Räumungsklage obwohl Kündigungsfrist nicht abgelaufen ist?

  • Hallo erstmal!


    Wir haben hier letztes Mal gute Hilfe bekommen, darum wenden wir uns nochmal vertrauensvoll an euch.


    Unser Vermieter hat uns im Juli die Wohnung wegen Eigenbedarf zum 31.10.15 gekündigt, woraufhin wir wiedersprochen haben, da er die gleichen Gründe bereits bei einem anderen ehemaligen Bewohner des Hauses angegeben hat.


    Daraufhin schrieb der Vermieter uns, das von ihm mitbewohnte Haus gelte nur als Zweifamilienhaus, da die dritte ehemals bewohnte Wohnung wegen Brandschutzvorschriften gar nicht als Wohnraum zählt, somit können wir der Kündigung nicht widersprechen, haben aber dafür eine verlängerte Kündigungsfrist bis 29.02.16.


    Jetzt kommt der für uns gänzlich unverständliche Teil:
    Wir haben heute mit der Post eine Klageschrift bekommen mit einer 2-wöchigen Notfrist, wegen Räumung der Wohnung, obwohl ja die Kündigungsfrist noch gar nicht abgelaufen ist...


    Kann uns das irgendjemand erklären oder uns helfen, was wir da jetzt am besten tun?
    Es wäre echt wichtig und auch leider sehr dringend, wir können weder hohe Gerichtskosten tragen, noch mit zwei Kindern im Winter auf der Straße sitzen.
    Die Wohnungssituation hier (Oberbayern) ist auch sehr schwierig, wir sind die ganze Zeit schon am suchen...

  • Was sich Ihr Vermieter dabei gedacht hat, kann ich Ihnen nicht erklären.


    Alledings kann ich Ihnen sagen, was zu tun ist.
    Sie müssen sich gegen die Räumungsklage zur Wehr setzen!
    Dazu haben Sie zwei Wochen Zeit. Das ist die vom Gericht erwähnte "Notfrist".
    Innerhalb dieser zwei Wochen müssen Sie dem Gericht zumindest anzeigen, DASS Sie sich gegen die Räumungsklage wehren wollen. Zur Begründung der Klageerwiderung können dann weitere zwei Wochen Frist beantragt werden, so dass bis zu vier Wochen Frist für die Einreichung einer Klageerwiderung bestehen.


    Ich entnehme Ihrem Thread, dass Sie keine Anwaltskosten aufwenden wollen.
    Für Mietstreitigkeiten ist gem. § 23 Nr. 2 GVG das Amtsgericht zuständig.
    Wenn Sie in Oberbayern daheim sind, dürfte Ihre Kreisstadt ein Amtsgericht haben.


    Grundsätzlich können Sie vor dem Amtsgericht selbst auftreteten, d.h. ohne Anwalt.
    Anwaltszwang gibt es gem. § 78 Abs. 1 ZPO erst vor dem Landgericht. Das wäre erst die nächsthöhere Instanz.


    Allerdings erscheint es mir zweifelhaft, ob ich Ihnen raten soll, die Klageabwehr selbst durchzuziehen.
    Grundsätzlich haben Sie als juristische Laien Anspruch darauf, dass Sie Ihr Vorbringen mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichts vortragen (§ 496 ZPO).
    Damit wäre wenigstens sichergestellt, dass Sie keine formalen Fehler machen.


    Erwarten Sie jedoch keine rechtliche Beratung im Sinne einer Parteivertretung von dem Urkundsbeamten. Das darf er nicht und in schwierigen Fällen kann er es vermutlich auch nicht. Er wird sich darauf beschränken, das, was Sie vortragen, in ordnungsgemäßer Form zu protokollieren.


    Im Zivilprozess herscht jedoch der "Beibringungsgrundsatz", d.h. was Sie nicht zu Ihrer Abwehr vortragen, kann das Gericht nicht zu Ihren Gunsten berücksichtigen. Das ist insoweit anders als beim Verwaltungsgericht oder beim Finanzgericht, wo der "Amtsermittlungsgrundsatz" gilt und das Gericht "von Amts wegen" den Sachverhalt komplett ermitteln muss.


    Der Zivilrichter wird sich nur um die Anträge der Parteien kümmern. Was Sie nicht beantragen, wird Ihnen nicht zugesprochen werden.


    Hinsichtlich der Kosten müssen Sie wissen, dass der Kläger (=Ihr Vermieter) Ihnen auch Ihre eigenen Kosten Ihres Rechtsanwaltes bezahlen muss, WENN und INSOWEIT die Klage abgewiesen wird. Sollten Sie jedoch zu 100 % verlieren, d.h. Ihr Vermieter bekommt auf der ganzen Linie Recht, tragen Sie auch die Rechtskosten des Klägers und die Gerichtskosten. Ein gewisses Kostenrisiko haben Sie daher immer.


    Wenn Sie ein sehr geringes Einkommen und praktisch kein Vermögen haben, könnten Sie einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) haben. Das hängt jedoch von Ihren persönlichen Verhältnissen und dem Streitwert des anstehenden Prozesses ab.


    Wenn Sie die Sache allein durchziehen wollen, rate ich Ihnen dringend, dass Sie den richtigen Antrag in Ihrer Klageerwiderung stellen! Sie müssen beantragen, dass die Klage abgewiesen wird!


    Ferner wäre zu überlegen, ob Sie nicht gleich beantragen, dass das Gericht feststellt, dass die Kündigung Ihres Vermieters zum 29.02.2016 unwirksam ist. Das wäre allerdings bereits eine Widerklage, die aber zulässig sein dürfte.


    Wenn Sie das per Urteil bestätigt bekommen, haben Sie erst einmal Ruhe.


    Wenn Ihr Vermieter vorträgt, dass die dritte Wohnung wegen Brandschutzbestimmungen gar keine Wohnung sei, ist das irrelevant. Auf Brandschutzbestimmungen kommt es hier nicht an.


    Der § 573a BGB, der den Mieterschutz einschränkt, ist vom Zweck des Gesetzes her auf Einliegerwohnungen gemünzt.
    Auch wenn das so nicht im Gesetz steht, ist der Kommentar hierzu eindeutig (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB § 573a Rn. 1).
    Entscheidend dafür, ob mehr als zwei Wohnungen vorliegen ist laut Kommentar die "Verkehrsauffassung".
    Wichtig ist deshalb, dass es sich bei der dritten (jetzt wohl leerstehenden) Wohnung um eine abgeschlossene Wohnung handelt und nicht nur um einzelne Räume (z.B. im Dach- oder Kellergeschoss).


    Sollte das der Fall sein (was ich nach Ihrer Schilderung vermute), dann wohnen Sie NICHT in einem Zweifamilienhaus.
    Und damit ist § 573a BGB gar nicht anwendbar!


    Sollte § 573a BGB doch anwendbar sein, könnten Sie sich hilfsweise mit Widerspruch wegen sozialer Härte gem. § 574 bis § 574 c BGB gegen die Räumung wehren.

  • Wahnsinn. So groß, wie Sie es verdienen, kann man "DANKE!!!!!!" gar nicht schreiben.


    Wir werden also am besten einen Anwalt besorgen, weil das, was Sie da beschreiben garantiert nicht alleine schaffen, ohne große Fehler zu machen... Und das möchte ich hier irgendwie gar nicht.


    Vielen Dank für die wunderbar hilfreiche Antwort, unser Rücken ist auf jeden Fall wieder etwas gestärkt, und meine Vermutung, dass bei unserem Vermieter nicht alles so ganz ordentlich läuft ebenfalls.


    Wir werden auf jeden Fall schreiben, was weiter passiert.