdichtung gegen Wasser zu tun haben. Kostenpunkt pro Termin ca 600€. Und es empfiehlt sich als Bauherr regelmäßig hinzufahren und nach dem Rechten zu schauen.


    edit:

    Eine Anmerkung noch zum Thema "wir bauen klein". Leider senkt das die Kosten nicht linear. Du hast trotzdem eine Heizung, eine Küche, eine Treppe, einmal den Kran, usw.

  • Es wird dringend empfohlen,einen vereidigten Bausachverständigen hinzuzuziehen,der mit umfassenden Vollmachten aller Art auszustatten ist.Diese Leute seien heutzutage die einzigen,vor denen Handwerksbetriebe Respekt haben bzw.diese Leute fürchten,da sie Gefahr laufen,ihrerseits ruiniert zu werden.

    Das kann/macht auch alles ein Architekt in den Leistungsphasen 8 und 9.

  • Das kommt mir ein bisschen übertrieben vor. Man sollte nicht beim Hausbau den billigsten nehmen und dann das ganze Geld wieder über den Sachverständigen raushauen. Wichtig ist, eine Baufirma aus der Region zu nehmen die einen guten Ruf hat und mit festen Handwerkern zusammenarbeitet, dann gibt es auch tendenziell weniger Probleme.

    Mein Sachverständiger ist auf 4 Termine geplant, jeweils zu Themen die mit Abdichtung gegen Wasser zu tun haben. Kostenpunkt pro Termin ca 600€. Und es empfiehlt sich als Bauherr regelmäßig hinzufahren und nach dem Rechten zu schauen.


    Ich kann die Aussage einen Sachverständigen oder Architekten zu beauftragen nur unterschreiben. Das ist meiner Meinung nach sparen an der falschen Stelle.


    Bisher habe ich im privaten Umfeld vier Fälle mitbekommen, wo es am Ende schief ging und genau diese 10.000 EUR aus Gründen des Sparens nicht ausgegeben wurden. In einem Fall mit dem Ergebnis auf einem Schaden von 50.000 EUR hängen zu bleiben. Übrigens bei einer Baufirma aus der Region.


    Daher würde ich ebenfalls empfehlen, das man dies genau abwägt. Hat man selbst die Expertise kann man sich das natürlich sparen.

  • Vielen Dank nochmal an alle für die hilfreichen Rückmeldungen.


    Zu meiner ursprünglichen Frage habe ich bei erneuter Lektüre der Finanztip-Artikel zum Thema noch folgenden Absatz gefunden (hier relevanter Satz in fett):

    Eine weitere Quelle für Eigenkapital sind Aktien und andere Wertpapiere (wie etwa Investmentfonds). Die meisten dieser Papiere lassen sich kurzfristig verkaufen. Ist Dein Eigenkapital eher knapp bemessen, dürfte ein Verkauf meist sinnvoll sein. Kannst Du die Finanzierung dagegen bequem stemmen, solltest Du abwägen, ob Du eine Wertsteigerung erwartest.

    Das unterstützt gewissermaßen meine ursprüngliche Motivation für einen Kredit, hat auf meine finale Entscheidung aber keinen weiteren Einfluss.



    Für den Fall, dass demnächst jemand über diesen Thread stolpert, will ich noch ein kurzes Fazit ziehen, um die Diskussion und meine Entscheidung zusammenzufassen:

    • Das Grundstück kaufe ich ohne Kredit, entsprechend der Empfehlung, Schulden schnell zu tilgen bzw. bestenfalls keine aufzunehmen.
    • Da der Baubeginn frühestens zum Jahreswechsel stattfinden kann, weil die Erschließung des Grundstücks noch nicht abgeschlossen ist, werde ich mögliche Fördermöglichkeiten bis zur Vertragsunterzeichnung für den Hausbau im Auge behalten und ggf. nutzen: Förderungen in Form eines Zuschusses in jedem Fall, in Form eines Kredits mit Tilgungszuschuss abhängig von den dann vorliegenden Konditionen. Meine Präferenz hat sich zu einem Kauf ohne Kredit verschoben.
    • Von den Vorteilen einen Bausachverständigen hinzuzuziehen hatte ich bereits gelesen. Euren Hinweisen nach scheint das auch sehr wichtig zu sein. Vielen Dank!
    • Für die wiederholte Warnung von LebenimSueden bin ich ebenfalls dankbar. Falls ich mit meiner Preisschätzung von max. 500.000 € falsch liegen sollte, habe ich noch einen Puffer, der bisher nicht für den Hausbau eingeplant war. Der Preis wird also nicht ausschlaggebend für die Entscheidung "Kredit oder nicht" sein.