Gewerkschaftsmitglied aus Solidarität?

  • Hallo,


    ich wollte einmal ein Stimmungsbild hier im Forum zum Thema Gewerkschaft erfragen.


    Zur Situation: Unser Betriebsrat versucht seit mehr als 10 Jahren 50+x% Arbeitnehmer (AN) zu überzeugen in die Gewerkschaft (IG Metall) einzutreten. Damit könnte ein Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber (AG) ausgearbeitet werden. Wie man an der Dauer sehen kann, sehr erfolglos.


    Generell fände ich einen Tarifvertrag für die meisten AN am Standort sehr gut weil vermutlich Einige (v.a. AN aus der Produktion) nicht mehr nur nah am Mindestlohn bezahlt werden würden. Interessanterweise fehlt aber gerade diesen AN die Einsicht zu den Vorteilen eines Tarifvertrags.


    Persönlich habe ich aber auch den Zwiespalt voranzugehen und Gewerkschaftsmitglied zu werden, weil ich, so lange kein Tarifvertrag existiert, keine persönlichen Vorteile sehe. Im Gegenteil, bei meinem derzeitigen Gehalt eher Nachteile.


    Ist es tatsächlich so, dass da Demokratie passieren könnte und niemand hingeht?


    Danke für eure Gedanken.

  • Was hat die IG Metall mit Demokratie zu tun? Die vertreten Interessen und das müssen keineswegs die Interessen der Mehrheit der Arbeitnehmer im Betrieb sein. Und mit der innerorganisatorischen Demokratie sieht es ungefähr genauso gut aus wie bei der FIFA. Um einen Tarifvertrag abschließen zu können, müssen auch nicht 50+x% der Arbeitnehmer im Betrieb gewerkschaftlich organisiert sein. Entscheidend dafür ist, dass die Gewerkschaft durchsetzungsfähig ist. Du brauchst nur die ganzen Berufsgruppengewerkschaften bei der Bahn oder der Lufthansa ansehen. Da sind jeweils nur kleine Teile der Belegschaft organisiert, aber wenn die Piloten oder Lokführer streiken, verhandeln Bahn- und Lufthansavorstand trotzdem mit deren Gewerkschaften über Tarifverträge. Gegenbeispiel ist Amazon. Da juckt es die Geschäftsleitung schon seit Jahren nicht im geringsten, wenn die Gewerkschaft regelmäßig den Streik ihrer paar wenigen Mitglieder verkündet.

  • die IG Metall mit Demokratie zu tun

    Sehr viel. Demokratie ist nicht nur alle paar Jahre mal nen Kreuzchen machen sondern z.B. Engagement für gute Löhne und Arbeitsbedingungen über Gewerkschaften. Sie gleichen das ungleiche Machtverhältnis etwas aus. Mächtige Konzerne gegen einen einzelnen Mitarbeiter? Keine Chance aber zusammengeschlossen in einer Gewerkschaft besteht logischerweise eine ganz andere Dynamik. Von den Verhandlungen der Gewerkschaften profitieren übrigens auch nicht tarifgebundene Arbeiter indirekt. Et lohnt sich also. Die Beiträge kannst du übrigens von der Steuerabsetzen und manchmal gibts weiterte Benefits. Vielleicht kann die IG Metall beraten wie ihr bei eurem Betrieb weiter kommt. Wünsch viel Glück und mehr $$$$$$ bei mehr Urlaub und geringerer Arbeitszeit und mehr soziale Absicherung etc etc

  • Macht entfalten durch Einsatz der eigenen Stärke ist das Gegenteil von Demokratie. Aber die Gewerkschaften haben auch noch nie behauptet, dass Tarifverhandlungen oder Streiks praktizierte Demokratie sind, die verlassen sich lieber auf die ihnen zur Verfügung stehenden Druckmittel. Beispiele, wo das besser oder schlechter funktioniert, wurden oben genannt.

  • Wünsch viel Glück und mehr $$$$$$ bei mehr Urlaub und geringerer Arbeitszeit und mehr soziale Absicherung etc etc

    Wünschen kann man sich viel. Nur praktisch umsetzbar muss das Ganze dann noch sein.

    Und ob wir in Zeiten von stetig sinkender arbeitsfähiger bzw. -williger* Bevölkerung langfristig noch sinkende (Lebens)Arbeitszeiten haben werden ist zumindest sehr fraglich.

    Nur mal so am Rande. Ich dürfte im Vergleich zu meinem Vater schon mal 2 Jahre länger arbeiten, wenn man rein vom gesetzlichen Rentenalter ausgeht. In der Praxis war es so, dass mein Vater mit 58 in Ruhestand geschickt wurde.

    Das wird mir leider nicht passieren.;)

    Insofern darf man schon fragen was die Gewerkschaften in den letzten 30 Jahren eigentlich in Sachen Arbeitszeit so erreicht haben.8o


    * ich könnte sicherlich länger arbeiten, ich will nur nicht!!!

  • Wenn alle abwarten, dass die Gewerkschaft etwas reißt, bevor sie eintreten, dann passiert da gar nichts.

    Und wenn man meint, dass nur Doofies in der Gewerkschaft etwas zu sagen haben, dann muss mein erst recht eintreten, um das ändern zu können.

  • Interessante Frage, die ich mir auch schon so gestellt hab!
    Natürlich ist die Gewerkschaft auch nur so stark wie die Summe Ihrer Mitglieder. Und insbesondere in etwas spannenderen Zeiten wie diesen zeigt sich mMn, dass Gewerkschaften per se ihre Daseinsberechtigung/-pflicht hat. Natürlich hatten Gewerkschaften früher eine noch andere Bedeutung und auch Macht, aber wer weiß, wie sich die Situation entwickeln wird?! AN fehlen ja jetzt schon in breiten Teilen der Arbeitswelt.

  • monstermania - Wahrscheinlich ist zumindest die theroetische Rentenbezugsdauer eines durchschnittlichen Arbeitnehmers gestiegen und der systematische Vorteile, trotz der etwas längeren Arbeitszeit


    @All - Gewerkschaften haben es immer schwerer Ihre Rolle wahrzunehmen. Ich arbeite im Bankgewerbe. Hier ist der Organisationsgrad niedrig, vielen geht es relativ noch gut und die Bereitschaft 1% auf Ihren Lohn für Solidarität zu geben, ist sehr gering - in der Regel sagen die Betroffenen, dass eine gute Rechtsschutz billiger ist und mehr Vorteile sehen Sie in dem Modell nicht. Mit der geringen Quote erreicht die Gewerkschaft wiederum wenig, so dass das Modell endlich ist und in einem Problemfall nicht genügend Kollegen zur Verfügung stehen.