Finanzmarktwächter

  • Ein neues Projekt der Verbraucherzentralen steht in den Startlöchern: Die Finanzmarktwächter. In verschiedenen Zentralen bundesweit (VZ Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Hamburg und Sachsen) sollen sich Experten der Überwachung des Finanzmarkts widmen und sicherstellen, dass Vorgaben eingehalten und keine Vorschriften verletzt werden. Aktiv eingreifen können sie zwar nicht, aber Alarm schlagen.


    Ist das ein notwendiges Organ im deutschen Finanzmarkt? Sollten die Wächter mehr Befugnisse haben? Oder ist eine reine Überwachungsfunktion ausreichend?

  • Eigentlich gibt es schon eine Finanzmarktaufsicht: die heißt BaFin! Da diese in vielen Fällen überfordert ist, begrüße ich die Initative der Verbraucherzentralen. Missstände aufzudecken und "sanften Druck" auf die BaFin auszuüben ist sicherlich im Sinne der Verbraucher.


    Wobei ich dazu sagen muss, dass diese Aktion mal wieder eine Bekämpfung von Symptomen ist. Eigentlich wäre an dieser Stelle der Gesetzgeber mit stärkerer Regulierung gefordert. Da von dieser Seite aber aufgrund von Lobbyinteressen und mangelnden politischen Willen wenig bis nichts zu erwarten ist, bleibt es dabei, dass man sich selbst mit den Dingen auseinandersetzen muss.


    Ich plädiere für stärkere finanzielle Bildung schon in der Schule. Finanzbasiswissen und gesunder Menschenverstand sind das beste Mittel gegen Abzocke und Falschberatung!


    Allerdings sei auch hier angemerkt, dass der Verbraucher nicht ganz unschuldig am bestehenden System ist. Wer kein Interesse an seinen Finanzen zeigt und nicht bereit ist, für qualifizierte Beratung offen zu bezahlen, darf sich nicht ganz wundern, wenn ihm versteckt in die Tasche gegriffen wird. Das wäre dann aber ein neuer Thread über "Honorarberatung in Deutschland"...

    • Offizieller Beitrag

    Aktuelles Hobby in der Politik scheint die Regulierung zu sein, schauen wir mal was noch dabei rauskommen wird.


    Ich schließe mich @Andreas an, die Basis für eine langfristige Verbesserung der Situation ist die finanzielle Bildung, die idealerweise so früh wie möglich im deutschen Schulsystem startet.


    Ein kleiner Aspekt von meiner Seite zum Thema Verbraucherzentralen:


    Wer sagt denn eigentlich das die Herren und Damen in der Verbraucherzentrale ¨ alles richtig¨ machen, hat hier schon mal jemand die Qualifikationen der dortigen Ansprechpartner geprüft? Oder ist jeder Mitarbeiter der bei einer Verbraucherzentrale arbeitet mit seinem Arbeitsvertrag qualifiziert?


    Ich kann mich noch gut an einen Fall aus meinem beruflichen Umfeld erinnern, wo ein Kunde sich bei der Verbraucherzentrale beraten lassen hat und ihm dort mitgeteilt wurde, das alle Zertifikate ¨Teufelszeug¨ seien.


    Ich wiederhole gerne mein Credo:


    Jedes Produkt hat seine Berechtigung, sofern es passend und kundengerecht eingesetzt wird (Ausnahmen aus dem betrügerischen Bereich natürlich ausgeschlossen).

    "Man kann die raffiniertesten Computer der Welt benutzen und Diagramme und Zahlen parat haben, aber am Ende muss man alle Informationen auf einen Nenner bringen, muss einen Zeitplan machen und muss handeln."

    Lee Iacocca, amerik. Topmanager

  • Ich stimme @Henning zu, was die Verbraucherzentralen betrifft. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass diese, aber auch z.B. Finanztest, häufig zur Sim­p­li­fi­zie­rung neigen. Dann kommt natürlich so etwas raus, wie "alle Zertifikate sind Teufelszeug".


    Auf der anderen Seite muss man ihnen zu Gute halten, dass sie eine Breite Kundenschaft abdecken müssen und deswegen nicht immer bis ins letzte Detail gehen können. Wenn der Kunde wenig Finanzbildung mitbringt, ist es halt einfacher zu sagen, Zertifikate seien Teufelszeug als bei Adam und Eva anzufangen und die Funktionsweisen zu erkären. Und letztlich will sich der Verbraucher auch nicht bis ins Detail damit beschätigen.


    Wir wissen natürlich, dass Zertifikate nicht a priori böse sind und dass es vereinzelt sinnvolle Absicherungstechniken gibt, aber für die breite Masse eignen sie sich nicht, weil sie Chancen und Risiken überhaupt nicht einschätzen können. Auch ich halte es dann mit meinem Motto: Was ich nicht verstehe, kaufe ich nicht, und sei es angeblich noch so sinnvoll...


    Und wenn wir ehrlich sind, die meisten Zertifikate sind dermaßen komplex, dass sie noch nicht mal ihre Schöpfer verstehen. Eine große Spielwiese für Finanzmathematiker...

  • Dann machen wir doch einen Thread zur Honorarberatung auf! Link hier: Honorarberatung in Deutschland - Aktuelle Themen diskutieren - Finanztip Community


    Personal in Verbraucherzentralen: Ich denke schon, dass die Angestellten dort über gute Qualifikationen verfügen, das merkt man auch stark im Austausch mit ihnen. Aber wie in jeder Branche / jedem Unternehmen gibt es eben auch schwarze Schafe. Dazu muss man bedenken: VZen sind finanziell abhängig von staatlichen Geldern. Stichwort Überarbeitung und Überlastung, sage ich da nur... bzw. Stresslevel. Die Kundenorientierung ist bei öffentlichen Stellen ja generell niedrig, da es eben keine Kunden im eigentlichen Sinne gibt, deren Loyalität man sich hart verdienen muss.

    • Offizieller Beitrag

    Ohne jetzt ketzerisch zu wirken:


    Aber schließt denn eine breite Masse an Gesprächspartnern, geringe Finanzbildung eine neutrale Sichtweise von Produkten aus?


    Wird hier eventuell nicht mit zweierlei Maß gemessen?


    Natürlich gibt es Zertifikatsstrukturen, die kein Kunde und meistens auch die Berater, nicht mehr nachvollziehen können.


    In meinem beschriebenen Fall handelte es sich aber um klassisches Diskont-Zertifikat (mit einem hohen Sicherheitspuffer), welches der Kunde damals von mir als geringen Bestandteil zur Diversifizierung ins Depot empfohlen bekommen hat.


    @Franziska


    Was heißt denn gute Qualifikation? Die gleichen Abschlüsse wie die Mitarbeiter in der Finanzdienstleistungsbranche oder nur jahrelange Erfahrung?


    Und Du sprichst einen Kerngedanken von mir an:


    Die VZen sind in der Regel nicht vom Staat oder von Ländern/Kommunen finanziert, was auch nicht ganz stimmt, da z.B. in Ulm und Neu-Ulm hierzu wieder ein Antrag von der VZ vorbereitet werden soll.
    Also wenn die VZen sich nur durch Spenden und Beratungsgebühren der Gespräche finanziert,
    Ist das Interesse der VZen vielleicht manchmal ¨klappern gehört zum Handwerk¨?


    Ich unterstelle keiner VZ etwas, aber ich möchte lediglich darauf hinweisen das auch hier entsprechende Eigeninteressen vorhanden sind, die dem ein oder anderen Gesprächspartner nicht bewusst sind.

  • Wahre Worte! Auch hier wieder: Da haben sich seit Jahren und Jahrzehnten Strukturen entwickelt, aus denen man schlecht heraus kann. Z. B. Internet-Startup vs. Behörde. Wer ist dynamischer und flexibler? Bei wem haben die Mitarbeiter mehr Anreiz, auf dem aktuellsten Stand zu sein? Nur so als Denkanstoß...

    • Offizieller Beitrag

    Interessanter Anstoß .... und wenn ich darüber nachdenke, möchte ich ehrlich gesagt nicht wissen mit welchen Widrigkeiten ein Startup wie Finanztip o.a. seitens der ¨etablierten¨ Kräfte wie Stiftung Warentest, etc. arbeiten oder gelinde gesagt kämpfen muss ...


    insbesondere wenn wichtige Galionsfiguren den Arbeitgeber wechseln :)

  • :D Ja, ja, so kann's gehen...


    Spaß beiseite: Ich glaube, dass wir alle unsere Berechtigung haben. Bei Finanztip geht es uns v. a. darum, dass die Information kostenlos (sprich: auch in Bezug auf Data Mining) schnell, einfach und kompakt übers Internet zur Verfügung gestellt wird. Eine Verbraucherzentrale hat ihren Schwerpunkt u. a. in der individuellen Beratung, der Unterstützung von rechtlichen Klagen, usw.


    Vielleicht ist das von mir etwas blauäugig gedacht, aber wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir noch mehr für die Verbraucher erreichen. Denn dass dieser "Markt" zu klein ist, wird in vielerlei Weise deutlich - nicht zuletzt im politischen Lobbyismus der Firmen und welche Erfolge damit erzielt werden.

    • Offizieller Beitrag

    Gemeinsam ist man immer stärker ...


    Ich wünsche mir das es wieder im Umgang zwischen Finanzdienstleistung und Verbraucher ¨normaler¨wird und das teilweise sehr unsachliche Banken-Bashing zu Gunsten einer konstruktiven Diskussion sich verändern kann.


    Mal bye the Way:


    Hat mal schon jemand seinen Autoverkäufer seines Vertrauens nach dessen Provision gefragt?

  • Ein wichtiger und bisher nicht eingebrachter Einwand!


    Ich könnte mir folgendes Szenario vorstellen:


    Finanzmarktwächter A schlägt Alarm, weil ein Produkt nicht den gesetzlichen Standards entspricht oder weil es verbraucherunfreundlich ist, z. B. täuschend in Bezug auf essentielle Vertragspunkte. Die Verbraucherzentrale B prüft und informiert die relevanten Stellen in den Behörden. Behörde C trägt das zusammen mit Verbraucherzentrale B nach außen an die Öffentlichkeit. Medium D macht daraus seine Titel-Story. Unternehmen E, das das Produkt angeboten hat, startet mit Risikomanagement und fährt eine riesige Gegenkampagne auf. Über die eigenen Kanäle sowie über eine Reihe von Medien werden Kritikpunkte adressiert und das Produkt ggf. angepasst. Nach einer Weile ebbt das Interesse ab und das Unternehmen hat nur bedingt und zeitlich begrenzt finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.


    Möglichkeit 1: Das Produkt war fehlerhaft und der Wächter hat zu Recht Alarm geschlagen. Das Unternehmen erleidet einen mittelhohen Reputationsverlust, kann das Produkt so zumindest aber anpassen und auf diese Weise denkbaren langfristigen Strafen entgehen.
    Möglichkeit 2: Der Wächter hatte Unrecht. Das Unternehmen kann nachweisen, dass es keine Fehler gemacht hat. Das Unternehmen erleidet einen leichten Reputationsverlust aufgrund der Schlagzeilen.


    Viele Unternehmen werden ein Räderwerk an Risikomanagement- und Kommunikationsressourcen haben. Durch genau diese Mechanismen werden sie den Wächtern wohl zwangsläufig auf die Finger schauen, denn wer möchte schon mit Anschuldigungen falscher Art weitermachen?


    Aber natürlich, intern muss es vor der Herausgabe und dem Anstoßen eines solchen Rattenschwanzes Kontrollen geben. Auch die Verbraucherzentralen werden nur etwas freigeben, wenn es fundiert ist - sonst kann das ganz schnell negativ auf die Verbraucherzentralen zurückstrahlen.

    • Offizieller Beitrag

    Wer kontrolliert eigentlich die Gegenleistung der VZ und die entsprechende Beratungsqualität ?


    ... mal so nebenbei gefragt.

    • Offizieller Beitrag

    Meine persönliche Meinung ist nicht unbedingt positiv zu dem Thema FInanzmarktwächter.


    Die dortigen Geld-Budgets sollten lieber in die Ausbildung der Kinder gehen.