Kapitalbildende Lebensversicherung versus Hausfinanzierung

  • Hallo Zusammen,


    ich habe eine allgemeine Frage, ganz einfach formuliert:


    Lohnt sich eine kapitalbildende Lebensversicherung mit einer Rendite von ca. 3% (geschätzt), wenn ich doch für die Hausfinanzierung 3,6% Zinsen zahle?


    Die Mathematik sagt kündigen und lieber mehr tilgen statt sparen.
    Ungeachtet der Dinge wie BU-Anteil (habe ich auch drin) und Leistungen im Todesfall (fürs Haus haben wir eine separate Partner-Risiko-LV).
    Ich habe 4 Lebensversicherungen, zwei davon von 1999 mit 4% Garantiezins, also eigentlich gut, zumal ich noch über 20 Jahre einzahlen muss, bis zur Fälligkeit.


    DasThema ist weder, dass ich das Kapital aus dem Rückkauf benötige, noch möchte ich alle LV kündigen (oder stillegen), da man auch später noch Rücklagen für eventuelle Renovierungen benötigt.


    Mich interessiert eure Meinung zum Prinzip: Was ist sinnvoller, sparen oder tilgen?


    Zudem die Unsicherheit bei Überschüssen und/oder Bewertungsreserven. Denkbar für mich sind auch Gesetze, die den Garantiezins in der Zukunft aushebeln, wenn die Niedrigzinsphase anhält (und das wird sie vermutlich noch die nächsten Jahre) um die Versicherer zu "retten".
    Unter diesem Sicherheitsaspekt kommt der Tilgung noch mehr Priorität zu.


    Gerne gebe ich noch mehr Details, vorerst möchte ich aber ganz allgemein Fragen.


    Vielen Dank für eure Meinungen!

  • Wenn Du LV mit 4 % Garantiezins hast, bedeutet das nicht, dass Du 4 % Rendite auf Deine Beiträge erhältst.


    Zunächst einmal werden von Deinen Beiträgen Risikokosten und Verwaltungskosten abgezogen. Der Rest geht in den Kapitalstock - und dort wird der Garantiezins dann zugeschrieben. Die Risiko-Anteile und die Kosten-Anteile erhalten zwar auch sog. "Risiko-Gewinne" und "Kosten-Überschüsse" zugewiesen. Die haben aber mit dem Garantiezins nichts zu tun, sondern richten sich nach der Risiko- bzw. Kostensituation.


    Deshalb dürfte die Rendite - bezogen auf den Beitrag - deutlich unter 4 % liegen. Genau kannst Du das erst im Nachhinein errechnen, weil erst ganz am Schluss feststeht, welche Erträge Du letztendlich ausgezahlt erhältst.


    Ganz generell ist die klassische Kapitalversicherung zur Kapitalbildung nicht besonders gut geeignet. Sie ist eben wegen der vorstehend beschriebenen Zusammenhänge sehr ertragsschwach. In aller Regel fährt man besser, wenn man die Kapitalbildung von der Risikoabsicherung trennt.


    Ob sparen oder tilgen sinnvoller ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Wie häufig im Leben kommt es auf verschiedene Umstände an. Wenn Du Zinsen für Konsum zahlst, ist tilgen auf jeden Fall besser. Leider gehört auch das Eigenheim in diesem Sinne zum "Konsum" - denn es ist aus steuerlicher Sicht völlig Privatvermögen.


    Ganz anders liegen die Dinge, wenn Du Vermögen hast, was wirtschaftlich eingesetzt wird. Ich habe zum Beispiel eine Eigentumswohnung, die ich vermietet habe. Die finanziere ich schon seit über 20 Jahren mit Fremdkapital. Da setze ich die Zinsen steuerlich ab und nach Steuern kostet mich das Darlehen, das immer noch etwas über 100.000 € beträgt, nur "peanuts".


    Jedenfalls erziele ich mit meinen Aktiendepots deutlich mehr an Ertrag als ich bei den Fremdkapitalzinsen einspare.
    Letzten Endes verwalte ich mein privates Vermögen wie ein Kaufmann mit einer richtigen Bilanz. Auf der Passivseite habe ich das Eigen- und Fremdkapital und auf der Aktivseite die Immobilie und die Aktiendepots.


    Ob ich tilge oder nicht, hängt deshalb von der Relation zwischen erzielbarem Kapitalertrag und zu zahlendem Fremdkapitalzins ab. Und da wir jetzt schon lange eine Niedrigzinsphase habe, spricht alles gegen Tilgung.


    Im Gegenteil das Fremdkapital bietet ja die "leverage" zur Verbesserung der EK-Rendite.
    Simples Beispiel: Angenommen Du hast ein Asset (=Anlagevehikel) im Wert von 100, das Dir einen Ertrag von 15 generiert. Dann hast Du ohne Fremdkapital eine Rendite von 15 %.


    Nun nimmst Du Fremdkapital auf - sagen wir in Höhe von 50. Das kostet zurzeit nur 3 % - also 1,50 pro Jahr.
    Jetzt sieht Deine Rechnung wie folgt aus:


    Dein Asset im Wert von 100 bringt immer noch 15 Ertrag. Aber jetzt hast Du nur 50 an Eigenkapital eingesetzt.
    Für das Fremdkapital musst Du natürlich die Kosten von 1,50 abziehen. Dein Ertrag von 15 geht deshalb zurück auf 13,50.
    Aber diese 13,5 holst Du mit einem Einsatz von 50! Also ist deine EK-Rendite bei 27 % - statt vorher 15 %.


    Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, sogar noch Fremdkapital aufzunehmen, obwohl man es gar nicht braucht.
    Jeder muss natürlich für sich entscheiden, ob er die damit verbundenen Risiken tragen kann.
    Übertreiben sollte man es beim "leverage" auch nicht, denn wenn was schiefgeht und sich das Asset als Griff ins Klo erweist, hat man die Schulden trotzdem an der Backe.


    Aber wie immer gilt: "no risk - no fun"!