Festgeld Zinsplateau?

  • Rezession vielleicht.

    Wie geht das denn, von der Inflation nicht betroffen zu sein, da bleibt doch niemand verschont?

    Eine Rezession ist durchaus möglich. Wird die Zukunft zeigen.

    Ich schrieb nicht stark von der Inflation betroffen. Jeder Mensch hat eine individuelle Inflationsrate. Wer hohe z.B. hohe monatliche Aufwendungen für Energie und Lebensmittel hat ist ganz anders davon betroffen, wie Jemand der genau diese Kosten nicht hat.

    Meine Mutter hat z.B. kein Auto mehr und hat eine kostenlose Fahrkarte für den ÖPNV. Als 'Kriegskind' ist Sie zur Sparsamkeit erzogen wurden. Man glaubt gar nicht, mit wie wenig Geld man sich gesund und durchaus abwechselungsreich ernähren kann.

  • Vor 2 Jahren haben viele 'Experten' vorhergesagt, dass es auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist, dass es wieder Zinsen geben wird. ;)

    Was - jedenfalls in der Eurozone - der überragende Wunsch der EZB zu sein schien ... (siehe die jahrelange erst Niedrigzins-, dann Nullzins- und schließlich sogar Negativzinspolitik samt noch dazu (Staats)Anleihekäufe in Billionenhöhe, um das Zinsniveau zu drücken). Der Ausbruch eines Angriffskrieges mitten in Europa mit den daraus resultierenden (u. a. auch energiepolitischen) Folgen (Stichwort "hohe Inflation") war nur schwer bis gar nicht zu antizipieren - da schlicht kaum vorstellbar). Insoweit war o. g. These von sehr hoher Wahrscheinlichkeit getragen. Anders und einfach gesagt: Ohne die durch den Angriffskrieg Russlands (mit)ausgelöste Inflation wäre es zinstechnisch schlicht so weitergegangen ((mit)ausgelöst, weil die Inflation schon vor dem Krieg deutlich angesprungen war; das wäre aber ein anderes Thema).


    Bei näherer und nüchterner Betrachtung konnte man aber schon damals (schlicht aufgrund der Sachgesetzlichkeiten) durchaus zu der Schlußfolgerung kommen, daß es - aufgrund der hoch- und höchstverschuldeten Länder in der Eurozone und der strukturellen Fragilität der Einheitswährung - auf jeden Fall negative Realzinsen braucht (Stichwort: Finanzielle Repression), um den Euro weiter am Leben und die Eurozone (noch) irgendwie zusammenzuhalten.


    Daran (also an dieser Conclusio) hat sich nach meinem Dafürhalten auch nichts geändert. Im Gegenteil: Der Realzins ist so negativ, wie niemals zuvor (in meinem inzwischen recht langen Sparer- und Anlegerleben habe ich jedenfalls niemals negativere Realzinsen erlebt). Was ein Blick auf meine Tagesgelder bestätigt (zugegebenermaßen sog. Altbestände, da ich in dem Bereich kein Banken-Hopping betreibe): Die Konditionen bewegen sich dabei zwischen Null Prozent und 0,25% (im Tagesgeldbereich). Was bei der aktuellen Inflation einen rekordhohen negativen Realzins bedeutet.


    Selbst wenn nun jemand ständig nach den besten Zins-Angeboten Ausschau hält und auch permanent wechselbereit wäre - selbst dann würde der Realzins (schon vor Steuer und nach Steuer erst recht) trotzdem sehr weit im negativen Bereich bleiben.


    Für den Bürger, Sparer usw. macht es keinen Unterschied, ob er bei einer Inflation von 2 Prozent einen Zins von Null erhält oder bei einer Inflation von 8 Prozent einen Zins von 6 Prozent (de facto wird der Zinssatz - selbst bei mittelfristigen Festgeldanlagen - in praxi wohl deutlich unter den 6 Prozent liegen ...). Der reale Verlust ist in beiden Fällen bzw. Varianten "garantiert" (wobei bei dem nur nominal höheren Zins im Fall 2 noch dazu (höhere) Steuern anfallen). Aus makroprudentieller Sicht ist Variante 2 für die Finanzstabilität aber deutlich vorteilhafter, sowohl für Banken (Zinsmargengeschäft) als auch für Versicherer (und deren Solvenz, da die Assekuranzen nur nominale Versprechen, Garantien etc. abgeben, die bei Zinsen über Null deutlich leichter zu erfüllen sind, jedenfalls nominal).


    "Finanzielle Repression" funktioniert also mit einem Zins von Null und einer Inflation von zwei Prozent - aber ebenso (bzw. noch wirksamer) mit beispielsweise einem Zins von zwei oder drei Prozent und einer Inflation von fünf oder sechs Prozent. Mit dem Unterschied, daß die zweite Variante für Banken und Versicherer deutlich "angenehmer" sprich schonender ist und damit der Finanzstabilität insgesamt etwas förderlicher. Da Systemschutz schon lange Priorität vor Verbraucher- bzw. Sparerschutz hat, ist diese Entwicklung weiterhin (trotz der sog. "Zinswende") in sich kohärent.

  • Sovereign

    Natürlich ist die ECB an ALLEM Schuld. :rolleyes:

    Man sieht ja in anderen großen Volkswirtschaften, die weder den EURO als Währung haben oder unter dem Diktat der ECB stehen, dass es richtig rund läuft. Hohe Zinsen, paradiesische Zustände für Sparer und niedrige Inflationsraten überall auf der Welt, außer halt in der Eurozone.


    Und ja, die Inflation war bereits vor der russischen Invasion der Ukraine stetig am steigen. Der Krieg hat die Inflation dann weiter angeheizt.


    Wie erklärst Du Dir die hohen Inflationsraten in den USA? Das Land ist ja kaum von Energielieferungen aus Russland abhängig und trotzdem sind die Inflationsraten in etwas auf dem gleichen Niveau.:/ Und das obwohl doch die Zinsen in den USA höher sind als in der Eurozone.

    Möglicherweise ist es eben doch Alles viel komplexer als man in seiner eigenen Blase sehen mag.


    BTW: Meine Mutter freut sich über die Zinsen, obwohl Sie unter dem Strich natürlich Kaufkraft verliert. Aber das ist halt Kaufkraft, die Sie eh (voraussichtlich) nicht mehr braucht. Bei Ihr bleibt jeden Monat Geld von der Rente über und nun bekommt Sie sogar noch Zinsen dazu. Damit kann Sie merkwürdigerweise besser schlafen, als bei 2% Inflation und Null-Zinsen.

    Verrückt, aber so sind viele Menschen halt gestrickt.:D

  • Um die Realzinsen mal historisch einordnen zu koennen ist es m.M. hilfreich sich einfach die Daten von der Bundesbank anzusehen, da gab es schon oefter Phasen negativer Realzinsen, aber seit Mitte 2021 sieht es in der Tat nicht so rosig aus.


    https://www.bundesbank.de/de/s…e-auf-bankeinlagen-772412



    Im Prinzip konnte man aber auch waehrend der Euro Krise lange positive Realzinsen erhalten, wenn man eben nicht in deutsche Anleihen investierte, sondern eben griechische oder italienische:


    https://image.capital.de/32705…/renditespread-grafik.png


    War mir zu riskant, aber Moeglichkeiten die "Finanzielle Repression" zu umgehen gab es schon

  • Natürlich ist die ECB an ALLEM Schuld.

    Interessante Einlassung. Wo steht das ? Davon bzw. von "Schuld" ist in meinem Beitrag 24 keine einzige Silbe zu lesen ... ?!


    Das entspricht übrigens auch keineswegs meiner Sicht. Die Europäische Einheitswährung ist ein politisches Projekt. Es wäre daher logischerweise originäre Aufgabe der Politik gewesen, den Euro solide und nachhaltig tragfähig aufzustellen und auszugestalten. Die ist bedauerlicherweise gescheitert. So war leider die einzige Konstante beim Thema Euro der permanente Bruch der diesbezüglichen (eigenen !) EU-Verträge. Nur so wurde - nach dem Versagen der Politik und seit dem Ausbruch der Eurokrise - die EZB notgedrungen in die Rolle des letzten (und einzigen noch schnell handlungsfähigen) "Garanten für den Euro" sozusagen gezwungen. Das draghische "Koste es, was es wolle" ("Whatever it takes"), um den Euro zu retten (aus dem Jahr 2012) schon vergessen ? Ohne die massiven Eingriffe der EZB wäre damals schon "Game over" für die Einheitswährung gewesen.

    Und ja, die Inflation war bereits vor der russischen Invasion der Ukraine stetig am steigen.

    Allerdings. Und zwar auf das Doppelte bzw. Dreifache des von der EZB angestrebten Wertes (was nicht zuletzt auch der Corona-Krise samt den staatlichen Maßnahmen geschuldet war). Eine massive Inflation im Bereich der Vermögenspreise (Stichwort: Immobilien - um nur ein Beispiel zu nennen) war übrigens schon sehr lange vorher zu konstatieren.


    Man könnte auch sagen: Für das "explosive Luft-Gasgemisch" (massive Erhöhung der Geldmenge, Implementierung von Null- und Negativzinsniveau, daraus resultierender Anlagenotstand samt Fehlallokationen, Auseinanderfallen von Handlung und Haftung, Außerkraftsetzung der wichtigen Steuerungs- und Lenkungsfunktion des Zinses, Anreize zur Verschuldung usw. usw.) hat die EZB als "Nebenwirkung" (präziser Kollateralschaden) ihrer sehr langen und ultra-expansiven Geldpolitik gesorgt (gezwungenermaßen; zum Versagen der Politik in Sachen Euro s. o.). Dann brauchte es nur noch "Funken" (um im Bild zu bleiben), um das Ganze inflatorisch zu entzünden. Als ersten Funken kann man da die Corona-Krise sehen, als zweiten Funken den Ukraine-Krieg (zumal man sich im zweiten Fall bei verknapptem Energieangebot auch nicht unbedingt und nachdrücklich um eine (wenigstens temporäre) signifikante Erhöhung des Energieangebots bemüht hat).


    Die Schwäche des Euro (Wechselkurs) - aufgrund der vorangegangenen EZB-Geldpolitik - hat dabei in der Eurozone zusätzlich noch die sog. "importierte Inflation" befördert.


    Da ich häufig in der Schweiz bin: Nach meiner Beobachtung ist die Inflation dort viel niedriger und beträgt nur einen Bruchteil der hiesigen Inflation (Ende 2022 um die 2,8% meines Wissens). Dabei dürfte u. a. auch der stabile Schweizer Franken (Wechselkurs) eine Rolle spielen.

    BTW: Meine Mutter freut sich über die Zinsen, obwohl Sie unter dem Strich natürlich Kaufkraft verliert.

    Meine Nachbar freut sich auch ("endlich wieder Zinsen"), weil er gerade ein Festgeld für 2,5% abgeschlossen hat. Was daran (2,5% Zins vor Steuer bei 8 oder 9 Prozent Inflation) besser sein soll, als Null Prozent Zinsen bei zwei Prozent Inflation erschließt sich mir nicht ? Bei der zweiten Variante fährt mein Nachbar als Sparer nämlich besser (präziser: weniger schlecht).

    ... obwohl Sie unter dem Strich natürlich Kaufkraft verliert. Aber das ist halt Kaufkraft, die Sie eh (voraussichtlich) nicht mehr braucht.

    Das mag (unter Umständen) im Einzelfall altersbedingt so sein. Für sehr viele (die meisten) Menschen dürfte dies aber anders aussehen. Viele (die meisten) Menschen, die ich kenne, benötigen eher weiterhin ihre Kaufkraft (nicht wenige auch noch im Alter; Stichwort: Pflegebedürftigkeit - um nur ein Beispiel zu nennen).


    Um ein Patenkind (also einen jüngeren Menschen) zu zitieren: "Will mir in fünf spätestens 10 Jahren eine Wohnung in Frankfurt kaufen. Dazu muß ich jetzt auf sicherem Weg Mittel ansparen, um diese beim Kauf als Eigenkapital einsetzen zu können. Wie soll ich das in dieser Zinslandschaft angehen, wenn ich damit nur der Inflation hinterherspare ?". Eine berechtigte Frage. Und die junge Dame ist nicht mal besonders finanz-affin


    BTW: Meine Mutter ... Bei Ihr bleibt jeden Monat Geld von der Rente über ...

    Freut mich aufrichtig für Deine Mutter (wobei es ja bei nicht wenigen altersbedingt ab 70 oder 80 Jahren aufwärts zu einer Art "Ausgaben-Deflation" kommt; von dem Fall "Pflegekosten" mal abgesehen). Allerdings dürfte nicht jeder und jede in Deutschland eine auskömmliche Rente erhalten - und ist daher auf zusätzliche Einnahmen eher angewiesen bzw. auf den Erhalt der Kaufkraft seiner Ersparnisse.

    BTW: ... und nun bekommt Sie sogar noch Zinsen dazu.

    Wobei sie damit nun real aber mehr verliert, als bei Nullzinsen und zwei Prozent Inflation ...

    BTW: ... Damit kann Sie merkwürdigerweise besser schlafen, als bei 2% Inflation und Null-Zinsen.

    Das ist wahrhaft merkwürdig. Vielleicht dem (typisch deutschen ?) Denken in Nominalwerten geschuldet ?

    BTW: ... Verrückt, aber so sind viele Menschen halt gestrickt.

    Womit wir wieder bei meinem Nachbar angekommen wären, der von seinem 2,5% Zinsabschluß schwärmte (vor Steuer wohlgemerkt und bei einer Inflation > acht Prozent ...). Für meinen Teil bin ich jedenfalls so nicht gestrickt.


    Aus meiner Sicht ist es selbst um rudimentäres Finanz-Wissen (von Finanz-Bildung will ich in dem Kontext gar nicht sprechen) speziell in Deutschland nicht gut bestellt - um es ganz zurückhaltend zu formulieren. Da reicht schon ein Blick auf die im internationalen Vergleich niedrige Aktienquote und die niedrige Wohneigentumsquote (bei der Deutschland in der Eurozone regelmäßig auf den letzten Plätzen (oder sogar dem letzten Platz) landet).

  • Wie sieht demzufolge deine Vermutung für die nächsten 3 Jahre aus?

    Bei dem Ganzen Termingeld-Zinsgedöns fällt es mir immer sehr schwer ernst zu sein. Mich interessieren Zinsen nicht weiter, und Termingelder folglich auch nicht.


    Wenn du aber an den künftigen Entwicklungen interessiert bist, dann sieh dir bitte die Prognosen bis Anfang 2025 an. Jene decken sich so gar nicht mit den hier geäußerten Vermutungen ;)


    https://kursprognose.com/euribor-prognose

  • Um die Realzinsen mal historisch einordnen zu koennen ist es m.M. hilfreich sich einfach die Daten von der Bundesbank anzusehen, da gab es schon oefter Phasen negativer Realzinsen, aber seit Mitte 2021 sieht es in der Tat nicht so rosig aus.

    Es gab gewisse Phasen mit negativen Realzinsen, nur lagen diese dann mit 0,5 oder 1,0 Prozent bzw. maximal mit 2,0 Prozent im Minus - und nicht wie nunmehr mit sieben, acht oder neun Prozent im Minus (wenn man, wie in der Grafik, Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist als Referenzwert nimmt). Die Dimension ist also inzwischen eine ganz andere geworden.


    Dazu kommt: Früher konnte man mit dem Ausweichen auf längere Laufzeiten (sog. Illiquiditätsprämien) negative Realzinsen vermieden. Dies ist (nicht zuletzt aufgrund der massiven Eingriffe der EZB) schon lange nicht mehr möglich (dazu reicht schon ein Blick auf die Zinsstrukturkurve).

    Im Prinzip konnte man aber auch waehrend der Euro Krise lange positive Realzinsen erhalten, wenn man eben nicht in deutsche Anleihen investierte, sondern eben griechische oder italienische:

    Eine nach meinem Dafürhalten sehr "sportive" Sichtweise. Das wollten (teilweise oder überwiegend) während der Eurokrise nicht einmal mehr professionelle und/oder institutionelle Anleger (jedenfalls nicht zu einem Zinsniveau das diese Risiken im Fall Greece und Italy nicht annähernd kongruent abbildet). Ein Grund, warum die EZB eingesprungen ist mit ihren Billionen schweren Käufen von Staatsanleihen. Warum sollte ich also als privater Anleger so was kaufen, wenn sich damit selbst Profis und Institutionelle schwer tun ?

    War mir zu riskant, aber Moeglichkeiten die "Finanzielle Repression" zu umgehen gab es schon

    Mir auch.


    Habe früher durchaus z. B. auch italienische Staatsanleihen gekauft - da wurde aber dieses Risiko der Schuldentragfähigkeit Italiens und die Zurückzahlung der Anleihe in einer Weichwährung wie der italienischen Lira auch mit z. B. 15% Zins abgegolten. Dann kann man das (vielleicht) auch machen bzw. wagen.


    So gut wie alle Möglichkeiten der "Finanziellen Repression" (zumindest teilweise) zu entgehen sind letztlich mit gewissen Risiken verbunden. Ob ich nun meine Mittel in Aktien, Immobilien, Gold usw. oder tangible assets (wie Kunst, Oldtimer, Uhren usw,) schiebe, dürfte nur ein gradueller Unterschied sein.


    Es bleiben auf jeden Fall auch da "Risiken" bestehen. Der garantierte Verlust im Bereich der Nominalanlagen ist aber bei einer permanenten (Geld)Politik der "Finanziellen Repression" kein "Risiko" sondern sozusagen eben "garantiert".


    Was eine (kleine) Hoffnung dabei sein könnte: Die Preise für Vermögenswerte sind nicht zuletzt durch die Politik der EZB derart aufgeblasen, daß es für die Finanzstabilität im Euroraum sehr heikel sein dürfte, aus diesem Ballon sehr schnell die Luft abzulassen. Die EZB hat sich also in eine Lage gebracht (von der Politik bringen lassen), in der die EZB nicht nur auf die Inflation (nach den Verträgen eigentlich die Kernaufgabe der EZB) achten muß sondern auch auf die Schuldentragfähigkeit einzelner (hoch- und höchst) verschuldeter Länder sowie - last but not least - auch auf die Finanzstabilität insgesamt (ein Platzen der "Immobilienblase" beispielsweise entfaltet in aller Regel höchst unangenehmen Wirkungen auf die gesamte betroffene Volkswirtschaft).

  • dazu reicht schon ein Blick auf die Zinsstrukturkurve

    ... die in den USA auch ohne die EZB invers ist...


    Warum sollte ich also als privater Anleger so was kaufen, wenn sich damit selbst Profis und Institutionelle schwer tun

    Der Spread zu italienischen Staatsanleihen ist nicht zuletzt auch deshalb so gering, weil der Markt Italien nicht als BBB-Schuldner einstuft. Die Anleihen werden nicht als ausfallgefährdet wahrgenommen, solange die Währungsunion bestand hat – und deren Zusammenbruch ist zur Zeit wohl eher nicht eingepreist.

  • Der Spread zu italienischen Staatsanleihen ist nicht zuletzt auch deshalb so gering, weil der Markt Italien nicht als BBB-Schuldner einstuft.

    Um der Wahrheit die Ehre zu geben in Sachen italienischer Schuldentragfähigkeit (und soweit man bei Anleihekäufen in Billionenhöhe (!) der EZB überhaupt noch von einem "Markt" und damit Marktpreisen sprechen kann): Eher doch, weil ein sozusagen "EZB-Put" dahingehend besteht, bei diese Anleihen den Zins zu drücken - oder diese notfalls als EZB gleich selbst zu kaufen (siehe übrigens das erst jüngst verkündete neue EZB-Programm "TPI").

    Die Anleihen werden nicht als ausfallgefährdet wahrgenommen, solange die Währungsunion bestand hat – und deren Zusammenbruch ist zur Zeit wohl eher nicht eingepreist.

    Antwort siehe schon oben. Und die Währungsunion hat nur so lange Bestand, wie die EZB als letzter noch handlungsfähiger Garant dies gewährleistet (eigentlich wäre das Funktionieren der Einheitswährung originäre Aufgabe der Politik gewesen; siehe hierzu auch schon Beitrag 27 Abs.1). Das ist aber nicht Aufgabe der EZB sondern Kernaufgabe bzw. Mandat der EZB ist absolut prioritär für Preisniveaustabilität sprich Kaufkraftstabilität zu sorgen (siehe hierzu Art 119, Abs 2, Art 127 Abs. 1, Satz 1 sowie Art. 282 Abs. 2 AEUV - "vorrangiges Ziel" der Geldpolitik ist "Preisniveaustabilität").


    Es war aus meiner Sicht übrigens nie die Frage ob, sondern nur wann die beiden Ziele (das Ziel nach den EU-Verträgen = Preisniveaustabilität) und das neue Ziel, welches sich die EZB in Eigenermächtigung selbst gegeben hat (Dauerrettung des Euro bzw. Erhalt der Eurozone in der immer gleichen Zusammensetzung) miteinander in Konkurrenz oder sogar in Kollision geraten.


    Aufschlussreich war die semantische Veränderung im EZB-Sprech: Statt "stabilem Geld" iSv "Preisniveaustabilität" gemäß den EU-Verträgen war ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch das Wording Erhalt der "Stabilität der Eurozone" zu hören. Vereinfacht gesagt: Kein Land darf (r)ausfallen ("Whatever it takes" eben). Bei Notenbankern lohnt es sich - aus meiner Erfahrung - stets auf jedes Wort zu achten.


    Btw: Wie mir mal schon vor geraumer Zeit ein Händler sagte, "wir kaufen diesen (beispielsweise italienischen) Staatsanleihenschrott nur, weil wir wissen, wir können das im Notfall jederzeit an die EZB weiterreichen". Ergänzen würde ich: Dort wird es dann in die EZB-Bilanz verklappt und damit die Schuld sozusagen (via aller Steuerzahler in der EU) sozialisiert.


    Symptomatisch übrigens aus meiner Sicht: Als die Inflation letzten Sommer in der Eurozone historische Höchststände erreichte, hielt die EZB eine Notfall- bzw. Sondersitzung ab - nicht etwa wegen der Inflation, sondern wegen der Schuldentragfähigkeit Italiens wurde dabei ein neues (unbegrenztes !) Anleihekaufprogramm ("TPI") für den Fall der Fälle (wieder aufgehende Spreads) angekündigt. Damit ist nach meinem Dafürhalten so gut wie alles gesagt.


    Auch wenn ich nur über Grundkenntnisse der Geldpolitik bzw. der monetären Ökonomik verfüge: Unstrittig erfordert eine hohe Inflation Zinserhöhungen, um diese wirksam zu bekämpfen und damit eine geldpolitische Straffung (sog. Quantitative Tightning). Anleihekäufe einer Notenbank (noch dazu in unbegrenzter (!) Höhe) bedeuten aber eine massive geldpolitische Lockerung (sog. Quantitative Easing) und somit das exakte Gegenteil ! Das wäre in etwa so, als wenn ich bei meinem Auto auf die Bremse trete (geldpolitisch gesehen Zinserhöhungen) und mit dem anderen Fuß gleichzeitig voll auf das Gaspedal (geldpolitisch gesehen unbegrenzte Anleihekäufe). Wahrscheinlich muß man sein Gehalt von der EZB beziehen, um das zu begreifen ... Natürlich dürfte der (verständliche) Wunsch (aus Sicht der EZB) dahinterstehen, daß Italien (und auch andere hochverschuldete Länder) nicht aus dem Euro kippt. Nur: Genau dies (sprich für die Schuldentragfähigkeit eines Landes zu sorgen), also die sog. "Monetäre Staatsfinanzierung" ist der EZB nach den EU-Verträgen (siehe hierzu Art. 123 AEUV "Verbot der monetären Staatsfinanzierung") explizit untersagt. Aus guten Gründen und Erfahrungen der Finanzgeschichte übrigens.


    Für mich längst ein bißchen wie auf der Geisterbahn ...


    Spannend und auch ein bißchen gruselig ist es immerhin - für mein Geld wäre mir aber Solidität und etwas weniger Spannung (oder gar Horror) deutlich lieber. Und eine wettbewerblich- und marktwirtschaftlich aufgestellte EU und EZB ebenfalls.


    Da scheinen die Vorlieben und Geschmäcker aber verschieden zu sein. Immerhin: An die noch dazu eigenen (!) EU-Verträge (s. AEUV) sollte man sich getreu dem Motto "Pacta sunt servanda" und schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit wenigstens halten. Man könnte inzwischen fast den Eindruck gewinnen, die EU und die EZB glauben durch Aufgabe der Rechtsstabilität die Stabilität des Euro und der Eurozone erlangen zu können ...

  • Interessante Einlassung. Wo steht das ? Davon bzw. von "Schuld" ist in meinem Beitrag 24 keine einzige Silbe zu lesen ... ?!

    Sorry, aber Deine Platte springt halt immer an der selben Stelle.

    Ich glaube inzwischen hat JEDER hier verstanden, dass Du mit der EURO-Einführung nicht einverstanden warst. Du mußt hier dann auch nicht JEDES mal erklären, warum wieso und weshalb und welcher Vertrag nun wann und wo genau gebrochen wurde. WIR können es aktuell eh nicht ändern.

    Verträge werden überall und ständig gebrochen oder kreativ ausgelegt. Davon lebt sogar eine ganze Branche recht gut, habe ich gehört.


    Und ja, die Schweiz ist immer (d)ein gutes Beispiel, weil es ja auch die 'große' Volkswirtschaft in der Welt ist. Hey, Norwegen steht auch sehr gut da.

    Beide Länder mögen zwar vom BIP pro Kopf ganz weit vorn sein, insgesamt gehören Sie aber eher nicht zu den großen Volkswirtschaften dieser Erde.

    ... dazu reicht schon ein Blick auf die Zinsstrukturkurve ...

    Die USA lagen zwischenzeitlich auch bei einem negativem Realzins von über 6%. Gab es in den USA da auch noch nie (zumindest nicht seit 1990). Und welches Fazit ziehst Du jetzt daraus für die EURO-Zone?:/

    Auf konkrete Frage, warum Deiner Meinung die USA oder auch UK, die beide keinen EURO haben, ganz ähnliche Probleme haben, gehst Du (wie immer!) mit keinem Satz ein.

    Möglicherweise stehen große Volkswirtschaften vor ähnlichen Herausforderungen und streben dann auch ähnliche Lösungen an und die Herausforderungen zu meistern. Und zwar völlig unabhängig davon wie die Währung des jeweiligen Landes bzw. Wirtschaftsraumes konkret heißt.

    Und ob Deutschland als Land in Europa ohne den EURO als Währung nun besser dastehen würde als andere Länder der EURO-Zone ist eine rein hypothetische Frage. Wir haben halt aktuell den EURO und müssen damit Leben. Und wenn morgen was anders kommt, werden wir auch damit Leben lernen.

    Womit wir wieder bei meinem Nachbar angekommen wären, der von seinem 2,5% Zinsabschluß schwärmte (vor Steuer wohlgemerkt und bei einer Inflation > acht Prozent ...). Für meinen Teil bin ich jedenfalls so nicht gestrickt.

    Nun, ich bin auch nicht so gestrickt. Aber wozu soll ich meiner Mutter ständig vorrechnen, ob und wie viel Sie nun mit Ihren Ersparnissen an Kaufkraft verliert!?

    Dann kommt gleich wieder der Spruch: "Junge, Dein Opa hat seine Ersparnisse mehrfach in seinem Leben verloren. So gut wie Dir und mir ist es noch niemals jemandem in unserer Familie gegangen."

    Und ja, dagegen kann und will ich schwerlich argumentieren.:/

    Jede Generation hat Ihre individuellen Herausforderungen zu meistern. Und ich hoffe z.B. dass ich zu meinen Lebzeiten keinen Krieg mehr am eigenen Leib erleben muss. Wenn ich dafür heute die Garantie hätte, wäre mir das deutlich mehr Wert als ein real positiver Sparzins.

  • Verträge werden überall und ständig gebrochen oder kreativ ausgelegt.

    Hierzu möchte ich ergänzen, dass es sich insgesamt um völkerrechtliche Verträge handelt. Die sind tatsächlich anders zu interpretieren und haben eine andere Grundlage (z.B. ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge meistens anwendbar) als der 08/15-Kaufvertrag über ein Fahrrad oder Auto zwischen Privatpersonen.

  • Sorry, aber Deine Platte springt halt immer an der selben Stelle.

    Ich glaube inzwischen hat JEDER hier verstanden, dass Du mit der EURO-Einführung nicht einverstanden warst. Du mußt hier dann auch nicht JEDES mal erklären, warum wieso und weshalb und welcher Vertrag nun wann und wo genau gebrochen wurde. WIR können es aktuell eh nicht ändern.

    Danke!!!

  • Da ich aktuell stark eingespannt bin, erlaube ich mir nur einen Aspekt bzw. die letzten beiden Sätze Deines längeren Beitrages aufzugreifen.

    Und ich hoffe z.B. dass ich zu meinen Lebzeiten keinen Krieg mehr am eigenen Leib erleben muss. Wenn ich dafür heute die Garantie hätte, wäre mir das deutlich mehr Wert als ein real positiver Sparzins.

    Nur ganz allgemein und vorab: Meines Wissens sind in der Finanzgeschichte "stabiles Geld" und "Frieden" bzw. Kriegsfreiheit nicht zwingend miteinander verknüpft. Allein schon der (wohl theoretische) Ansatz "Aufgabe stabilen Geldes" gegen eine "Garantie für Kriegsfreiheit" (so denn für den Normalbürger überhaupt (aus)wählbar) erstaunt daher etwas. Wahrscheinlicher könnte sein, daß schlechtes Geld, hohe Inflation usw. bzw. eine Weichwährung oder eine Währungsunion ansonsten souveräner Nationalstaaten (Moral Hazard, Tragik der Allmende) sogar eher zu Streit, Unruhen etc. und/oder Auseinandersetzungen bzw. sogar feindseligen Aktionen der beteiligten Protagonisten führen (erinnere mich beispielsweise noch gut an die mit Hitlerbärtchen gekennzeichneten damals aktuellen deutschen Politiker iZm der Rettungspolitik und Plakaten auf Protestveranstaltungen während der Griechenland-Krise ab dem Jahr 2010; eigentlich undenkbar - die Währungsunion bzw. die Krise derselben hat das aber "möglich" gemacht ...). Statt eine Garantie für Frieden zu sein. Wie auch immer. Und das nur am Rande.

    Und ich hoffe z.B. dass ich zu meinen Lebzeiten keinen Krieg mehr am eigenen Leib erleben muss.

    Diesen Deinen verständlichen Wunsch kann ich gut nachvollziehen (da ich ähnlich denke - wobei ich mir dies nicht nur für mich sondern auch für möglichst viele andere Menschen erhoffe). Im Gegenzug zu dem oben Gesagten muß dies dann aber eingedenk Deiner (inhaltlichen und auch geographischen) Positionierung noch mehr erstaunen. Die besten Chancen (Garantien gibt es auch bei diesem Thema wie beim Thema Finanzen keine) bieten dann entweder neutrale Länder mit entsprechender Historie (Stichwort Schweiz - um ein Beispiel zu nennen) oder Länder, die wehrhaft sprich verteidigungsfähig sind ohne auf die militärische Hilfe von fremden Dritten angewiesen zu sein (Stichwort: USA - um auch hier nur ein Beispiel zu nennen). Deutschland bzw. die EU sind weder das Eine noch das Andere also weder neutral noch verteidigungsfähig ohne fremde Hilfe. Die Chancen für Deinen verständlichen Wunsch stehen also (inhaltlich und geographisch) ausgerechnet da, wo Du Dich befindest, mit am schlechtesten.


    Um auch da einen kurzen aber ganz aktuellen Realitätsbezug herzustellen: Wäre die Ukraine von der militärischen Hilfe Deutschlands und/oder der EU abhängig, wäre dort längst Game over. Im Klartext: Ohne die militärische Hilfe der USA gäbe es die Ukraine bereits nicht mehr (jemand, der sich mit diesen Dingen recht gut auskennt, nannte im persönlichen Gespräch einen Faktor von etwa 10 im Verhältnis der Relation der Hilfen (von A wie Aufklärung angefangen) USA versus EU in Sachen Ukraine.


    Auf den ein oder anderen Punkt Deines Beitrages 32 kann ich vielleicht später einmal zurückkommen. Nur so viel schon

    WIR können es aktuell eh nicht ändern.

    Diese Deine (aus meiner Sicht ziemlich fatalistische) Einlassung (im Kontext mit den permanenten Brüchen der diesbezüglichen EU-Verträge siehe AEUV) teile ich eher nicht. Man kann (man sollte sogar aus meiner Sicht) es zumindest thematisieren anstatt es totzuschweigen. Und zwar genau so lange, wie es auch immer weiter stattfindet. Zudem kann man für sich selbst immer versuchen, etwas zu ändern. Man kann damit dann (wahrscheinlich) nicht den Euro retten - aber sich und seine finanziellen Mittel vielleicht wenigstens vor dem Euro retten. Ähnliches dürfte vor dem Hintergrund der gewünschten Kriegsfreiheit gelten. Darauf kann man als Bürger und Wähler versuchen ein- und hinzuwirken. Gelingt dies nicht in ausreichendem Maße könnte ein alternativer Standort nach obigen Kautelen (neutral oder verteidigungsfähig iSv "si vis pacem para bellum") ein sinnvoller Ansatz sein. Versuchen zu ändern kann man also immer etwas sowohl in Sachen Euro als auch in Sachen Kriegsfreiheit (jedenfalls die Wahrscheinlichkeiten betreffend).


    Jetzt ruft wieder die Arbeit. Auf jeden Fall will ich nämlich vermeiden, daß meine Lebenspartnerin irgendwann ähnliche Worte spricht wie Jenny Marx (die Ehefrau von Karl Marx), weil ich mich zu viel in einem Internet-Forum herumgetrieben habe ...


    "Ich wünschte, daß mein lieber Karl mehr Zeit damit verbracht hätte, Kapital anzuhäufen statt nur darüber zu schreiben"

    (Jenny Marx 1814-1881)