Verzicht auf Provision für Sparkassenkunden

  • Mit großem Interesse lasen wir heute in der Redaktion die Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) zu einem Vorgehen der Sparkassen. Viele Kunden werden zur Zeit wohl angeschrieben mit der Bitte, explizit auf Vertriebsvergütungen zu verzichten. Beziehungsweise setzt ein Stillschweigen die Zustimmung voraus. Stichtag ist zumeist der 15. April.


    Bei vielen Produkten können Kunden von Provisionen profitieren: Fonds, Aktien, Anleihen. Die genannten Institute fordern nun ausdrücklich von ihren Kunden eine Verzichtserklärung, so dass die Provisionen weiter an sie fließen. Der VZBV rät zum Widerspruch oder gleich zur Kündigung und einem Wechsel des Depots, was den Kunden sogar am Ende billiger kommen könnte. Spätestens bei einer Kündigung von Seiten des Instituts ist ein Wechsel unvermeidbar.


    Die generelle Rechtsauffassung ist, dass Kunden ein Anrecht auf Provisionen haben. Ein endgültiges, Klarheit schaffendes BGH-Urteil steht jedoch noch aus.


    Was denken Sie über dieses Vorgehen? Würden Sie bei der Bank bleiben, wenn sie andere Vorteile bietet? Welche Erfahrungen haben Sie mit einem Depotwechsel gemacht?

  • Grundsätzlich ist rechtlich sehr vieles umstritten.


    Ein Geschäftsbesorgungsvertrag ist in § 675 BGB geregelt. Und dieser verweist auf die Vorschriften zum Auftrag, geregelt in den §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 BGB.


    Und dort findet sich auch die Vorschrift, dass der Beauftragte alles herausgeben muss, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt (§ 667 BGB).


    Diese Vorschrift jedoch auf den Vertrieb von Finanzprodukten anwenden zu wollen, ist schon sehr mutig.
    Das kann ein Jurist in einer Verbraucherzentrale so machen. Ob er damit durchkommt, ist äußerst fraglich.
    Keinesfalls, liebe @Franziska, kann man sagen, dass dies "generelle Rechtsauffassung" sei.


    Nach der Gegenmeinung handelt es sich beim Finanvertrieb NICHT um eine "Geschäftsbesorgung". Vielmehr findet entweder ein Verkauf oder eine Vermittlung statt.


    Wenn das Finanzprodukt aus dem eigenen Haus kommt, handelt es sich um einen Verkauf.
    Und wenn das Finanzprodukt von einem anderen Produktgeber (z.B. Versicherung, Fondsgesellschaft o.ä.) stammt, dann ist es eine Vermittlung. Und es steht völlig ausser Frage, dass die jeweilige Bank bzw. Sparkasse als Vermittler Anspruch auf die Provision hat.


    Es ist eine andere Frage, ob der Kunde, also der Verbraucher, geschickt und hart genug verhandelt, dass die Bank eventuell auf einen Teil der Provision verzichtet bzw. ihm diese erstattet. Aber einen Rechtsanspruch hat der - jedenfalls im Normalfall - nicht.


    Anders sieht es wiederum aus, wenn der Kunde für die Vermittlung oder Beratung an die Bank ein Beratungshonorar bezahlt. Dann könnte man berechtigterweise fragen, ob hier eine Leistung nicht zweifach vergütet wird. Nämlich einmal durch den Anleger und zum zweiten durch den Produktgeber. Aber selbst das wäre zulässig, soweit es offen geschieht und der Anleger darüber aufgeklärt ist.


    Rechtswidrig ist erst eine Situation, wo die Bank einerseits vom Anleger eine "Beratungsgebühr", "Betreuungsgebühr" oder ähnliches erhält, und die Bank ohne Wissen und hinter dem Rücken des Kunden vom Produktgeber Provisionen bekommt.


    In solchen Fällen hat der BGH entschieden, dass die Bank die Provisionen an den Kunden auskehren muss.
    Begründet wurde dies damit, dass der Kunde in diesem Fall glaubt, mit seinem Honorar wäre die Beratung bezahlt. Er geht deshalb davon aus, dass die Bank kein Provisionsinteresse mehr hat, wenn sie ihm ein bestimmtes Produkt vermittelt.


    Und genau darüber wird er getäuscht, weil die Bank eben "hintenrum" doch noch eine weiter Vergütung empfängt. Insoweit ist die Bank in einem Interessenkonflikt, über den sie vorher hätte aufklären müssen.


    Generell muss man sagen, dass der ganze Eiertanz um die Provisionen - ob versteckt oder offen - daher kommt, weil die meisten Verbraucher nicht bereit sind, für eine Beratungsleistung eine Honorar zu bezahlen.


    Wenn der Mann vom Kundendienst kommt, um die Waschmaschine instandzusetzen, ist es völlig normal, dass für diese Dienstleistung ein Preis verlangt wird. Auch die Anfahrt schlägt kostenmäßig zu Buch. Und häufig sind die Arbeitskosten viel höher, als der kaputte Schalter der ersetzt wurde. Alles kein Thema. Kennt jeder.


    Aber wenn ein Finanzdienstleister gefragt wird, dann soll der doch bitte schön keine Rechnung stellen.
    Der soll sich gut auskennen mit Finanzen und Märkten, Sozialversicherungssystemen und gesetzlichen Vorschriften, mit Finanzprodukten und Risiken - aber eine Rechnung für ein Beratungshonorar - ach nö... das dann doch lieber nicht.


    Also muss jeder Finanzberater - und dazu gehören auch die Banken - sich von Provisionen ernähren. Die bezahlt logischerweise der Anleger (wer denn sonst?!). Sie sind nämlich in den Finanzprodukten einkalkuliert.


    Aber der oberflächliche Anleger sieht die Provision nicht, denn dazu müsste man schon das Kleingedruckte lesen.
    Ach ja, und dann könnte man ja noch gegen die Sparkasse klagen - weil eigentlich stehen die Provisionen ja dem Anleger zu...


    Merkt Ihr was?
    Wie soll das funktionieren?

  • Interessant! Vielen Dank für Deine Ausführungen!


    Seit ich bei Finanztip angefangen habe, wird mir immer mehr klar, wie sehr sich Rechtsauffassungen unterscheiden können. Der VZBV sagt "hü", jemand anderes "hott". Sogar ganze Urteile können auf Rechtsauffassung basieren! Als Moderatorin möchte ich mich auf keine Seite schlagen, finde es aber natürlich spannend, wie die unterschiedlichen Meinungen vertreten werden.


    Du sprichst ein wichtiges Thema an - die Bereitschaft, für Dienstleistung auch im Finanzbereich zu zahlen. Das ist in Deutschland weder üblich noch wird die Vorstellung überschwinglich angenommen.

  • Liebe @Franziska, die Jurisprudenz ist nun einmal keine exakte Wissenschaft. Im Gegenteil: Gesetze müssen immer ausgelegt werden, weil die Realität in Millionen Einzelfällen sich immer wieder anders darstellt - und der Richter muss letzten Endes entscheiden, ob und wenn ja inwieweit der Tatbestand einer abstrakten Rechtnorm erfüllt ist.


    Das macht ja Jura so spannend!


    Ich habe mir eben die beiden Urteile, die der VZBV in seiner Pressemitteilung zitiert, angeschaut. Sie sind im Netz mit ein wenig Recherche zu finden. In dem Hammer Fall ging es um einen geschlossenen Fonds für einen sehr erfahrenen Anleger, der schon mehrere Fondsbeteiligungen hatte und sich auch mehrfach Provision hatte abtreten lassen.


    Der Münchner Fall betraf einen Depot-Inhaber, der mit der Bank einen Verwaltungsvertrag für sein Depot abgeschlossen hatte.


    Das sind schon einmal zwei grundverschiedene Ausgangssituationen.


    Wichtig: es kommt wirklich immer auf den Einzelfall an. Der VZBV löst mit einer solchen Verallgemeinerung aus, dass tausende Anleger, deren jeweilige Fälle wiederum ganz anders liegen können, glauben, es sei ganz einfach, die Bank auf Herausgabe von Provision zu verklagen. Die stünde ja dem Kunden zu!


    Und dann findet sich schnell ein spezialisierter "Anlegerschutz-Anwalt" ein, der für den Kunden klagt - und meist scheitert.


    Spektakulär sind die Fälle, die bis zum BGH durchdringen. Über tausende gescheiterter Klagen spricht niemand.
    Der "Anlegerschutz-Anwalt" verdient seine Gebühren natürlich trotzdem.


    Bedanken kann er sich für diese Mandate bei den Verbraucherschützern, die - ohne dass ihnen das bewußt ist - dazu beitragen, dass viele Anleger, die durch ungeeignete Geldanlagen Geld verloren haben, noch mehr Geld verlieren, weil sie aussichtslose Prozesse führen.


    Insoweit trifft der böse Spruch der Finanzbranche zu:
    Der Anleger ist das einzige Tier, dem man das Fell zweimal über die Ohren ziehen kann.

  • Hätte man mich vor 10 Jahren gefragt, ich hätte gesagt, dass die Rechtswissenschaft langweilig ist. Heute denke ich da ganz anders ^^ Die ganze Situation stellt sich höchstspannend dar.


    Deine Argumentation zeigt weitere wichtige Seiten auf, die man nicht vernachlässigen darf - Chancen & Risiken, vorgelagerte Fälle, Kosten, etc. In jedem Fall gibt es eben zwischen schwarz und weiß ganz viel grau.