Hausfinanzierung mit wenig Eigenkapital

  • Hallo,


    mich würde es interessieren, welche Möglichkeiten es gibt ein Haus zu finanzieren?


    Ich hab mich zwar schon zum Thema Baufinanzierung gut eingelesen, jedoch würde ich gerne mehr darüber erfahren.


    Ich habe mal gelesen, dass der Käufer mindestens 20 Prozent, besser noch 30 Prozent Eigenkapital benötigt, um ein Haus zu finanzieren.


    Ist das immer noch aktuell oder gibt es mittlerweile andere Wege?

  • Hallo Susi0609,


    eine Immobilienfinanzierung ist im Prinzip relativ einfach. Ich gehe jetzt mal von einem Kauf zur Eigennutzung aus. Bei einer Vermietung sieht das Ganze ähnlich aus, da sind dann halt die zu erwartenden Mieteinnahmen noch ein wichtiger Faktor (plus Leerstandquoten etc.).


    Da die wenigsten von uns ihr Traumhäuschen Cash aus der Täsch bezahlen können, ist es meistens notwendig, dass man das eine Geld mit einem Kredit aufstockt. Aber das ist sicherlich nichts Neues für Dich...


    Nun zu Deiner eigentlichen Frage: Wenn Du zu einer Bank gehst und einen Immobilienkredit anfragst, wird die Bank eine Einschätzung vornehmen, wieviel Geld sie Dir zu welchen Konditionen leihen würde. Hier spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle - Deine finanzielle Gesamtsituation genauso wie die Immobilie, die Du kaufen willst. Wenn Du in einem sehr wertstabilen Markt wie München kaufen willst, geht sicherlich ein bissel mehr (auch ein höherer Verschuldungsgrad) als in einem Markt, dessen Perspektiven eher düster sind (irgendwo in der Uckermark hinten rechts, z.B.). In manchen Städten sind 20% oder gar 30% auch schwer zu erreichen (alleinstehendes Haus in München = 1 Mio. €, 30% davon sind 300k + die Erwerbsnebenkosten von nochmal fast 10%...).


    Generell gilt: Wenn das Eigenkapital eine bestimmte Schwelle unterschreitet, werden die Zinsen relativ schnell teurer. Wo diese Schwelle liegt? Keine Ahnung, vermutlich so ca. bei 15% oder so...


    Wenn Du mit 20% oder 30% Eigenkapital kommst, ist das mit Sicherheit nahe am Optimum. Die Bank sieht das nämlich so: Wenn die Bank die Immobilie nur zu 70% beleihen muss, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Falle des Falles ihr Geld bei einer Verwertung (z.B. Zwangsversteigerung) wiederbekommt relativ hoch. Denn die Bank lässt sich immer eine erstrangige Grundschuld ins Grundbuch eintragen, kann die Immobilie also verwerten, wenn Du das Darlehen dauerhaft nicht bedienen kannst.


    Wenn Du mit weniger Eigenkapital kommst, dann werden andere Faktoren wichtiger:

    • Wie ist Deine Einkommenssituation? Bist Du Beamtin und hast somit ein sehr sicheres und planbares Einkommen? Dann geht sicherlich mehr als wenn Du Freiberuflerin mit stark schwankendem Einkommen bist. Hat Dein Einkommen noch Luft über Zins und Tilgung hinaus oder ist das schon ziemlich auf Kante genäht?
    • Hast Du andere Vermögensgegenstände, die als Sicherheit dienen könnten?
    • Bist Du alleine oder nimmst Du das Darlehen mit einer zweiten Person auf?
    • Wie ist der Immobilienmarkt da wo Du kaufen / bauen willst?
    • Was für eine Immobilie kaufst Du? Eine frisch luxus-sanierte Wohnung in der Stadtmitte, einen Neubau in einem neuen Stadtteil, oder ein Haus aus den 50er Jahren dessen voriger Eigentümer das Wort Renovierung nicht mal schreiben konnte?
    • Hast Du eine Historie mit der Bank? Hast Du schonmal eine Wohnung sauber mit denen durchfinanziert und abbezahlt?


    Zusammengefasst: Die 20 oder 30% sind nicht in Stein gemeißelt. Sicherlich gehen auch Finanzierungen mit höheren Fremdkapitalquoten. Aber je näher Du in Richtung 100% gehst, desto teurer wird es und auch das Volumen wird dann irgendwo begrenzt sein.


    Hope that helps!


    Elias

  • Das war wirklich sehr hilfreich, vielen Dank. Es geht nicht direkt um mich persönlich - aber gut, dass du es so formuliert hast. An sich finde das Thema sehr spannend, auch wenn es immer individuell von der finanziellen Lage abhängt.


    Was man noch in so einer Situation noch machen kann, wäre sicherlich die Möglichkeit eines Bürgen, einer Schenkung, Leibrente oder einer Erbschaft – aber die ist ja in den seltensten Fällen gegeben, richtig?


    Dabei bin ich auch auf das Thema Vollfinanzierung gestoßen (ist in den USA und Großbritannien wohl Gang und Gäbe). Hier es so, dass die Bank den kompletten Kaufpreis des Hauses vorstreckt und mit Baufinanzierung bis zu 120 % des Kaufpreises gewähren (zwecks Nebenkosten etc.)!


    Aber du hast es ja schon richtig gesagt: Je weniger die Bank eine Immobilie beleihen muss, umso besser (aufgrund des Falles einer Verwertung etc. pp). Also je näher an 100 %, desto teurer.


    Deshalb hatten einige Freunde und Bekannte und ich sehr viel über dieses Thema Vollfinanzierung diskutiert. Finde das Konzept zwar an sich ganz gut und ich weiß auch, dass sich Freunde von mir dahingehend viel informiert haben, weil sie jetzt auch aufs Land ziehen wollen, da sie Nachwuchs erwarten und sich schon bis hin zur Einrichtung einen genauen Plan gemacht haben (z.T. sogar schon die Gestaltung des Kinderzimmers) und hohe Zinsen in Kauf nehmen würden. Und da sie einen sehr natürlichen Lebensstil anstreben und auch beim neuen Haus das gleich umsetzen wollen, haben sie sich größtenteils in Handwerksarbeit gefertigte Massivholz Möbel ausgesucht. Den größten Teil der gesamten weiteren Einrichtung wollten sie in diesem Stil umsetzen, was nicht gerade sehr günstig ist, wenn man mal von der hohen Qualität dieser Möbel ausgeht. Aber genug abgeschweift… so eine Vollfinanzierung wäre mir persönlich zu unsicher und riskant und auch zu teuer - aber wenn es echt so dringend ist und das Wunschhaus sofort genutzt werden soll, dann ist es auf jeden Fall erstmal eine Option, die man bei den Banken erfragen kann.


    Ich denke aber auch, dass nicht jeder ein Haus komplett im Voraus bezahlt bekommt und die Banken sich schon „ihre Kandidaten“ dafür richtig auswählen. Die Banken sind ja schließlich keine Wohlfahrtvereine… Die wollen ja trotzdem irgendwann Geld sehen und auch welches verdienen. Ich glaube Stiftung Warentest hat diesbezüglich auch mal einen Test (von 2015) gemacht, wie ein geringes EK die Hausfinanzierung „verteuert“ – soll heißen es werden auf jeden Fall höhere Zinsen verlangt und die Tilgung dauert länger. Und was für die Bank noch wichtig ist: Die Verpfändung von Lebensversicherungen / Risikolebensversicherungen für den Todesfall und das man sowieso als Eigentümer im Grundbuch eingeschrieben ist soweit ich weiß.


    Was haltet ihr von so einer Vollfinanzierung?

  • Ich halte das Thema Vollfinanzierung per se nicht für Teufelszeug. Natürlich wird es teurer und natürlich werden die Banken da nicht jeden Spaß mitmachen. Aber versuchen kann man es mal.


    Im Endeffekt muss jeder selber schauen, ob seine finanzielle Lage das Ganze hergibt. Eine 100% Finanzierung ist ja für mich als Schuldner nicht mehr oder weniger riskant als eine 80% Finanzierung - wenn das Einkommen die höhreren Zinsen und Tilgungen locker hergibt, ist ja alles ok. Wenn man mit einer 80% Finanzierung am Ende mit null Euro auf dem Konto dasteht (weil man das gesamte Ersparte für Eigenkapital und Erwerbsnebenkosten rausgeblasen hat), ist man vielleicht besser bedient, wenn man in den sauren Zinsapfel einer höheren Finanzierung beißt und dafür noch zwei Euro fufzig auf der hohen Kante hat falls das Auto kaputt geht.


    Diese Unsitte mit den 100% + X Finanzierungen hat maßgeblich dazu geführt, dass die Immobilienmärkte in den USA, UK und Holland gecrasht sind. Eine 100% + X Finanzierung ist im Prinzip eine Wette auf steigende Preise. Wenn die Preise anfangen zu fallen, stehen die Leute mit Krediten da, die höher sind als der Wert ihrer Immobilie. Und wenn dann auch noch die Bank kommt und nachbesichern will (weil die Immobilie als Sicherheit ja dann nicht mehr ausreicht), wird es halt richtig hässlich. Und genau das ist vielen Leuten (Stichwort Subprime-Krise) in diesen Ländern passiert.

  • Bürgschaften sind ja eine zusätzliche Sicherheit für die Bank. gesetzt den Fall, dass der Bürge finanziell belastbar ist.


    Schenkung und (Vor-)Erbe erhöhen halt das eigene verfügbare Kapital.


    Eine Leibrente erhöht das eigene Einkommen und damit den finanziellen Spielraum für Zins und Tilgung.


    Kann alles nicht schaden, wenn man die Möglichkeit hat.

  • ...durch den Niedrigzins von unter 1% ergibt sich allerdings eine vollkommen neue Situation.

  • ...durch den Niedrigzins von unter 1% ergibt sich allerdings eine vollkommen neue Situation.

    das stimmt, sollte aber nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Man stelle sich nur eine Frage: Wer sich heute (nur) eine Finanzierung mit einem Zins von einem Prozent plus ein oder zwei Prozent Tilgung leisten kann, was macht derjenige dann, wenn nach Auslauf der Zinsbindung ein Anschlusszins von fünf Prozent auf ihn zukommt?


    Wer heute mit einem Prozent Zins finanziert, sollte sich auch eine hohe Tilgung (> 3 Prozent) leisten können, damit er später bei möglicherweise höheren Zinsen Spielraum hat. Er kann dann zumindest die Tilgung reduzieren.