Verjährung Urteil aus Bürgschaft

  • Hallo,


    folgendes Problem ärgert mich seit mehr als 30 Jahren:
    im Jahr 1978 habe ich zu Gunsten einer Bank für einen Kredit meiner Eltern gebürgt.
    Mit Urteil im Jahre 1986 bekam die Bank durch ein Urteil eines LG Recht und versucht seitdem, bei mir zu pfänden, mangels Masse musste ich deshalb in regelmäßigen Abständen die Vermögensauskunft abgeben.
    Nach § 197 BGB gibt es die 30-jährige Verjährungsfrist, demnach wäre am 1.1.2017 Verjährung eingetreten. Allerdings beginnt nach § 212 BGB die Verjährung bei einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung von vorn - somit tritt wg. der Pfändungen bei mir nie eine Verjährung ein.


    In all den Jahrzehnten habe ich immer wieder Informationen zu meinem Problem gesammelt, sei es Im Fernsehen, Internet oder Zeitschriften. Auch verschiedene Juristen habe ich befragt, mit dem Ergebnis, das diese zu völlig verschiedenen Meinungen kommen: Die Einen meinen, es sei richtig, dass die Verjährung immer wieder bei einer Pfändung neu beginnt, die Anderen vertreten die Auffassung, § 212 gilt nur für die 3-jährige Verjährungsfrist, nicht aber für die 30-jährige nach § 197.


    Meine Frage ist also, ist die 30-jährige Frist endgültig, oder kann sie durch Vollstreckung unterbrochen werden?


    Für begründete Antworten wäre ich sehr dankbar.


    Übrigens: Gegenüber der ursprünglichen Bürgschaft verlangt die Bank heute wg. Zinsen und Gebühren das 6-fache, außerdem ist die Bank seit 1984 pleite!

  • Um was für ein Urteil handelte es sich genau?
    Ist dieses auch tatsächlich rechtskräftig?
    Wo haben Sie gebürgt, d.h. wem gehörten die Räume, in denen Sie die Bürgschaft unterschrieben haben?
    Haben Sie vollumfänglich gebürgt?
    Haben Sie zeitlich unbegrenzt gebürgt?
    Waren Sie volljährig?


    :?:

  • Ergänzung:
    Ungeachtet etwaiger Urteile:
    Wie war Ihre finanzielle Situation damals?
    Wie hat sich diese Situation aus damaliger Sicht (!) entwickelt?-> War objektiv absehbar, das Sie die Schuld nie werden bezahlen können?
    Besteht die Hauptforderung noch? In voller Höhe?
    Haben Ihre Eltern jemals mit der Bank Verhandlungen geführt und wie gingen diese aus?
    Haben Sie als Bürge in dieser Zeit jemals etwas gezahlt?


    Außerdem: Wenn die Bank wirklich "Pleite" war, dann ist das Insolvenzverfahren (damals gab es auch noch den Konkurs!) längst abgeschlossen. Gibt es einen Rechtsnachfolger? Hat der die Forderung gerkauft? Oder abgetreten?
    Wann war das?
    :?:

  • Sicher könnte ich das damalige Urteil anfechten, die z.Zt. beste Möglichkeit aber aus dieser Sache heraus zu kommen wäre die Verjährung nach § 197 BGB, denn die 30 Jahre sind fast um. Bei Beantwortung obiger Fragen hätte ich nach heutiger Rechtssprechung sicherlich gute Chancen, aus der Sache heraus zu kommen, müsste dann aber einen Prozess führen.
    Meine einzige Frage ist, wie in meinem Eingangsbericht schon geschrieben, ist die Verjährung nach 30 Jahren endgültig und kann nicht mehr gehemmt werden?
    Wegen der Bank: Mal bei Google "Hammer Bank" eingeben.

  • So wie Sie es oben schildern handelt es sich um einen "titulierten Anspruch", d.h. die Bank bzw. der Insolvenzverwalter oder der Rechtsnachfolger der Bank hat gegen Sie ein Urteil erstritten, dass Sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden.


    Wie Sie richtig erkannt haben, gilt für Ihren Fall § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Das bedeutet 30-jährige Verjährungsfrist.
    Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 201 Satz 1 BGB mit der Rechtskraft des Urteils.


    Das Urteil ist rechtskräftig, wenn die Frist für die Berufung abgelaufen ist. Diese beträgt gem. § 517 ZPO einen Monat.


    Also sollten Sie sich erst einmal das Urteil von damals raussuchen, nachlesen, wann es Ihnen zugestellt wurde, und von diesem Tag dann 30 Jahre hinzurechnen. (Damit dürfte nicht der 01.01.2017 der Stichtag sein, denn ich glaube nicht, dass Ihnen das Urteil genau am 30.11.1986 zugestellt wurde.)


    So - und wenn Sie diesen Verjährungstermin so berechnet haben, dann müssen Sie nur abwarten...
    Natürlich kann die Gegenseite Ihnen kurz vor Ablauf der Verjährung noch eine Pfändung zustellen.
    Aber wenn die - wie bisher - fruchtlos bleibt, hat dies keinen Einfluss auf die Verjährung des Urteils.

  • So ist es. Es handelt sich um einen titulierten Anspruch durch Urteil vom 15.10.1986, somit tritt die Verjährung ein am 16.11.1986.
    Und ich habe richtig verstanden: Diese Verjährung kann nicht durch Pfändung(-sversuch) gehemmt werden.
    Wenn das so wäre, würde mir ein Felsbrocken vom Halse fallen!

  • Ob es für diese Konstellation ein Gerichtsurteil gibt, weiß ich nicht.
    (Ich könnte es recherchieren, da ich Zugriff auf die juristischen Datenbanken habe - allerdings müssten Sie mir den Zeitaufwand bezahlen.)


    Was ich geschrieben habe, ist meine Auslegung der einschlägigen Vorschriften.


    Gelegentlich muss man sich als Jurist den Sinn der Gesetze vor Augen führen. Wir sprechen dann von der "teleologischen Auslegung" (telos = Zweck des Gesetzes). Der Zweck der Verjährung ist unter anderem der "Rechtsfriede". Irgendwann muss Schluss sein, dass der Schuldner immer wieder in Anspruch genommen wird.


    Diese Frist bestimmt § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit 30 Jahren für rechtskräftig festgestellte Ansprüche.
    Die Vorschriften über eine Hemmung der Verjährung (§§ 203, 204, 205, 206, 207, 208 BGB) betreffen Ansprüche,
    die noch nicht gerichtlich ausgeurteilt wurden.


    Der Sinn dieser Vorschriften besteht darin, dass für den Gläubiger der Zeitraum verlängert wird, während dem ihm noch der Gang zu Gericht offenstehen soll. Es soll nicht so sein, dass der listige Schuldner den geduldigen Gläubiger durch langwierige Verhandlungen über den Verjährungszeitpunkt hinaus hinhält, um ihm dann später "eine lange Nase zu drehen". Denn wenn Verjährung eingetreten ist, kann der Schuldner diese Einrede erheben und selbst wenn der Gläubiger recht bekommt, kann er seinen Anspruch wegen Verjährung nicht mehr durchsetzen.


    In Ihrem Fall liegt die Sache anders. Ganz offensichtlich leben Sie seit knapp 30 Jahren so bescheiden, dass bei Ihnen "nichts zu holen ist". Ein Gang zu Gericht brauchen Sie nicht hinaus zu zögern, denn das Verfahren hat längst stattgefunden. Der Anspruch ist tituliert. Aber der Titel ist nichts wert, weil Sie nichts Pfändbares haben.


    Es bewahrheitet sich die alte Volksweisheit: einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche fassen.


    Der Titel gegen Sie würde werthaltig werden, wenn Sie jetzt vielleicht durch Erbschaft, Lottogewinn, Abfindung oder ähnliches überraschende Wendungen zu Vermögen kommen sollten. Dann könnte der Gläubiger auch aus einem 29 Jahre alten Titel noch vollstrecken. Aber wenn nichts dergleichen passiert, dann ist der Titel am 16.11.2016 endgültig wertlos.


    So sehe ich es jedenfalls.


    Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass Sie Ihr Leben lang niemals aus der Schuldner-Lage herauskommen, weil sich die Verjährung immer wieder verlängert. Genau das will der Gesetzgeber jedoch nicht. 30 Jahre "eine arme Sau" ist wahrlich genug.

  • Ich bin juristisch nicht so gut geschult wie @muc und ich bin auch der Meinung, dass nach 30 Jahren "Armut" mal Schluss sein muss, aber es gibt durchaus auch Stimmen in der Literatur und vor allem von Inkassounternehmen, dass § 212 BGB eine "lebenslange Haftung" ermöglicht, dazu soll nur ein Vollstreckungs-/Pfändungsversuch über einen Gerichtsvollzieher schon ausreichend sein, auch wenn er erfolglos bleibt.


    Ich sage nicht, dass das meine Meinung ist, aber soweit ich weiß, war das Thema noch nie Gegenstand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung (eigentlich komisch) und von daher kann der Blick in einen BGB Kommentar sicherlich gut sein (habe leider keinen) aber Rechtssicherheit bekommt man dadurch auch nicht.


    Ich meine der Gesetzeswortlaut spricht dafür (lebenslange Haftung), und teleologische Reduktion ist so eine Sache: Man kann genauso sagen die 30 Jahre sind eine lange Zeit, wenn da gar nichts passiert kann man davon ausgehen, dass man Schuldenfrei ist weil der Gläubiger jetzt nichts mehr macht/machen darf. Wenn ich innerhalb dieser 30 Jahre jedoch immer wieder angemahnt/gepfändet werden etc. dann kann ich davon eben nicht ausgehen...

  • Lieber @RaphaelP,


    ich habe den Kommentar (Palandt) gewälzt. Dort gibt es zu der Frage der Verlängerung der 30-jährigen Frist nur einen Hinweis auf § 201 BGB (Palandt/Ellenberger § 198 Rn. 1).


    Dort heißt es wiederum:


    Droht bei einer titulierten Forderung der Ablauf der Verjährungsfrist, ist zur Sicherung des Anspruchs eine (erneute) Feststellungsklage zulässig, ein Feststellungsinteresse ist aber nur gegeben, wenn andere Möglichkeiten fehlen, einen Neubeginn (eine Hemmung) der Verjährung zu erreichen (s. BGH 93, 287, NJW-RR 03, Hbg FamRZ 82, 526).
    (Palandt/Ellenberger § 201 Rn. 2).


    Das heißt:


    1. Eine Vollstreckungshandlung reicht nicht aus! Der Gläubiger müsste erneut Feststellungsklage erheben.
    Wobei mir vorliegend zweifelhaft erscheint, ob ein Feststellungsinteresse besteht.


    2. Auf § 212 BGB wird hier nicht verwiesen. Mir leuchtet das auch ein. In § 212 BGB geht es gerade um nichttitulierte Forderungen! Das wird erkennbar aus § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB: dort wird der Neubeginn der Verjährung festgestellt, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt (z.B. durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Schuldanerkenntnis). Dieselbe Wirkung soll nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch eine Vollstreckungshandlung haben.
    Aber nochmals: diese Wirkung setzt eine noch nicht ausgeurteilte Forderung voraus.


    Ich habe mir jetzt aus Zeitgründen nicht die Mühe machen können, die im Palandt angegebenen Quellen (BGH 93 usw.) zu prüfen. Da müsste ich meinen Zeitaufwand berechnen. Aber ich denke, @beta112 muss einfach noch eineinhalb Jahre warten - dann wird er Ruhe haben.