Umsatzsteuerabsenkung für Gas

  • Hallo,


    vom 01.10.2022 bis 31.03.2024 ist die Umsatzsteuer für Erdgas (und Fernwärme) von 19 auf 7% reduziert. Der Übergang zum Anfang liegt hinter uns, der zum Ende vor uns und da lauern einige Fallstricke. Wenn ich das Informationsschreiben des BMF https://www.bdew.de/service/pu…r-2022-bis-31-maerz-2024/ richtig lese, steht es vollkommen im Ermessen des Lieferanten, ob er bei der Jahresabrechnung nach dem 31.03.2024 die Scheibenmethode oder die Stichtagsmethode anwendet.


    Meine Kurzerklärung


    Scheibenmethode: Der Verbrauch wird aufgeteilt auf den bis zum 31.03.2024 und den danach. Der vorher wird mit 7% belastet, der nachher mit 19%. Beispiel: Abrechnungszeitraum 01.05.2023 bis 30.04. 2024; Gesamtverbrauch 18.000 kW. Bei linearer Aufteilung würden 16.500 kW mit 7% bepreist und 1.500 kW mit 19%.


    Stichtagsmethode: Der Gesamtverbrauch des letzten Abrechnungsjahres wird zum Stichtag mit 19% belastet. Also im Beispiel 18.000 kW zum 30.04.2024 mit 19%.


    Die Regelungen gelten sowohl für den Arbeits- als auch den Grundpreis. Bei einem Grundpreis z.B. von 15 €/M netto und einem Arbeitspreis von 8 ct/kWh netto ergibt sich für das Beispiel immerhin ein Unterschied von 178,20€.


    Meine Fragen in die Runde:


    Interpretiere ich das BMF- Schreiben richtig?


    Falls ja, gibt es Erfahrungen oder Informationen, wie sich die Gasanbieter entscheiden werden? (Finanziell ist es für die Firmen egal. Aber die Scheibenmethode bedeutet einen höheren Abrechnungsaufwand.)


    Gruß Pumphut

  • Steuerrechtlich steht es im Ermessen des Steuerpflichtigen, also des Versorgers, wie er verfährt. Die Finanzverwaltung akzeptiert beides.


    Der Kunde hat aber in einer laufenden Vertragsbeziehung nach § 29 UStG einen zivilrechtlichen Anspruch darauf, dass der Versorger die Minderbelastung an ihn weitergibt. Dann stellt sich die weitere Frage, ob der Versorger auch verpflichtet ist, unter den von der Finanzverwaltung gewährten Optionen, die zu wählen, die für den Kunden am günstigsten ist. Das ist zumindest der Sinn des § 29 UStG, der Endverbraucher soll nur das bezahlen müssen, was der Staat seinem Lieferanten auferlegt. Ansonsten wird man mit § 242 BGB ("Treu und Glauben") argumentieren können und müssen. Dem Versorger kann es egal sein, wie er die Umsatzsteuer abrechnet, er hat so oder so weder Vor- noch Nachteile. Der mit der Verbrauchssplittung verbundene Aufwand dürfte auch kein Argument sein, denn eine solche Splittung muss auch aus anderen Gründen vorgenommen werden, so dass der Versorger darauf eingestellt sein muss und es in der Praxis auch ist. Wenn es also für den Versorger egal ist, wie er die Steuer abrechnet, ist er nach Treu und Glauben verpflichtet, so zu verfahren, wie es für seinen Kunden am günstigsten ist.


    So etwa wird die Argumentationslinie sein müssen. Wobei ja Erfahrungn aus der vorübergehenden Absenkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16% bestehen. Da galten die gleichen Ausführungsregelungen. Probleme gab es da aus Verbrauchersicht eigentlich nur mit diversen kommunalen Versorgern. Treu und Glauben oder verbraucherfeundliches Verhalten sind für die halt Fremdworte, die sie nie gelernt haben.

  • Hallo,

    Probleme gab es da aus Verbrauchersicht eigentlich nur mit diversen kommunalen Versorgern. Treu und Glauben oder verbraucherfeundliches Verhalten sind für die halt Fremdworte, die sie nie gelernt haben.

    Wenn ich mir die Stellungname des VKU https://www.vku.de/themen/fina…as-und-waermelieferungen/ ansehe, werden die kommunalen Versorger wohl das Stichtagsmodell anwenden.


    Das bedeutet für alle Verbraucher, die in den nächsten Monaten zu einem kommunalen Versorger wechseln wollen, sie sollten die angegebenen Preise gleich auf 19% Umsatzsteuer hochrechnen und vergleichen, ob der neue Versorger immer noch günstiger ist.


    Ein ungutes Gefühl bei den anderen bleibt, ob sie wirklich verbraucherfreundlich handeln werden. Und eine Klage wegen Beträgen im unteren dreistelligen Bereich ist auch so eine Sache. Der Verlust aber mindestens ärgerlich. Für mich ist diese ganze Regelung ein weiterer Baustein in der ganzen Bremsenpolitik; der Bürger soll(te) beruhigt aber nicht wirklich entlastet werden.


    M.E. könnte sich Finanztip durchaus etwas mehr für diese geldwerten Details interessieren und z.B. beim Gaspreisvergleich mit angeben, welches Abrechnungsmodell zur Umsatzsteuer die Anbieter anwenden.


    Gruß Pumphut

  • Keine Ahnung, ob Du das BMF-Schreiben richtig interpretierst. Du bringst mich allerdings auf einen Gedanken, dafür danke! Termin 31.03.2024 ist im Kalender eingetragen. Ich werde den Zähler pünktlich ablesen, dann habe ich jedenfalls den passenden Zwischenablesewert (mal ganz davon abgesehen, daß die Versorger Zwischenwerte ganz gut schätzen können).

    Ich kann mir nicht vorstellen, daß viele Versorger das Stichtagsprinzip anwenden werden, also den Gesamtverbrauch des Jahres mit der vollen MwSt versteuern. Das gibt Ärger mit den Kunden. Eine unterjährige MwSt-Änderung hatten wir ja erst im Jahr 2020. Die Abrechnungssysteme werden also vermutlich auch im Jahr 2024 mit unterschiedlichen MwSt-Sätzen umgehen können.

  • ... Ich werde den Zähler pünktlich ablesen, dann habe ich jedenfalls den passenden Zwischenablesewert ...

    Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Und nicht nur ablesen, sondern auch übernitteln, am besten sowohl an den Netzbetreiber als auch an den Versorger.

  • Ebenfalls [Danke] an Pumphut wegen des Vormerk-Ablesetermins 31.3.24.


    Nebenbei: Mein Versorger KEW hat bei der Jahresabrechnung zum Zeitraum 1.1-31.12.2022 die MwSt korrekt rückwirkend zum 1.1.22 auf 7% gesetzt.

    Besuche bereiten immer Freude. Wenn nicht beim Kommen, dann beim Gehen.

    Altes portugiesisches Sprichwort, Quelle unbekannt