Direktversicherung früh auszahlen lassen oder sichere 3,78% nehmen?

  • Hallo, mich interessiert Eure Meinung zu folgender Frage:

    Ich habe eine Direktversicherung, die ich am 1.5. frühest möglich auflösen kann (steuerfrei), oder weitere fünf Jahre weiterlaufen lassen kann (Zeitpunkt dann frei wählbar). Die Versicherung ist beitragsfrei und die Summe erhöht sich garantiert um 3,78% p.a.


    Mein ETF-Depot, das zur Zeit aus 70% Aktien (MSCI World u.MSCI EM) und 30% Anleihen (kurzlaufende Euro Staats-und Unternehmensanleihen) besteht, und das ich nach einem Wohnungskauf vor 4,5 Jahren neu aufgelegt habe, hat eine Performance von derzeit 3,5% p.a. (hatte aber am 1.1.22 noch 8.75% p.a. und am 1.5.22 immer noch 5.75%.)


    Ich habe mir ausgerechnet, daß ab einer Performance von ~ 2,7% p.a. die frühere Auszahlung besser ist als die spätere.


    Ich überlege nun, ob ich die Direktversicherung zum 1.5.23 auflöse und dem Depot zufüge (bei etwa gleicher Aufteilung), oder ob ich mich mit den garantierten 3,78% zufrieden gebe und ggf. den Aktienanteil im Depot erhöhe.


    Mein Kredit für die Wohnung hat noch eine Restlaufzeit von 4,5 Jahren, dann werden die Zinsen neu verhandelt. Je nachdem, wie sich die Zinsen entwickeln (und es sieht ja aus, als ob sie in absehbarer Zeit eher steigen), möchte ich mir die Möglichkeit vorhalten, die Restschuld auch auf einmal begleichen zu können. Mein Anlagehorizont für das Depot (und damit auch für die durch die Direktversicherung hinzukommende Summe) wären damit dann nur diese 4,5 Jahre.


    Was würdet ihr tun? Bin gespannt auf Eure Meinung

  • Sind die Anleihen in einem ETF, oder sind das Einzelanleihen, die Du bis zur Endfälligkeit halten willst?


    Falls Ersteres: Wie sind denn die Relationen? Also, ich fände es bedenkenswert, die 3,8 Prozent-Versicherung als Sicherheitsbaustein zu nehmen, und die Anleihen rauszuschmeißen und in die Aktien-ETF zu stecken. Muss man halt wissen, ob damit eine Aktienquote herauskommt, die zu Dir, Deiner Lebenssituation und Deinem Sicherheitsbedürfnis passt.

  • Danke dir. Die Anleihen sind in zwei ETFs (zwei Drittel in Staats- und ein Drittel in Unternehmensanleihen), beides nur Kurzläufer in Euro. Insgesamt machen sie 30% des Depots aus.

    Ja, das sind genau die Überlegungen. Ich bin in der guten Lage, Risiko einzugehen, denn selbst bei einer durchschnittlichen Performance von -3 p.a. über die nächsten 4einhalb Jahre (ein, wie ich denke extrem negatives Szenario), würde ich noch in der Lage sein, die Restschuld des Kredits zu begleichen. Und hier kommt natürlich die Gier ins Spiel. Seit ich anlege (seit 2010, mehr oder weniger nach Kommer) folgten auf schlechte Jahre (und dieses ist ja wohl eins) immer mehrere gute, zum Teil extrem gute. Wenn das sich wiederholt, würde ich die garantierten 3,78% natürlich weit übertreffen.

    Bin gespannt, was andere meinen. Und auch, was ich letzten Endes machen werde.


    Gruss aus Hessen


  • Die Gier ist nie ein guter Ratgeber. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich aus Gier einen besonders geilen Deal machen wollte … ging das gehörig schief und wurde zu einem Minusgeschäft. Und nach allem, was man so liest, deckt sich das mit den Erfahrungen von vielen Menschen.


    Wenn Du die Versicherung als Sicherheitsbaustein behältst, aber alle Anleihen-ETF in die Aktien-ETF umschichtest: Wie ist da dann das prozentuale Verhältnis? Und gibt es noch andere Vermögenswerte, die zu berücksichtigen sind? Also liegen noch irgendwie 277k aufm Tagesgeldkonto oder so? ?

  • Dass die Gier kein guter Ratgeber ist, ist sehr wahr, habe ich auch schon Lehrgeld bezahlt. Ich denke allerdings schon, daß unter den nächsten Jahren auch wieder sehr gute sein werden.

    Und würde mich ärgern, wenn ich da nicht dabei bin. Wie das so ist....

    Aber deine Frage ist super! Das hab ich mir tatsächlich noch nicht ausgerechnet. Werde ich sofort mal machen. Ach, und die 277k auf dem Tagesgeldkonto rühre ich nicht an, die benötige ich, um meine Angst vor Verarmung in Schach zu halten :D. Scherz beiseite, da hab ich "nur" eine Notfallreserve von mehr oder weniger drei Nettoeinkommen.

  • Für 4,5 Jahre würde ich nicht in Aktien investieren, d.h. ich würde an Deiner Stelle maximal den Betrag in Aktien-ETFs halten, den Du auch nach der Kreditablösung in Aktien-ETFs halten kannst und willst.


    Ich vermute, dass Deine Direktversicherung noch steuerfrei ist (pls check), d.h. eine Rendite von 3,78% nach Steuern hat! Das kannst kaum mit einer anderen, risikoarmen Assetklasse toppen. Würde ich also konkret für die Kredittilgung passend laufen lassen.


    Wieso hast Du Anleihen-ETFs, wenn Du steigende Zinsen erwartest?? Das ist geplanter Verlust?


    Diese Anleihen-ETFs würde ich

    - in Anleihen mit einer Laufzeit von 4,5 Jahren umschichten, wenn Du die auch noch für den Kredit brauchst.

    - in einzelne Anleihen mit einer Laufzeit von ca. 2 Jahren umschichten, wenn sie zum Sicherheitsbaustein gehören, oder

    - in Aktien-ETFs umschichten, wenn sie zum Risikobaustein gehören (sollen).

  • Seit ich anlege (seit 2010, mehr oder weniger nach Kommer) folgten auf schlechte Jahre (und dieses ist ja wohl eins) immer mehrere gute, zum Teil extrem gute.

    Ich hoffe, dass das nicht Dein Ernst ist.:/

    Es gab da mal vor etwas über 20 Jahren eine Zeit, da gab es mehrere schlechte Börsenjahre in Folge (2000-2003). Und dann folgte 2008 gleich der nächste Crash.

    Insgesamt war 1999-2008 eine 'verlorene' Dekade auf dem Aktienmarkt. Das sollte man zumindest im Hinterkopf behalten.


    Niemand weiß, ob auf das eher durchwachsene Börsenjahr 2022 nun ein gutes Börsenjahr 2023 oder gar noch ein richtiges Horrorjahr folgt.

    Das Ganze ist schlichtweg ein Zocken. Kann man machen, kann aber eben auch schiefgehen.

  • Danke für die Meinungen und Tips.


    Hornie: Ja, die Direktversicherung ist steuerfrei. Und du hast natürlich recht: eine solche sichere Rendite ist vermutlich in den nächsten Jahren sonst kaum zu bekommen. Von daher lasse ich sie weiterlaufen.

    Und die Frage, warum ich Anleihen-ETFs habe, ist tatsächlich berechtigt. Da ich mit der Anlage nach Kommer bisher gut gefahren bin, habe ich überhaupt nicht hinterfragt, ob ich den sicheren Teil des Portfolios vielleicht nicht in Renten-ETFs anlegen sollte. Ich dachte, dass ich mit extrem kurzlaufenden Anleihen von den steigenden Zinsen doch profitieren müsste, oder mache ich da einen Denkfehler? In einzelne Anleihen hab ich noch nie investiert


    monstermania: Danke für den Denkanstoß. Da ich erst seit 2010 anlege, hab ich zwar schon einige schlechte Jahre oder Perioden mitgemacht, aber natürlich noch keine mehrjährige Krise.

  • Anleihen-ETF und Renten-ETF sollten 2 Wörter für das Gleiche sein.


    Generell ist die Frage, welche Duration (= durchschnittliche Restlaufzeit der Anleihen im Fonds) Deine Anleihen-ETFs haben.


    a) Die Duration ist wenige Monate (sogenannter geldmarktnaher Fonds): Dann hast Du recht, dieser Fonds profitiert sehr schnell von steigenden Zinsen. Mit diesem Fonds solltest Du dieses Jahr im Plus sein. Diese Rendite kannst Du aber in der Regel auch mit einem guten Tagesgeldkonto erreichen (bei höherer Sicherheit).


    b) Die Duration ist mehrere Jahre: Dann machst Du bei einem Zinsanstieg grob 1% Kursverlust pro 1%-Punkt Zinsanstieg. Ein Fonds mit einer Duration von 6 Jahren also grob 6% Kursverlust. Wenn in diesem Jahr die Zinsen um grob 3%-Punkte gestiegen sind, hat dieser Fonds vermutlich 15-20% Kursverlust gemacht.

    Den gleichen Kursverlust machst Du mit einer 6-jährigen Anleihe. Vorteil bei einer einzelnen Anleihe ist, dass Du diese liegen lassen kannst bis zur Rückzahlung zu 100%. Dann ist Dein Ertrag die ursprünglich gekaufte Rendite (analog zu 6-jährigem Festgeld). Ein Fonds macht bei weiter steigenden Zinsen weiter Kursverluste, da die Duration meist konstant gehalten wird.

  • Danke dir. Ich hatte mich bisher mit dem Thema Anleihen nicht wirklich beschäftigt. Und deswegen mit meinen Anleihen-ETFs auch Verluste eingefahren, weil ich zunächst ETFs mit Anleihen aller Laufzeiten hatte, was bei sinkenden Zinsen auch gut lief. Habe aber die Zinswende verpasst bzw. hatte das überhaupt nicht auf dem Schirm, und in den letzten zwei Jahren dann Verluste gemacht. Die ETFs hab ich dann verkauft und vor einigen Monatendurch Kurzläufer ersetzt. (1/3 Unternehmensanleihen 0-3 Jahre in Euro, 2/3 Staatsanleihen 0-1 Jahre in Euro). Auch die sind noch rot, aber werden vermutlich in den nächsten Jahren eine geringe Rendite haben und somit ihren Auftrag im Portfolio erfüllen. Bei der Inflation natürlich trotzdem ein Verlust und vermutlich, wie du richtig schreibst, kaum über Tagesgeldniveau (bei mir im Moment 0.7%)


    Ich überlege jetzt, ob ich nicht einfach eine oder vielleicht auch mehrere Anleihen mit Restlaufzeit bis 4,5 Jahre dafür kaufen soll. Da gibt es einige von absolut soliden Emittenten, die trotzdem Renditen über 3% haben. Bin aber noch unsicher, weil ich seit Jahren keine Einzelanlagen mehr gemacht habe. Und auch wenn das Ausfallrisiko sehr gering ist, ist es eben nicht null.

  • Mein "Lieblingsemittent" dafür ist die Helaba. Eine gute Übersicht hast Du hier:

    www.helaba-zertifikate.de - Festzinsanleihen (dort auf "Erweiterte Tabelle" klicken, dann nach Fälligkeit sortieren)


    Für 4,5 Jahre geht z.B. www.helaba-zertifikate.de - Produktdetails HLB3Q7 mit einer Rendite von ca. 3,5%. Diese Rendite setzt sich aus dem Kursgewinn von ca. 10% und dem jährlichem Kupon von 1,05% zusammen.


    Auch bei der Deka findest Du ähnliche Anleihen. Dort sind die jedoch nicht alle börsennotiert und werden nur zum Kassakurs gehandelt.


    Wenn es noch sicherer sein soll, dann besser Festgeld. Null Ausfallrisiko gibt es m.E. nirgends.