Finanz-Fiasko: Jährliche Verteuerung Haftpflichtversicherung

  • Hallo liebe Community,


    ich bin grundsätzlich ein treuer Mensch. Wenn mir jemand etwas gutes tut, dann versuche ich diese gute Tat zurückzugeben. Bei Finanztip haben wir erst vor kurzem reflektiert: Treue bringt bei Anbietern nichts. Im Gegenteil - nur wer regelmäßig kündigt, ist immer wieder Neukunde. Und die haben es wesentlich besser.


    In guter Finanztip-Manier habe ich mir deswegen vorgenommen, diese Strategie in die Praxis umzusetzen. Einer der Angriffspunkte: meine Haftpflichtversicherung. Die Police habe ich bereits seit 9 (!) Jahren. In all der Zeit hatte ich nie einen Schadensfall. Trotzdem wurde mit jedem neuen Jahr der Beitrag merklich erhöht. Aus Bequemlichkeit habe ich die Police laufen lassen, denn so hatte ich ja keine Mühe: Ich musste nicht kündigen und mich damit auch nicht mit der Versicherung auseinandersetzen. Die falsche Entscheidung! Zu guter letzt war der Jahresbeitrag bei über 90 €.


    Das Kündigungsschreiben habe ich abgeschickt, aber seit einem Monat nichts mehr zurückgehört. Der Frustrationslevel steigt... und mit ihm meine Überzeugung, dass es richtig ist, zu gehen.


    Sollten Versicherer den Beitrag einfach so jedes Jahr erhöhen können (z. B. wegen Inflation)? Oder sollte es eine "Schonfrist" oder vielleicht sogar einen "Langzeitbonus" geben?

  • Ach @Franziska,


    ich verstehe ja, dass es Ihr Job ist, die Diskussion der Community in Schwung zu bringen. Und ein Moderator kann nicht von allen Themen vertiefte Ahnung haben. Hier geht die Stossrichtung aber gründlich daneben. Man kann m.E. viele kritische Fragen zu einzelnen Handlungen oder Unterlassungen der Versicherungsunternehmen stellen, die Beitragsanpassung in der Privathaftpflichtversicherung ist aber systemnotwendig.


    Ich will es versuchen zu erklären:
    Sicherlich bezahlt den einzelnen Schaden "Der Versicherer". Alle Schäden bezahlen aber alle Versicherungsnehmer. Die Versicherungsunternehmen schaufeln das Geld letztendlich nur um. Ein kleiner Teil (manche meinen ein zu großer) bleibt für das Unternehmen übrig.
    Um es an Ihren 90 EURO Prämie pro Jahr einmal zu demonstrieren (alle Zahlen gerundet):
    - 17 Euro (19%) gehen als Versicherungssteuer in den Staatshaushalt, kommen also beim Versicherer nicht an;
    - von den verbleibenden 73 Euro fließen rund 60% in die Schadenzahlungen und 40% in die Betriebskosten und Gewinn;
    - rund 44 Euro bleiben pro Jahr von Ihrer Versicherungsprämie für Schadenzahlungen übrig.


    Vieviel Jahre müssen Sie Prämie zahlen, um einen Sachschaden von 5.000 Euro abgedeckt zu haben oder die Kosten von 2 Mio. Euro für eine querschnittsgelähmte Mutter nach einem von Ihnen verursachten Unfall.? Oder anders gefragt, vieviele Versicherungsnehmer müssen ihr ganzes Leben lang treu Prämie zahlen und keinen einzigen Schaden haben?


    Nun verteuert sich das Leben über die Jahre, wissen wir alle. Gegenstände und medizinische Leistungen werden teurer. Und in manchen Jahren steigen auch die Schadenmeldungen. Um nun nicht jedes Jahr mit jeden Versicherungsnehmer neu über die notwendige Prämie reden zu müssen, haben die im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisierten Versicherungsunternehmen sich auf ein Verfahren der automatischen Prämienanpassung geeinigt, dass in der GDV- Empfehlung folgendermaßen lautet (AHB-2012):


    "15.2 Ein unabhängiger Treuhänder ermittelt jährlich mit Wirkung für die ab dem 1. Juli fälligen Beiträge, um welchen Prozentsatz sich im vergangenen Kalenderjahr der Durchschnitt der Schadenzahlungen aller zum Betrieb der Allgemeinen Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherer gegenüber dem vorvergangenen Jahr erhöht oder vermindert hat. Den ermittelten Prozentsatz rundet er auf die nächst niedrigere, durch fünf teilbare ganze Zahl ab. ..."


    und


    "15.3 Im Falle einer Erhöhung ist der Versicherer berechtigt, im Falle einer Verminderung verpflichtet, den Folge-jahresbeitrag um den sich aus Ziff. 15.2 ergebenden Prozentsatz zu verändern (Beitragsangleichung). Der veränderte Folgejahresbeitrag wird dem Versicherungsnehmer mit der nächsten Beitragsrechnung bekannt gegeben..."


    Sie sehen, Ihre regelmäßige Prämienerhöhung ist keine Willkür sondern ein standardisiertes und nachprüfbares Verfahren.


    Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Versicherungsnehmer bei Prämienerhöhung ein Sonderkündigungsrecht hat. Ich würde nicht empfehlen, nur wegen der Prämienerhöhung zu kündigen - die anderen Versicherer erhöhen meistens auch die Prämie - aber anlässlich dessen den Versicherungsschutz zu überprüfen, ob er noch zu meinen Lebensverhältnissen passt. Und wenn nicht, ist es ein guter Anlass, einen Vertrag mit besserem Preis-/Leistungs- Verhältnis abzuschließen.


    Gruß Pumphut

  • Hallo Pumphut,


    bin ich eine Expertin auf allen von Finanztip abgedeckten Themen und habe nicht Weisheit mit dem Löffel geschluckt? Sicherlich nicht, aber ich lerne erfreulicherweise jeden Tag von den Kollegen und Mitgliedern hier dazu ^^


    Denke ich als Kundin wie eine Branchenexpertin? Aus den nachvollziehbaren monetären Gründen nicht.


    Das soll nicht heißen, dass ich kein Verständnis für beide Seiten habe. Im Gegenteil: Nur wenn Unternehmen wirtschaftlich arbeiten, können Sie Steuern zahlen, weitere Menschen beschäftigen, etc. Auf der anderen sind die Kunden bzw. Abnehmer: Ihnen geht es um möglichst geringe Ausgaben. Diese Interessen zu harmonisieren ist nicht einfach. Ihre Berechnung (vielen Dank für die Details!!!) zeigt, dass auch und gerade Versicherungsunternehmen wirtschaftlich denken müssen und dass das bei Schadensfällen mit hohen Summen mehr als eine Herausforderung ist. Und so erleben wir im Ernstfall auch die gesamte Bandbreite von Reaktionen: Vom verständnisvollen Versicherer, der sofort zahlt, bis hin zu den "bösen Buben", die im Berufsunfähigkeitsfall ohne Gerichtsbeschluss keine Leistung gewähren.


    Der Vollständigkeit halber hätte ich hinzufügen sollen, dass die Kündigung auch sehr stark von dem breiteren Leistungskatalog vieler neuer Tarife motiviert war und ich mich jetzt viel besser damit auseinandersetzen kann als als Abiturientin. Damit haben Sie vollkommen recht! Die Einsparung ist, so gesehen, nur das nette Extra.


    In der Zwischenzeit wurde übrigens die Bestätigung meiner Kündigung auf meine Nachfrage hin erneut geschickt - sie muss in der Post verloren gegangen sein. Dem Wechsel steht damit nichts mehr im Weg.