ETF MSCI World falsch gekauft?

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    habe gerade gelesen dass Sie aus guten Gründen vom ishares core abraten. Da ich langfristig Vermögensaufbau betreibe, stelle ich mir die Frage des Verkaufs.
    Macht es Sinn die Anteile zu verkaufen und z.B. in den Comstage zu investieren?


    Vielen Dank für Ihr Feedback!

  • Warum verkaufen? Halten Sie den ETF, oder haben Sie diesen bereits über mehrere Jahre?


    Der Vergleich eines Jahres (2014) im Hinblick auf die Performance hinkt. Im Übrigen handelt es sich bei den "empfohlenen" ETFs sämtlich um synthetische ETFs, d. h. swap-basierend. Zwar müssen SWAP-Geschäfte größtenteils besichert sein. Nur wer schaut sich bitte die Sicherheiten vorher bzw. jeden Tag an, die dort geleistet werden? Die Sicherheiten sind das (Wert-)Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind, wenn es tatsächlich mal zum Crash kommt. Kein Privatanleger versteht was ein SWAP ist und welche Risiken mit ihm verbunden sind. Gleichwohl wird hier investiert. Ich investiere nur in Dinge, die ich auch verstehe. Sie nicht?


    Bei einem ordentlichen Börsencrash bin ich froh, wenn ich einen physischen ETF habe, dessen Fondsvermögen tatsächlich aus den Aktien des abgebildeten Index bestehen. Der Steuerstundungseffekt sollte nicht das maßgebliche Entscheidungskriterium sein.

  • Hallo zusammen,
    vielleicht kann ich mit ein paar Anmerkungen weiterhelfen:


    1. Der iShares Core hat steuerliche Nachteile. Deswegen würde ich persönlich die synthetischen Varianten vorziehen.


    2. Richtig ist aber auch: Bei der Geldanlage sollten Steuerfragen nicht die entscheidende Rolle spielen. Wichtig ist zunächst, ob sich ein Anleger mit der ETF-Konstruktion wohl fühlt. tandy hat offenbar eine Abneigung gegen synthetische ETF und damit steht er nicht alleine da. Letztlich geht es hier um Meinung und Geschmack: Objektiv haben phyische ETF keine geringeren Risiken als sythetische. Nachzulesen hier: http://www.finanztip.de/indexfonds-etf/. Und übrigens: Swaps sind in der Grundform recht simple finanzielle Tauschgeschäfte, die traditionell auch von Unternehmen zur Absicherung von Risiken eingesetzt werden. Sie sind kein Teufelszeug.


    3. Wir haben nicht nur die Performance von einem Jahr verglichen. Im übrigen war die Wertentwicklung der vier thesaurierenden ETF auf den MSCI World in etwa gleich. Wertentwicklung ist hier also gar nicht das Argument.


    4. Wenn Clesch keine Swap-Abneigung hat, würde ich den ETF wechseln, schon aus Bequemlichkeit. Der von Comstage ist eine gute Wahl.


    Viele Grüße
    Markus

  • Lieber Markus,


    in dem von Dir zitierten Artikel heißt es:



    Leider fehlt mir in diesem Artikel neben der Behauptung die nähere Begründung.


    Synthetische ETF beinhalten ein Ausfallrisiko in Höhe der unbesicherten Swap-Geschäfte sowie hinsichtlich einer kaum abschätzbaren Qualität der Sicherheiten bei besicherten Swaps. Selbst wenn die ersatzweise gelieferten Papiere täglich veröffentlicht werden, dürfte kaum ein Privatanleger die Bonität der im Sondervermögen gehaltenen Wertpapiere beurteilen können, geschweige denn den Aufwand betreiben, Veränderungen nachzuhalten. Kritisch ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass der Swap-Partner in der Regel die Muttergesellschaft des Emittenten ist (bei Comstage die Commerzbank AG). Wie werthaltig die Sicherheiten tatsächlich sind, zeigt sich wohl erst im Ausfallszenario (vgl. Heidorn, Funktionsweise und Replikationstil europäischer Exchange Traded Funds auf Aktienindices; Frankfurt School of Finance & Management, Workingpaper No. 139, April 2010).


    Kritisch wird zudem das systemische Risiko für die Finanzmärkte diskutiert, welches daraus entsteht, dass sich die Wertpapiere im Sondervermögen von synthetischen ETF strukturell von denen im Index unterscheiden und dadurch eine Krise in dem einen Markt einen anderen Markt anstecken kann (vgl. Seubert/ Müller/ Weber, Die Risiken begrenzen, Die Bank, Dezember 2011, S. 12-16).

    Die physische Abbildung gilt zwar als intransparent hinsichtlich möglicher Leihegeschäfte: die Emittenten können die im Sondervermögen gehaltenen Aktien ausleihen, z.B. an Hedgefonds, um Zusatzeinnahmen zu erzielen. Diese Leihgeschäfte gibt es aber auch bei synthetischen ETFs neben den SWAP-Geschäften.


    Von daher muss jeder selbst entscheiden, ob er das Risiko eingeht oder nicht. Verhamlosen sollte man die Risiken und die Wirkungsweise von synthetischen ETFs dagegen nicht.

  • Danke für die Informationen. Zugegeben geht es sehr ins Detail. Welches für mich zwecks Bewertung noch nicht eindeutig ist.
    Ein Verkauf des ishares ETF und ein Kauf der Variante Comstage wurde keine gravierende Nachteile bringen?
    Ist es steuerlich nur aufwendig oder auch finanziell nachteilig?

  • Der Verkauf des iShares ETF löst Verkaufskosten aus, die bei einem Wechsel des ETFs je nach Anlagevolumen berücksichtigt werden sollten.


    Das mit dem "finanziell nachteilig" ist so eine Sache. Was verstehen Sie darunter? Ob der Steuerstundungseffekt, der bei einem ETF aktuell besteht und beim anderen nicht, bleibt abzuwarten.


    Ich finde es nicht ganz seriös, wenn ein Verbrauchportal wie "finanztip" einen ETF v. a. deshalb anpreist, weil aktuell möglicherweise ein Steuerstundungseffekt besteht und im Übrigen auf die Performance eines eher kurzen Zeitraums in der Vergangenheit abstellt. Wie lange der Steuerstundungseffekt besteht, hängt zum einen davon ab, wie der Fonds von der Fondsgesellschaft künftig gehandhabt wird und zum anderen von der Entwicklung der Steuergesetzgebung in Deutschland.


    Wenn Finanztip zum einen (richtiger Weise) empfiehlt, dass die Haltedauer von Aktien bzw. ETF mindestens 10 besser 15 Jahre sein sollte, dann finde ich die Auswahl eines ETFs aufgrund eines aktuellen "Steuersparmodells" nicht gerade seriös und verbraucherfreundlich. Wie gut sind die Verbraucher beraten, wenn der Steuerstundungseffekt später (zumindest für die Zukunft) wegfällt? Der Vertrauensschutz in eine bestimmte Art der Besteuerung ist in Deutschland von der Rechtsprechung nicht sehr hoch.


    Wie hoch die tatsächliche Rendite des jeweiligen ETF ist, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, auch wenn beide ETF denselben Index abbilden. Aktuell ist der iShare ETF in den letzten drei Monaten nicht so stark gefallen wie der Comstage. Das hängt u. a. von den Wertpapierleihgeschäften ab und wie die Erlöse aus diesen Geschäften zwischen Anleger und Kunde verteilt werden.


    Ich für meinen Teil habe Bedenken, dass wenn die "Kanonen richtig donnern", am Ende ein Swap-ETF tatsächlich noch den Wert an Papieren wiederspiegelt, der durch den jeweilgen Index wiedergegeben werden soll. Ob die viel beschworenen Sicherheiten für die Tauschgeschäfte dann am Ende helfen, ist die Frage. Können Sie die Qualität der Sicherheiten beim SWAP-ETF bewerten, die sich täglich ändern? Ich kann es und will es auch nicht können, Finanztip sicherlich auch nicht.


    Wie wurde in einem Fachbeitrag so schön geschrieben: "In einer Welt, in der es nur synthetische ETFs gäbe, würde man sich den physischen ETF wohl wünschen."

  • Hallo zusammen,
    erst einmal herzlichen Dank für die leidenschaftliche Debatte. Erinnert mich irgendwie an den ewigen Kampf zwischen Apple- und MIcrosoft-Usern, der wohl nie entschieden werden wird. Zur Zeit hat Apple die Nase vorn, aber das kann sich wieder ändern.


    Ähnlich verhält es sich mit physischen und synthetischen ETF. Vor der Finanzkrise ab 2007 waren sythetische ETF angesagt. Nach der Finanzkrise waren sie out. Das zeigen auch die Kapitalflüsse sehr deutlich. Die Deutsche Bank zum Beispiel, die bis dahin nur synthetische ETF anbot, nahm auch physische ins Programm, um auf die geänderte Nachfrage zu reagieren. Eine zentrale Befürchtung während der Finanzkrise war, dass Fondsgesellschaften bzw. deren Mutterbanken toxische Finanzprodukte in ETF parken. In diesem Lichte sind auch die oben zitierten Beiträge aus dieser Zeit zu sehen.


    Inzwischen haben viele Anbieter synthetischer ETF auf solche Ängste reagiert. Sie veröffentlichen täglich die Portfolios, die sie halten, und legen Rechenschaft über die Sicherheiten ab. Bei Aktien-ETF hält der Fonds nach meiner Kenntnis auch ein Standardaktien-Portfolio und nicht irgendwelche Schrottpapiere, die dann verwertet werden würden, wenn der der Swap-Partner ausfällt.


    Wir bei Finanztip wägen unsere Ratschläge genau ab. Bei der Frage, ob physisch oder synthetisch sind wir neutral, das heißt, wir bevorzugen nach dem heutigen Stand der Dinge keine der beiden Varianten. Wenn man aber weitere Faktoren wie Bequemlichkeit, Zinseszinseffekt und Steuer mit einbezieht, haben thesaurierende synthetische ETF aus unserer Sicht einen Vorteil für den langfristigen Vermögensaufbau. Das ist das Ergebnis unserer Analyse. Es steht jedem frei, anderer Meinung zu sein.


    Es ist richtig, ein Steuervorteil kann immer wegfallen. Aber mir kann auch ein Dachziegel auf den Kopf fallen, wenn ich morgens aus dem Haus gehe. Sollte ich deshalb lieber im Bett bleiben?


    In diesem Sinne mit den besten Grüßen
    Markus

  • Lieber Markus,


    zugegeben, in einem Markt, der sich im eingeschwungenen Zustand befindet, erachtet ich SWAP ETF aufgrund der Besicherung als vergleichbar, was das Thema Sicherheiten anbelangt. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass dieser eingeschwungene Zustand mit "normalen" Auf- und Abbewegungen immer wieder durchbrochen wird.


    Wie gut ein SWAP-ETF und dessen Sicherheiten sind, wird sich erst in diesen Extremphasen zeigen. Es ist noch nicht all zu lange her, als der Staat zur Rettung der Commerzbank Anteile an dieser Bank erworben hat. Ob auch künftig die Argumentation "systemrelevant" auf jede Bank in Deutschland zutrifft, die derzeit als Counterpart für den SWAP-Kontrakt dient, wage ich mal zu bezweifeln.


    Abschließend sind wir uns sicherlich einig, dass es sich bei der Veröffentlichung des Depotbestandes und der jeweiligen Sicherheiten eines SWAP-ETF stets um eine Momentaufnahme handelt und kein Verbraucher in der Lage ist, diese Momentaufnahmen permanent nachzuvollziehen, geschweige denn bewerten zu können. Des weiteren darf ich jedem interessierten Anleger die Lektüre der Derivateverordnung und hier insbesondere § 27 DerivateV empfehlen, um selber zu entscheiden, ob die hier enthaltenen Vorgaben zum Thema Sicherheit für einen selbst ausreichend sind. Die DerivateV ist jedoch nur für offene inländische Publikumsinvestmentvermögen und für offene inländische Spezial-AIF anwendbar.


    Ich für meinen Teil bewerte das Risiko aus einer Wertpapierleihe deutlich geringer als das Counterpart-Risiko bei einem SWAP-ETF. Diese Bewertung muss aber jeder für sich selbst anstellen.

  • Liebe Forenmitglieder, liebes Finanztip-Team, lieber Markus,


    jetzt ist Dir, lieber Markus, um in Deinem Sprachgebrauch zu bleiben, ein Dachziegel auf den Kopf gefallen ;) Durch die Reform des Investmentsteuergesetzes 2018 werden die von euch bislang für synthetische ETF als mitentscheidend angepriesenen Steuervorteile ("Steuereinfachheit") ggü. physischen ETF wegfallen.


    Leider habt ihr das Thema - verständlicher Weise - eher leise und nebenbei im aktualisierten Beitrag zur Auswahl von ETF-Indexfonds (http://www.finanztip.de/indexfonds-etf/) aufgenommen. Ich würde mir hier künftig ein wenig mehr Selbstkritik wünschen.


    Aufgrund der steuerlichen Anpassungen gibt es für mich jetzt keinen Grund mehr, als Privatanleger in synthetische ETFs mein Geld anzulegen.

  • Hallo @tandy,


    Markus arbeitet seit September 2015 nicht mehr bei Finanztip.


    Orientierung gibt die Kollegin Sara Zinnecker in einem Blogartikel: http://www.finanztip.de/blog/etf-investmentsteuergesetz/


    Über die Änderung diskutieren wir in diesem Thread: Investmentsteuergesetz: jährliche Abgeltungssteuer auf synthetisch-thesaurierende ETFs - Steuern sparen - Finanztip-Community Ich würde mich freuen, wenn Du dort mitdiskutierst.