Mehrere Faktoren vs. Multifactor-ETF

  • Hallo zusammen,


    mich interessiert Euer Blick auf Faktoren-Investments: lieber bspw. die vier Faktoren Quality, Momentum, Minimum Volatility, Size separat in je einem ETF besparen … oder in einen Multifactor-ETF investieren?


    Viele Grüße,

    Andreas

  • Hmm,

    ich habe bereits vor geraumer Zeit die handelsüblichen Faktor-ETF auf https://backtest.curvo.eu/ mal durchgetestet (Sowohl als Sparplan als auch als Einmalinvest).

    Leider ist der Multifaktor-ETF von iShares (IE00BZ0PKT83) erst mit Daten ab Nov. 2014 verfügbar. Von daher ist die Datenlage eher mau, da es keinen langjährigen Zykluswechsel gab. 2014-2021 stand ganz klar im Zeichen von 'Growth'-Aktien!

    Bisher sieht der obige Multifaktor ETF gegen den Mutterindex (Basis MSCI World) jedenfalls nicht gut aus. Und das sowohl bei Einmalanlage als auch als Sparplan. :/

    Ich würde kein Geld in den Multifaktor-ETF investieren.

  • Ich würde kein Geld in den Multifaktor-ETF investieren.

    Danke für Deine Meinung! (Die in die gleiche Richtung geht wie meine eigene.) Ich habe Anteile in den genannten MSCI-Faktor-ETFs und bin damit glücklich. Habe nun aber einen (älteren) Blogbeitrag von Herrn Kommer gelesen, der für Multifaktor-ETFs plädiert. Mir erscheint das aber nicht schlüssig …

  • Ich habe parallel zum MSCI World seit 2021 noch eine Position MSCI World Momentum aufgebaut.

    Der Momentum Faktor erscheint mir am besten passend, da Momentum je nach aktuellem Börsenzyklus mal Value, Quality, Growth, usw. ausmachen kann. :/

    Es braucht halt einen längerfristigen stabilen Trend, damit Momentum seine Stärken ausspielen kann.

    Stand Mitte August 22 lag ich mit meinem Momentum ETF knapp 3000€ hinter einem zeitgleichem Invest in den Basis MSCI World.

    Schauen wir mal, wo ich mit dem ETF in 5, 10 und 20 Jahren stehe. Aktuell bespare ich neben dem MSCI EM nur den Momentum ETF, da dieser 2022 stark eingebrochen ist. Jetzt gilt es halt möglichst viele Anteile einzusammeln. ;)

  • Ben Felix plädiert auch für Multifaktor und die Argumentation dahinter finde ich durchaus schlüssig. Die einzelnen Faktoren sind ja nicht disjunkt sondern überschneiden sich stark. In Small Caps hat man zum Beispiel sowohl Growth als auch Value Aktien drin. Wenn ich jetzt zum Beispiel davon ausgehe, dass Value besser ist als Growth dann will man die Growth Aktien nicht haben sondern nur diejenigen die sowohl Value als auch Small Cap sind.


    In der Theorie ist das relativ klar, ich finde das Problem liegt in der Praxis. Das fängt schon mit der Frage nach den Faktoren an. Je nach Quelle kommt man auf ganz andere Listen. Fama hat neben dem Markrisiko noch Size, Value, Profitability und Investment. Momentum und Minimum Volatility waren ihm sicherlich bekannt, wurden aber nicht ins Modell integriert. Liquidität ist auch noch ein Kandidate für eine plausible Risikoprämie. Bestimmt gibt es noch diverse weitere Kandidaten für Faktoren. Bei manchen würde ich auch die Unabhängigkeit in Zweifel ziehen, Value und Profitability sind doch sehr stark korreliert.

    Dazu kommt noch die Frage wie man ein Multi-Faktor sinnvoll aufbaut. Bei 2 Faktoren lassen sich die Filter noch gut hintereinanderschalten und man nimmt z.B. nur Firmen die sowohl Small Cap als auch Value erfüllen. Erweitert man das auf 3, 4, 5 Filter bleibt ganz schnell nicht mehr viel übrig.


    Und dann muss man sich die Frage stellen ob die Existenz von einfach auszunutzenden Faktoren überhaupt mit der Effizienzmarkthypothese vereinbar sind mit der sie begründet werden. Wenn ich überdurchschnittliche Renditen bekommen kann indem ich mir Firmen raussuche die klein sind, eine Value-Bewertung haben, profitabel sind und fleißig in ihr Geschäftsmodell investieren, warum macht das nicht jeder? Macht man dann nicht im Prinzip das Gleiche wie jeder aktive Anleger?

  • ..., warum macht das nicht jeder? Macht man dann nicht im Prinzip das Gleiche wie jeder aktive Anleger?

    Weil ein Faktor auch mal für (viele) Jahre eine deutlich niedrigere Rendite erzielen kann als der Marktdurchschnitt. Aktuelles Beispiel ist der Faktor 'Value', der über mehr als die letzten 10 Jahre deutlich schlechtere Renditen geliefert hat als der Marktdurchschnitt.

    Von 2000 bis 2009 war Value aber der Renditebringer.

    Und ja, ein Faktor ETF wie der Momentum ist aktiv. Allerdings nicht nach dem 'Bauchgefühl' irgendeines Fondmanagers, sondern nach einem festen Regelwerk des Indexanbieters. Und natürlich 'hofft' man damit langfristig auf eine Überrendite. ;)

    Der Momentum braucht z.B. min. 1 Jahr, bis er einen vollen Zykluswechsel durchgemacht hat. Wenn es aber einen Trend über mehrere Jahre gibt ist der Momentum Faktor m.E. optimal, da er sich spätestens nach einem Jahr auf den neuen Zyklus eingestellt hat. Problematisch wird es halt, wenn es keinen stabilen Trend und ständige Zykluswechsel gibt. Aber in der Vergangenheit hat sich immer irgendwann ein Trend gebildet, der dann mehrere Jahre anhielt. Man muss nur lange genug warten können.;)

  • […] die Argumentation dahinter finde ich durchaus schlüssig. Die einzelnen Faktoren sind ja nicht disjunkt sondern überschneiden sich stark. In Small Caps hat man zum Beispiel sowohl Growth als auch Value Aktien drin. Wenn ich jetzt zum Beispiel davon ausgehe, dass Value besser ist als Growth dann will man die Growth Aktien nicht haben sondern nur diejenigen die sowohl Value als auch Small Cap sind.

    Mir geht es intuitiv anders: Wenn ich Value will, will ich Value und nicht nur kleine Value-Unternehmen, sondern die besten Value-Unternehmen, unabhängig von der Größe. Von daher habe ich intuitiv den Eindruck, Multifaktor ist die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner … und nicht nach dem Besten.

  • Wenn du nur einen ETF anschaust, dann stimmt das auch. Jetzt willst du aber alle mitnehmen und machst z.B. folgendes Portfolio auf:

    20% Value

    20% Small Cap

    20% Momentum

    20% Low Vola

    20% Quality


    Aktien die in einem Faktor ausgeschlossen werden, holst du dir garantiert über einen der anderen Faktoren wieder rein. Damit verwässerst du jeden enthaltenen Faktor. Am Ende hast du vermutlich eine etwas andere Gewichtung als Market-Cap aber keinen Faktor mehr der noch als solcher erkennbar wäre. Dafür hast du jetzt 5 Fonds die du regelmäßig rebalancen musst und die vermutlich auch alle etwas teurer sind als ein 08/15 MCAP. Ich glaube, dass der Performance-Unterschied dann nicht mehr relevant ist.


    Falls mich jemand mit harten Zahlen widerlegen kann, nur zu. Und falls jemand gerade ein Portfolio-Analyzer zur Hand hat, mich würde interessieren was bei einer solchen Mischung tatsächlich rauskommt und ob es eine Gruppe von Aktien gibt die tatsächlich keinem Faktor angehören.

  • Aktien die in einem Faktor ausgeschlossen werden, holst du dir garantiert über einen der anderen Faktoren wieder rein. Damit verwässerst du jeden enthaltenen Faktor. Am Ende hast du vermutlich eine etwas andere Gewichtung als Market-Cap aber keinen Faktor mehr der noch als solcher erkennbar wäre. Dafür hast du jetzt 5 Fonds die du regelmäßig rebalancen musst und die vermutlich auch alle etwas teurer sind als ein 08/15 MCAP. Ich glaube, dass der Performance-Unterschied dann nicht mehr relevant ist.


    Falls mich jemand mit harten Zahlen widerlegen kann, nur zu. Und falls jemand gerade ein Portfolio-Analyzer zur Hand hat, mich würde interessieren was bei einer solchen Mischung tatsächlich rauskommt und ob es eine Gruppe von Aktien gibt die tatsächlich keinem Faktor angehören.

    Das mit den Aktien, die man sich hier reinholt, obwohl man sie dort ausschließt, ist sicher richtig und leuchtet mir ein. Dennoch scheint mir intuitiv naheliegend, dass gerade das regelmäßige Re-Balancing verschiedener Faktoren das (kleine) Renditeplus bringt - dadurch, dass jeder Faktor seine Stärken ausspielen kann und in Schwächephasen günstig nachgekauft wird.


    Ein Backtest hierzu würde mich auch interessieren … ich würde es auch machen, wenn ich wüsste, wie ich das (incl. Rebalancing) mache.