Grundsteuerwertbescheid verspätet zugestellt - Frist für Widerspruch dadurch verkürzt?

  • Liebe Finanzprofis,


    ich gehöre zu den wenigen Berliner Bürgern, die ihren Grundsteuerfeststellungsbescheid fristgerecht abgegeben hatten. Wie immer, wenn es um Geldeinnahmen geht, haben die Berliner Behörden sehr fix reagiert: gestern erhielt ich vom Finanzamt bereits den Grundsteuerwertbescheid.


    Zunächst war ich ratlos, habe recherchiert und den super Finanztip-Artikel zum Thema entdeckt mit dem Tipp, erst mal alles genau zu prüfen. Ich nahm mir den Bescheid vor und wurde schon nach einer Sekunde auf dem Umschlag fündig: Hier und auf dem Anschreiben ist als Datum der 23.02.2023 angeben, obwohl das Schreiben erst am 07.03.2023 zugestellt wurde!


    Das ist doch der Hammer, oder? Was bedeutet das jetzt für die Widerspruchsfrist? Wie soll ich beweisen, dass ich den Brief erst so spät bekommen habe? Und was mich ebenfalls brennend interessieren würde: Hat das Ganze womöglich System? Wurden Eure Bescheide auch verspätet zugestellt?


    Gespannt auf Eure Antworten ist

    Papiertiger

  • Selbst bei Datum 23.2.23 hast du bis 27.3.23 Zeit Einspruch einzulegen.


    Ansonsten gilt es das tatsächliche Eingangsdatum irgendwie zu dokumentieren, dann verlängert sich auch die Einspruchsfrist. Um aber keinerlei Risiko einzugehen, kannst du bereits jetzt Einspruch einlegen und schreiben , dass du die Begründung nachreichst.

  • Theoretisch verlängert sich deine Einspruchsfrist dadurch (07.03.23 + 4 Wochen), wobei du den späteren Zugang belegen musst.


    Aber ob du nun ohne eine Begründung zum 27.03.23 oder zum 04.04.23 Einspruch einlegst, das ist gehüpft wie gesprungen. Streiten würde ich mich deswegen nicht.

  • Klar sind das nur ein paar Tage Unterschied - doch es gibt sicher auch Immobilienbesitzer, für die dieser kleine Unterschied relevant sein könnte, weil sie durch eine so starke Fristverkürzung die Möglichkeit zum Widerspruch verlieren.


    Auf jeden Fall stellt sich die Frage, WARUM das Amt nicht dafür sorgt, dass so ein wichtiges Schreiben fristgerecht zugestellt wird. Luftweg vom Finanzamt zu meinem Haus sind ca. 2 km - Zustelldauer 13 Tage. Das ging im Mittelalter sicher schneller!


    Papiertiger

  • Auf jeden Fall stellt sich die Frage, WARUM das Amt nicht dafür sorgt, dass so ein wichtiges Schreiben fristgerecht zugestellt wird.


    -> Tja, könnte an den 36 Mio. gleichgelagerten Fällen liegen? Oder an der Berliner Post.


    Luftweg vom Finanzamt zu meinem Haus sind ca. 2 km - Zustelldauer 13 Tage.


    -> Berlin halt.


    Das ging im Mittelalter sicher schneller!


    -> Nicht in Berlin.


    Ernsthaft:


    Für die Prüfung von 20 Zahlen und ggfls. einen "Einspruch mit Begründung folgt" benötigt man auch in Berlin bestenfalls 20 Minuten. Außerdem hast du ja nicht nur 4 Wochen sondern sogar einen ganzen Monat Zeit dafür.

  • Wenn Du dem Amt Deine Fax-Nummer mitteilst, oder der Finanzbeamtin, die das Schreiben persönlich vorbeibringt, einen Latte Macchiato versprichst (z.B. in dem Du ihr ein Bild davon zufaxt), dann geht es in Zukunft vielleicht schneller ;)


    Luftweg vom Finanzamt zu meinem Haus sind ca. 2 km - Zustelldauer 13 Tage.

    Wenn ich auf einen Steuerbescheid vom Finanzamt warte, dann laufe ich auch immer die Straße in Richtung Finanzamt in der Hoffnung, dass der Brief vielleicht schon die halbe Strecke geschafft hat und ich ihn früher entgegennehmen kann...


    So, gut jetzt, Ironie wieder aus :)

  • ... wobei du den späteren Zugang belegen musst. ...

    Nein, im Streitfall muss die Verwaltung nachweisen, wann der Bescheid zugegangen ist. Dazu gibt es klare Rechtsprechung sowohl des BFH als auch des BVerwG. Gleichermaßen einfache wie einleuchtende Begründung: Die Verwaltung kann ja förmlich zustellen, macht sie es nicht, weil sie 2,65 € sparen will, dann trägt sie das Risiko.


    Grundsätzlich gilt ein mit einfachem Brief übersandter Bescheid drei Postzustellungstage nach Aufgabe zur Post als zugegangen. Es sei denn, der Empfänger beruft sich darauf, dass der Bescheid tatsächlich erst später zugegangen ist. Dann gilt das Datum des tatsächlichen Zugangs.


    Aber es lohnt sich in dem geschilderten Fall wirklich nicht, es darauf ankommen zu lassen. Es ist ja nicht schwer, den Satz zu Papier zu bringen, dass Einspruch gegen den Bescheid eingelegt wird. Und wenn der Einspruch erstmal innerhalb der Frsit eingegangen ist, bleibt danach ausreichend Zeit, ihn nach eingehender Prüfung entweder wieder zurück zu nehmen (kostet nichts) oder zu begründen (kostet soweit auch noch nichts).

  • Nein, so einfach ist das nicht. Um das Finanzamt in die Beweislast zu bringen, musst du m.E. die Zugangsvermutung (3 Tage Regel) erschüttern und hierfür substantiert Tatsachen für die Behauptung der verspäteten Zustellung vorlegen.


    Wenigstens den Brief mit Datumsstempel solltest du vorlegen, was ja hier kein Problem ist.

  • Briefe vom Finanzamt haben keinen Poststempel. Die Finanzverwaltung ist Großkunde bei der Post und liefert unfrankiert zum Pauschaltarif ein. Das "erschüttern" der Zugangsfiktion sieht so aus, dass der Empfänger versichern muss, das Schreiben erst später erhalten zu haben. Dann liegt die Beweislast bei der Verwaltung. Im übrigen scheitert die Zugangsfiktion sogar schon daran, dass das Finanzamt nicht einmal das Datum der Aufgabe zur Post belegen kann, denn die führen schon lange keine Postausgangsbücher mehr.