Geld bunkern oder Kredit aufnehmen?

  • Hallo liebe Community,
    ich bekomme in ca. drei Jahren eine Wohnung geschenkt, die ich im Gegenzug aber selbst renovieren muss. Die Renovierungskosten werden sich auf ca. 100.000€ belaufen. Die habe ich tatsächlich gerade auch liquide zur Verfügung. Nun fühlt es sich aber dumm an, so viel Geld auf dem Giro zu haben. Ich würde das natürlich viel lieber in meinen ETF investieren. Da ich aber nicht weiß, wie der Markt in drei Jahren steht, kann das eine schlechte Idee sein. Meine Überlegung: Das Geld in meinen ETF packen und falls der Aktienmarkt in drei Jahren schlecht dasteht, einen Kredit aufnehmen.
    Wäre ein Kredit besonders günstig, wenn ich als Sicherheit eine teure Immobilie und ein volles Depot habe? Oder bedeutet das nur, dass ich überhaupt einen Kredit bekomme?
    Was würdet ihr tun? Das Geld liquide halten (evtl. in Festgeld, wobei es da ja im Moment auch fast keine Zinsen gibt) oder in ETF investieren und ggf. einen Kredit aufnehmen?

  • Schwierige Frage, denn neben absoluten Verlusten kann es auch sein, dass deine Renovierung in 3 Jahren deutlich mehr kostet.

    Grundsätzlich hast du mit einer Immobilie den Luxus, dass du sie sehr leicht beleihen kannst. Wenn du nicht nur Schönheitsreparaturen machst sondern auch energetisch sanierst oder altersgerecht umbaust, kannst du häufig noch Förderkredite bekommen, z.B. von der KfW oder Förderbanken der Bundesländer. Da ist es auch oft sinnvoll wenn man einen größeren Betrag benötigt, da diese Förderkredite oft über die Hausbank laufen und die auch gerne was verdienen möchte. Insofern würde ich in der Tendenz das Geld eher investieren und im Zweifelsfall einen Kredit aufnehmen. Damit hast du aber natürlich das Risiko, dass die Zinsen in 3 Jahren deutlich höher stehen als heute.

  • Bei einer selbstgenutzten Immobilie würde ich immer schnelle Tilgung bzw. Nichtkreditaufnahme bevorzugen. Tilgung kommt m.E. vor Altersvorsorge. Sonst kaufst Du Aktien auf Kredit und spekulierst gleichzeitig auf die Zinsentwicklung und Aktienentwicklung, neben der unvermeidbaren Spekulation auf die Höhe der Renovierungskosten.


    Daher würde ich in Deinem Fall jetzt nur Deine Sparraten der nächsten 3 Jahre investieren.


    Anders sähe es aus, wenn die Wohnung vermietet werden sollte, also eine Kapitalanlage mit Einnahmen wird.

  • Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
    Für den geplanten Umbau kommen keine Förderkredite infrage. Das Worst-Case-Szenario ist also, dass
    1. der Aktienkurs gefallen ist
    2. die Baukosten die dafür veranschlagten Kosten übersteigen und
    3. die Zinsen für einen Kredit höher sind als heute.
    Es ist also eine Wette, dass das Worst-Case-Szenario nicht eintritt und der Aktienmarkt sich besser entwickelt, als die Inflation unser liquides Kapital in drei Jahren belasten würde.
    Sehe ich das so richtig?

  • Ja, da kann man so sehen.


    Du musst halt auch wissen, was für ein Typ du bist. Risikoavers oder risikoscheuer.

    Wenn du weißt, dass du an einem Zeitpunkt in der nahen Zukunft eine Zahlung in einer bestimmten Höhe tätigen muss, wäre es aus „kaufmännischer“ Sicherheit betratet ratsam, heute schon den Betrag sicher zu halten. Da es sich um eine Dienstleistung handelt, ist davon auszugehen, dass die Inflation die Preise in die Höhe treibt.
    Du brauchst also nicht z.B. 100 000 Euro, sondern vermutlich 121 000 Euro pauschal vereinfacht gesprochen. Eventuell auch mehr. Weniger sicherlich nicht.

    Da du dein Kapital „sicherer“ halten willst, hast du es auf dem Tagesgeldkonto. Dann machst du pro Jahr sicher einen Verlust 100 000 - aktuell offiziell 7000 €. Du hast also nur noch so ca 93 000€ musst aber in 1 Jahr sicherlich vermutlich so 107 000 Euro bezahlen.

    Die „Sanduhr“ läuft gegen dich und nicht für dich.
    Deshalb wieso nicht gleich, falls irgendwie möglich, modernisieren. Jetzt hast du 100k€ und jetzt kostet es ca. 100k€.

    Je länger die Modernisierung in der Zukunft liegt, desto mehr brauchst du an Geld, da das „sicherere“ gehaltene Geld an Wert verliert und die Modernisierung vermutlich teurer wird.
    Je länger du wartest, desto mehr brauchst du an Geld, da die „Lücke“ immer größer wird.

    Das sind die Fakten.
    Jetzt ist die Frage, wie du damit umgehen möchtest.

    Ich würde, wenn es sich um einen kurzen Zeitraum handelt, sicherlich nicht 100 % des Kapitals in einen ETF stecken. Maximal 50 % und der Rest auf dem Tagesgeldkonto.
    Wenn du Glück hast, hast du mehr Geld und die kannst die Modernisierung inklusive Preissteigerungen locker bezahlen.
    Wenn du Pech hast, brauchst du deinen Kredit.

    Falls die Immobilie vermietet wird, kannst du die anfallenden Kreditzinsen von den Steuern absetzen. Das ist ein Bonus, aber keine Motivation einen Kredit aufzunehmen.
    Falls Eigenbedarf, dann nicht. Ich wäre immer vorsichtig, wenn ich zwecks Eigenbedarf einen Kredit aufnehmen würde. Würde ich zwecks Vermietung einen Kredit aufnehmen, dann wäre ich auch vorsichtig, aber weniger vorsichtig.


    Die Frage ist halt auch, wie ist deine Gesamtsituation.
    Wie schnell hättest du den Kredit abbezahlt im Falle, dass du ein aufnehmen müsstest.
    Wie groß ist dein monatlicher Haushaltsüberschuss.
    Ich würde das im Gesamtzusammenhang sehen.

    Was besser sein wird, das weißt du leider erst, wenn 3 Jahre vergangen sind und du eine Entscheidung getroffen hast. Das kann dir keiner hier sagen.

  • Das sind alles sehr gute Überlegungen, die mir weiterhelfen.

    Der Umbau kann erst in drei Jahren beginnen. Das ist nicht zu ändern. Ich werde 50% in ETF stecken, weil ich das Gefühl habe, dass durch Corona und Krieg der Einstiegszeitpunkt eher günstig ist. Das ist eine Wette auf die Zukunft, aber der Einsatz ist überschaubar. Die restlichen 50.000€ kann ich mir zur Not als Kredit beschaffen und auch einigermaßen schnell tilgen.


    Vielen Dank an alle für die kompetenten Hinweise!

  • Da du dein Kapital „sicherer“ halten willst, hast du es auf dem Tagesgeldkonto. Dann machst du pro Jahr sicher einen Verlust 100 000 - aktuell offiziell 7000 €. Du hast also nur noch so ca 93 000€ musst aber in 1 Jahr sicherlich vermutlich so 107 000 Euro bezahlen.

    Das wäre aber doppelt gemoppelte Inflation.

    Er verliert 7.000€ UND muss noch 7.000€ mehr zahlen?

  • Das wäre aber doppelt gemoppelte Inflation.

    Er verliert 7.000€ UND muss noch 7.000€ mehr zahlen?

    Ja, dem ist leider so, wer es „sicher“ nominal haben möchte.
    Das Kapital auf dem Tagesgeldkonto verliert an Wert und die Modernisierungskosten werden in der Zukunft sicher ansteigen.

    Die nominellen Preise in der Zukunft werden teurer, während der nominelle Stand des Bankguthabens zwar gleich bleibt, aber dennoch an Kaufkraft verliert.

    Wenn du die kalte Progression noch mit einberechnest, wird du auch noch eine 3 Inflation finden :(


    Er wird auch keinen Handwerker finden, der mit ihm heute einen Fixpreis für in 3 Jahren vereinbart.
    Ich würde das Kapital teilweise in Gold auf dem Bankschließfach halten und nicht 50 % ETF halten. Das empfinde ich sicherer als ein breiter ETF.
    Aber das wäre auch nicht so sicher. Gold schwankt ja auch und verursacht marginale Lagerkosten und ich kann auch sehr gut die Argumente nachvollziehen, die gegen Gold sprechen.

    Falls du eine besser Lösung hast, wie man diese "doppelte Inflation" oder "3 fache Inflation" und damit die Lücke verhindern oder kleiner halten kannst, darfst du es uns gerne mitteilen.
    Es betrifft ja viele, die Geld für ca. 3 Jahre parken müssen, um dann eine Immobilie instand zuhalten.


    Ich kenne einen Freund, der hatte im Ausland in einer Fremdwährung etwas zu bezahlen und intand zu halten. Er hätte besser die Inflation in Kauf genommen und das Geld schon in die Landeswährung gewechselt. Hat er aber nicht, weil er in einen ETF investiert hat und sein Geld in € gehalten hat. Als er dann das Geld gebraucht hat, hat er gemerkt, dass der Geldwechselkurs auch zum Nachteil wurde.
    Das Ganze war für ihn mehrfach teuer als geplant. In dem aktuellen Fall das Kapital und die Instandhaltung ja im gleichen Währungsraum. Das vereinfacht das Ganze ungemein.

  • Nee, es gibt 2 Sichtweisen, aber nicht doppelte Inflation.


    Entweder ich betrachte die Situation in 1 Jahr. Dann sind 100k auf dem Konto und die kosten bei 107k.

    Oder ich beziehe alles auf die heutige Kaufkraft (=Barwert). Dann sind die Kosten unverändert bei aktuellen 100k, aber die heutige Kaufkraft (der nominal 100k in 1 Jahr) nur 93k.


    Vermixen ist falsch.



    Warum Gold sicherer als ein MSCI-World-ETF sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Volatilität ist mehr als doppelt so hoch!

    Und langfristig hat ein ETF besser rentiert.

    Daher ist Gold nur eine Beimischung zur Diversifizierung.

  • Ja, dem ist leider so, wer es „sicher“ nominal haben möchte.
    Das Kapital auf dem Tagesgeldkonto verliert an Wert und die Modernisierungskosten werden in der Zukunft sicher ansteigen.

    Nein. Das Kapital verliert effektiv den Wert, um den die Kosten steigen. Das ist ein und das selbe.

    Das Geld ist relativ weniger wert, weil die Kosten steigen.


    Falls du eine besser Lösung hast, wie man diese "doppelte Inflation" oder "3 fache Inflation" und damit die Lücke verhindern oder kleiner halten kannst, darfst du es uns gerne mitteilen.
    Es betrifft ja viele, die Geld für ca. 3 Jahre parken müssen, um dann eine Immobilie instand zuhalten.

    Ich bin selbst in der gleichen Situation und weiß aktuell nicht was die beste Lösung ist.

    Aber Geld für 3 Jahre an die Börse macht m.e. keinen Sinn. Im Zweifel lebe ich damit, dass das Geld mit Fest- und Tagesgeld dann halt nach Inflation weniger wert ist.