Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist verfassungswidrig

  • Was haltet Ihr von folgender Überlegung?


    Ein Arbeitnehmer hat von 1975 bis 2020 45 Jahre lang den Durchschnittssatz in die Rentenkasse eingezahlt. Das sind in Summe rund 235.000 EUR. Bei einer angenommenen Verzinsung von nur 2,5% ergibt das einen Endwert von ca. 380.000 EUR.


    Der Arbeitnehmer hat 2020 einen Rentenanspruch in Höhe von mtl. 1.538,55 EUR. Ausgehend von einer Lebenserwartung von 20 Jahren ergeben sich Renten-Zahlungen über 369.252 EUR.



    Dieses Zahlenbeispiel lässt den Rückschluss zu, dass unter rein versicherungsmathematischen Gesichtspunkten die Rente durch die Einzahlungen im Wesentlichen gedeckt ist.



    Das Rentensystem ist ja bekanntlich so aufgebaut, dass die Einzahlungen die Auszahlungen decken sollen (Umlagesystem). Das hat in der Vergangenheit so gut geklappt, dass die Politik die automatisch entstandenen Rücklagen (viele Arbeitnehmer und wenige Rentner) mit mehr oder weniger sinnvollen Anpassungen (z.B. Mütterrente, Rente mit 63 u.v.m.) bzw. politischen Erfordernissen (z.B. Rente für alle nach der Wiedervereinigung) verfrühstückt hat. Die Rentenkassen leiden an der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben für die es einmal jährlich einen nicht Kosten deckenden Zuschuss gibt.



    Damit komme ich zu dem Thema der versicherungsfremden Leistungen. Die Liste ist lang und die o.g. Beispiele (Mütterrente usw.) sind ja nur ein kleiner Ausschnitt.



    Es gibt schon seit Jahren eine Diskussion über die versicherungsfremden Leistungen. Diverse Gutachten wurden erstellt und führten zu keiner einheitlichen Sichtweise. Die Politik weigert sich beharrlich, sich hier festzulegen.



    Solange aber die Höhe der versicherungsfremden Leistungen nicht festgelegt wird, ist eine Forderung nach einer Verlängerung des Renteneintrittsalters, Erhöhung der Beiträge oder Reduzierung der Rentenhöhe aus meiner Sicht nicht haltbar. Die Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen wird dadurch ausschließlich durch die Arbeitnehmer erbracht, obwohl sie ein gesamtpolitisches Problem ist.



    Deshalb sind aus meiner Sicht Rentenanpassungen ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer ungerecht, wenn nicht sogar nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungswidrig.



    Über ein Feedback würde ich mich sehr freuen.

  • Hi,


    solange nicht vom BVerfG festgestellt ist, dass es verfassungswidrig ist, ist es nicht verfassungswidrig. ? Bis dahin gilt: 3 Juristen, 4 Meinungen.


    Die von Dir vorgetragene Rechtsauffassung halte ich (ohne dass ich Deine Zahlen jetzt geprüft hätte) für nachvollziehbar und finde, man kann sie einnehmen. Freilich gibt es Gegenargumente wie den Bundeszuschuss - gegen das sich wiederum das Gegenargument finden lässt, er ist zur Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen nicht auskömmlich. Was das BVerfG wie abwägen und einschätzen würde, weiß man, wenn es dies getan hat …


    Und das ist ja das tröstliche: Sollte das Renteneintrittsalter angehoben werden (was ich … als einer, der zur Rente mit 67 noch mehr als 20 Jahre malochen muss … richtig fände), würde das sicher höchstrichterlich geprüft. Dann wüssten wir es! ?


    Viele Grüße

    Andreas

  • Hallo zusammen,

    m.E. ist es nicht verfassungswidrig.


    Es ist gerade kein reines Umlageverfahren.

    Bundeszuschuss, Mütterrente usw.


    Es ist eine (notwendig) politische Entscheidung.


    Es sei denn, es werden Alternativen gefunden.


    Die Demographie will es.


    LG

  • Hallo,

    Deshalb sind aus meiner Sicht Rentenanpassungen ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer ungerecht, wenn nicht sogar nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungswidrig.

    Unabhängig von der Frage, ob eine Erhöhung des Renteneintrittsalters derzeit verfassungswidrig wäre oder nicht. Wie oft wurde das GG seit Bestehen geändert?


    Die Frage des Renteneintrittsalters ist eine politische und keine juristische Frage.


    Gruß Pumphut

  • Die Frage des Renteneintrittsalters ist eine politische und keine juristische Frage.

    Das ist zwar richtig (und was meine Position zu der politischen Frage angeht, habe ich sie ja auch schon beschrieben), aber zur Wahrheit gehört natürlich, dass jede politische Frage (verfassungs)rechtlich überprüft werden kann. Und dabei sind schon viele (wie ich finde) gute und richtige Entscheidungen kassiert worden.

  • Die Angestellten und Arbeiter sind selber schuld, dass Sie die wirkliche Selbstverwaltung aufgegeben haben und die Politik nun alles bestimmt. Die Sozialwahlen sind ein absoluter Witz.


    Stichtagsregelungen gibt es im Rentenrecht massenweise, wurden jedoch noch nie als verfassungswidrig betrachtet. Der Gesetzgeber kann die Leistungen der GRV fast nach Belieben erhöhen oder verringern.


    Ich würde eher mal die Grundrente auf die Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen lassen, hier wird nämlich die Beitragsbezogenheit durchbrochen. Gab dazu ein Gutachten von Prof. Ruland, ist aber meines Wissens nach nichts daraus geworden.

  • Die versicherungsfremden Leistungen fließen auch an Versicherte, es gibt also auch Begünstigte.


    Es zahlen übrigens nicht nur Arbeitnehmer ein. ;)