Anschlussflug nicht erreicht wegen zu geringer Umsteigezeit und zu langsamer Gepäckabfertigung - Entschädigung?

  • Hallo Finanztip-Leser,


    ich möchte gerne ein Thema in die Runde bringen, für das ich im Netz leider keine hinreichende Info finde:


    Unser Sohn ist gestern von Frankfurt nach Bergen geflogen. Der Flug wurde bei SAS gebucht, u. zw. so, wie online angeboten, mit einer Zwischenlandung in Oslo. Vorgesehen war eine Umsteigezeit von 50 Min. Sicher knapp, aber die Strecke wurde so angeboten und beide Flüge sind auch auf einer Buchungsbestätigung vermerkt.


    Es kam wie befürchtet, der Flug Frankfurt-Oslo war pünktlich (Ankunft 13:57 Uhr). In Oslo muss das Gepäck in Empfang genommen und für den Anschlussflug neu aufgegeben werden. Auf das Gepäck musste über eine halbe Stunde gewartet werden, sodass der Anschlussflug (14:45 Uhr) nicht mehr erreicht werden konnte. Der nächste mögliche Flug nach Bergen (16:20 Uhr) wurde annuliert - ohne Angabe von Gründen. Der nachfolgende Flug (17:00 Uhr) war überbucht, das hieß Standby.


    Unser Sohn bekam schließlich den letzten Platz und startete um 17:20 Uhr, wenn auch ohne Gepäck (das wurde am Folgetag nachgeliefert). Es ergibt sich letztlich eine Verspätung von 2 Std., 35 Min. Ist diese Verspätung, da unter drei Stunden, entschädigungsfähig? Ich glaube, es kommt auch auf die Distanz, über oder unter 1.500 Km, an. Sind das Flugkilometer oder "Luftlinie"?


    Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Fluggesellschaft überhaupt in Anspruch genommen werden kann, da sie ja objektiv nicht an der eigentlichen Verzögerung Schuld trägt, sondern die Betreibergesellschaft des Flughafens. Oder haftet sie für die geplante Durchführung der gesamten Strecke, da sie diese ja auch so angeboten und entsprechend bestätigt hat (Buchung/Ticket)?


    Ich hoffe, ich habe alles klar genug geschildert und danke für Ihre Hinweise und Ideen. Vielleicht haben ja andere auch schonmal ähnliche Erfahrungen gemacht.


    Klar, am Ende lässt sich alles verschmerzen, aber irgendwann geht es ja auch mal ums Prinzip.


    Freundliche Grüße


    Henri

  • Eine 'große Verspätung' von über drei Stunden am Endziel liegt nicht vor, denn gem. geschildertem Sachverhalt ist der Passagier mit 'nur:' 2:35 Std. verspätet am Endziel angekommen.


    Der erst Zubringerflug verlief offenbar planmäßig.


    Der Anschlußflug erfolgte nicht wie gebucht sondern mir einer anderen -später fliegenden- Maschine. Selbst wenn man das als Annullierung oder Nichtbeförderung -auf dem gebuchten Anschlußflug qualifizieren würde, hätte man keinen Anspruch auf eine entfernungsabhängige Ausgleichszahlung gem. der VO (EG) 261/2004, der sogen. 'Europ. Fluggastrechteverordnung' denn es handelt sich bei der Stecke Oslo-Bergen um einen inner-norwegischen Flug. Und In Norwegen gilt diese Vorschrift nicht.


    Hat man durch die verspätete Ankunft einen konkret bezifferbaren Schaden erlitten, müßte man diesen nach norwegischem Recht bei der Fluglinie geltend machen.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • @Schlesinger
    Herzlichen Dank, auf Ihre Einlassung und Einordnung habe ich gehofft. Es ist mir jetzt natürlich klar, dass kein Entschädigungsanspruch entsteht - allein schon wegen der zu geringen Verspätung.


    Aber es ist doch schon komisch, SAS ist eine EU-Fluggesellschaft (Sitz in Stockholm). Es wird eine Verbindung Frankfurt-Bergen gebucht und dennoch wird der Anschlussflug separat betrachtet. Das hieße, selbst wenn die Gesamtverspätung mehr als 3 Std. betrüge, entstünde kein Entschädigungsfall, da ein Teil des gebuchten Arrangements sich außerhalb der EU Mitgliedsstaaten abspielt.


    Nun, wenn es denn so ist ....


    Wir werden künftig versuchen, immer einen Flug über Kopenhagen zu buchen. Dort klappt auch das Umsteigen reibungsloser.


  • Aber es ist doch schon komisch, SAS ist eine EU-Fluggesellschaft (Sitz in Stockholm). Es wird eine Verbindung Frankfurt-Bergen gebucht und dennoch wird der Anschlussflug separat betrachtet. Das hieße, selbst wenn die Gesamtverspätung mehr als 3 Std. betrüge, entstünde kein Entschädigungsfall, da ein Teil des gebuchten Arrangements sich außerhalb der EU Mitgliedsstaaten abspielt.


    Die VO (EG) 261/2004 gilt u. a. alle Flüge, die in der EU starten, ganz gleich ob europäische oder nicht-europäische Fluggeselleschaft.
    Außerhalb der EU, dazu gehört auch Norwegen, gilt die Verordnung nicht, auch nicht für europäische Fluggesellschaften - und somit auch nicht für SAS.
    Kommt es zu einer Unregelmäßigkeit auf der ersten Teilstrecke Frankfurt-Oslo, welche noch der VO (EG) 261/2004 unterliegt und hat diese eine über dreistündige Verspätung am Endziel zur Folge hat, hätte es die Ausgleichszahlung gegeben. Das ist aber gem. Eingangssachverhalt nicht der Fall. Hier entstand die Unregelmäßigkeit außerhalb der EU, wo die Verordnung keine Anwendung findet, auch nicht für europäische Fluggesellschaften.


    Ich habe diese Rechtslage nicht erfunden sondern gebe hier nur die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH wieder.


    'Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich nun in zwei Verfahren mit der Frage, ob die Ausgleichsansprüche auch bei verspäteten Anschlussflügen außerhalb der Europäischen Union in Betracht kommen (Urteile vom 13.11.2012, Az.: X ZR 12/12 und X ZR 14/12). In den entschiedenen Fällen erfolgte der Abflug planmäßig am Abflughafen innerhalb Deutschlands. Allerdings verspäteten sich die Anschlussflüge beim außereuropäischen Zwischenstopp um mehrere Stunden. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass trotz Zwischenstopp ein einheitlicher Flug vom Abflugort zum jeweiligen Endziel vorlag und daher auch für den verspäteten Anschlussflug die EU-Fluggastverordnung anwendbar ist. Der X. Zivilsenat des BGH entschied, dass die Ausgleichsansprüche nicht bestehen, da die Verspätung bei einem Anschlussflug eingetreten ist, den die jeweiligen Kläger außerhalb der Europäischen Union angetreten haben. Das Gericht stellte klar, dass die Anwendbarkeit der EU-Fluggastverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen ist, wenn eine Flugreise auch zwei oder mehr Flügen besteht, selbst wenn die Reise als einheitlicher Flug jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer angeboten wird (BGH, Urteile vom 13.11.2012, Az.: X ZR 12/12 und X ZR 14/12). Quelle: http://www.rechtsanwalt-blum.d…g_ausserhalb_europas.html

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • @ Schlesinger


    Jetzt ist mir wirklich alles klar.


    Ich weiß natürlich, dass Sie die Rechtslage nicht erfunden haben :-)) ist doch absolut klar.
    Aber dafür, dass Sie nicht der Erfinder sind, sind Sie in den Bestimmungen ganz schön zu Hause.
    Und das ist toll für uns Ratsuchenden.


    Nochmals ein großes Dankeschön und viele Grüße