Tilgen oder Festgeld?

  • Moin, liebe Finanztip-Community,


    meine Frau und ich haben vor zwei Jahren gebaut und zahlen nun fleißig unseren Kredit ab. Wir zahlen 1,04% mit einer Zinsbindung von 20 Jahren. Die Finanzierung läuft über die ING, was automatisch mit einer hohen Flexibilität einherging. Wir können sowohl die Tilgung erhöhen oder reduzieren und auch einmal jährlich sondertilgen. Soweit der Rahmen.


    Nun fragen wir uns angesichts der steigenden Festgeldzinsen, ob wir nicht teilweise in Festgeld investieren sollten, weil das eine sichere Rendite verspricht, die mittlerweile mit 1,7% deutlich über unserem Kreditzins liegt und die Festgeldzinsen womöglich ja auch noch steigen.


    Ich weiß, dass die Frage, ob man statt zu tilgen auch in ETFs investieren könnte, hier oft diskutiert wurde und es auch von Finanztip eine eindeutige Haltung gibt, nämlich lieber tilgen. Seht ihr das bei Festgeld auch so? Mir scheint das eine sichere Sache zu sein, aber vielleicht übersehe ich etwas? Ich habe noch nicht ausgerechnet, was das am Ende sparen würde und habe auch die Steuer noch nicht kalkuliert, aber davon ab sehe ich vor allem zwei Contra-Argumente:


    1. Das Risiko der Arbeitslosigkeit: Dann müsste man das angelegte Festgeld mittelfristig zum eigenen Unterhalt einsetzen.

    2. Ein relativ hoher Aufwand, weil ich monatlich über Klarna Festgeld neu anlegen würde. Ist aber aus meiner Sicht in Ordnung, wenn die Rendite stimmt.


    Was denkt ihr dazu? Vielen Dank schon einmal!


    Schönen Sonntag

    Euer Pfeffersack

  • Zu Klarna gab es viele negativ Argumente im Forum. Ich persönlich würde von Klarna Abstand nehmen.

  • Hallo Pfeffersack , willkommen im Finanztip-Forum.


    Die Zinsdifferenz nach Steuer kommt erst bei längerer Laufzeit des FG zum Tragen, das würde ich derzeit nicht abschließen wollen. Ferner muss man bei der Berechnung den Effekt einbeziehen, dass bei zusätzlichen Tilgungen im Falle des Annuitätendarlehens auch aus der Annuität zusätzliche Tilgung erfolgt und dadurch die Zinslast des Restdarlehens weiter sinkt.


    Mach Dir eine Excel mit dem Tilgungsverlauf mit/ohne Sondertilgung und rechne es aus. Wir haben damals geschaut so schnell wir möglich zu tilgen, was nicht heißt, dass es die beste Lösung war. Ferner generell die Frage der Vermögensstruktur inkl. Fristigkeit der Rücklagen im Auge behalten.

  • Was mir spontan einfällt war 10% der Mitarbeiter auf einen Schlag entlassen. Und schlechte Bilanzen… wenn ich mich nicht irre war JDS da gut im Thema.

  • Vielen Dank Kater.Ka ! Ja, ich werde das ohnehin alles durchrechnen und dann gegenüber stellen. Meine Frage geht eher in die Richtung, ob ich Risiken übersehen habe. Wenn es sich inklusive Steuern nicht rechnet, dann rechnet es sich natürlich nicht.

  • Als erstes würde ich einen Puffer aufbauen der auf einem Tagesgeld Konto liegt und dort verbleibt. Eben genau für solche Fälle wie Verdienstausfall, unvorhergesehene Ausgaben für Gesundheit, Haus, Auto oder Haushalt....

    I.d.R nimmt man dafür 3-6 netto Haushaltseinkommen als Basisrücklage.


    Wenn das Aufgebaut oder vorhanden ist kann man sich Gedanken machen was mit monatlichen "Überschuss" passiert.

    Altersvorsorge ist geklärt ? BU nötig und vorhanden?


    Wenn das alles abgehakt ist kann man sich über die Frage "Tilgen, investieren oder sparen" Gedanken machen.

    Wir persönlich haben Sondertilgung genutzt wo es ging. Und sind damit soweit gekommen das wir die letzten 15 Jahre das Haus mit der Hälfte der damaligen Belastung abzählen, wobei selbst da noch Sondertilgung möglich wären

  • Meine Frage geht eher in die Richtung, ob ich Risiken übersehen habe.

    Es gibt ein theoretisches Risiko durch das Platzen der Immobilienblase und die verschärften Vorschriften der BaFin, dass zusätzliche Sicherheiten nachgefordert werden. Da stellt man sich im ersten Schritt mit einer geringeren Restschuld im Vergleich zu den gesunkenen Immobilienwerten besser.

  • Hallo.


    Den von Kater.Ka aufgeworfenen Punkt hätte ich auch verstärkt im Auge. In Abhängigkeit vom Umfang der Finanzierung (60%-110%) wäre ich zunächst grundsätzlich bei der Sondertilgung, zumindest für dieses Jahr, ggf. auch für 2023.

    Aber das bezieht sich auf die Meinung vor dem konkreten Rechnen.

  • Die Grundidee ist schon richtig. Du hast Dir einen geringen Zinssatz für viele Jahre gesichert. Heute sind die Zinsen deutlich höher. Jede Sondertilgung ist ein Geschenk an die Bank, für das sie Dir eigentlich eine "negative Vorfälligkeitsentschädigung" auszahlen müsste. Macht sie natürlich nicht.


    Bedenke aber, dass Du bei parallelen Geschäften immer ein zusätzliches Kontrahentenrisiko hast. Daher würde ich ein solche Geschäft nur mit sicheren Kontrahenten machen. Klarna zählt für mich nicht unbedingt dazu, höchstens in einem Mix mit vielen Kontrahenten.


    Weiterhin müssen Deine Habenzinsen nach Steuern höher als Deine Sollzinsen sein, da Du die Sollzinsen vermutlich nicht steuerlich berücksichtigen kannst. Sparerfreibetrag würde ich nicht berücksichtigen, da Du den für Deine Altersvorsorge reservieren solltest.


    Ich würde Anleihen von sicheren Emittenten bevorzugen, da höhere Renditen und flexibel. Außerdem ist eine Streuung über mehrere Emittenten leichter möglich.


    Vom Umfang her würde ich das so beschränken, dass Du es auch in angemessener Zeit wieder beenden kannst. Beispiel: In 5 Jahren werden 30T fällig, eine neue Anlage wäre unvorteilhaft und Du kannst nur 10T pro Jahr sondertilgen. Dann sitzt Du erst mal in einer Falle.

  • Hallo Pfeffersack,


    meine Partnerin und ich standen bei ziemlich ähnlichen Konditionen vor der gleichen Frage. Wir haben uns für die maximale Tilgung entschieden.

    Nach heutigen Werten (Kreditzins niedriger als Anlagezins) ist es mathematisch die falsche Entscheidung. Aber gibt es eine Sicherheit, dass die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die Berechnung auch in 10 oder 20 Jahren noch gelten? Wir fühlen uns bei einer niedrigeren Schuldsumme einfach besser. Post festum kann es die falsche Entscheidung gewesen sein. Ich hoffe, wir werden trotzdem nicht trauern.


    Gruß Pumphut

  • Vielen Dank für Eure Beiträge! Die Rahmenbedingungen sind zum Teil fix für 20 Jahre (Kreditzins, Möglichkeit die Tilgungrate zu ändern, Sondertilgungsoption von 5% des Ursprungskredits per anno), die Festgeldzinsen natürlich nicht. Falls sich die Festgeldzinsen wieder verschlechtern, wird eben wieder getilgt. So oder so ist der Kredit dann in 18 Jahren abbezahlt.

  • Der Hinweis mit dem Kontrahentenrisiko ist klasse, Danke Hornie. Ich hätte das Risiko nicht so groß eingeschätzt, weil ich mich auf die Einlagensicherung verlassen würde. Wenn es über die Summe ginge, würde ich natürlich streuen. Aber wenn es zu einer Klarna-Pleite kommt, macht der Papierkram sicher keinen Spaß und wer weiß, wie lange es dauert, bis man an sein Geld wieder rankommt. Das werde ich noch mal überdenken.

  • So, jetzt habe ich in Ruhe durchgerechnet und dabei verschiedene Szenarien zu Grunde gelegt. Vergleichsgrundlage ist immer die Volltilgung des Darlehens nach 18 Jahren. Legen wir nun einen Teil in Festgeld an, statt zu tilgen, komme ich im schlechtesten Szenario auf ein Plus von 2.500,- € nach 18 Jahren, im besten Szenario auf 9.500,- €. Wir warten jetzt mal ab, wie sich die Festgeldzinsen im Herbst entwickeln, wenn der Leitzins im September weiter angehoben worden ist. Knapp 10.000,- € fände ich eine nette Rendite und die Risiken sind überschaubar. Auch vor dem Hintergrund, dass wir genügend auf der hohen Kante haben.


    Klarna werden wir uns aber noch gründlich überlegen. Schade, denn da ist die Verwaltung angenehm simpel und der monatliche Verwaltungsaufwand wäre schön klein.


    Vielen Dank für Euer Mitdenken!

  • Wenn ihr einen Volltilger habt, dann seid ihr beim Kredit vermutlich recht gut bezüglich Beleihung aufgestellt. Da spricht für mich relativ wenig dafür bei 1% Sondertilgungen zu leisten und deutlich mehr dafür das ordentlich anzulegen. Festgeld wäre dabei jetzt aber nicht unbedingt meine erste Wahl, die Zinsdifferenz ist einfach zu klein damit sich das nach Steuern wirklich lohnt.

  • Naja, wenn Du z.B. die HLB4D5 (fällig 2032, kündbar 2027, Rendite 3,1%) nimmst, dann bleibt eine Nach-Steuer-Rendite von immer noch ca. 2,2%, also gut das Doppelte der Sollzinsen. Da ist also noch ein guter Puffer, falls sich die Steuern ändern sollten. Das könnte man über verschiedene Emittenten und Laufzeiten mischen.


    Aktienrisiken würde ich bei so einem Differenzgeschäft jedenfalls nicht nehmen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer besseren Rendite recht hoch sein sollte.

  • Aktienrisiken würde ich bei so einem Differenzgeschäft jedenfalls nicht nehmen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer besseren Rendite recht hoch sein sollte.

    Warum nicht? Durch den Volltilger ist das Thema Anschlussfinanzierung nicht existent. Insofern kann man die Immobilie und ihren Kredit bei allen weiteren Überlegungen ziemlich ausklammern und rein nach persönlicher Risikoaufteilung anlegen. Und umgekehrt betrachtet...ein Differenzgeschäft lohnt sich nur wenn auch tatsächlich eine deutlich höhere Rendite zu erwarten ist.