Was versteht ihr unter ¨privater Finanzplanung¨

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    Analog zur Frage ¨Habt ihr schon mal in Aktien investiert¨ möchte ich in diesem Forum (bewusst hier) die Frage stellen:


    ¨Was versteht ihr unter privater Finanzplanung¨


    und wurdet ihr von euren Finanzinstituten/Finanzberatern schon mal drauf angesprochen. Was habt ihr dort damit für Erfahrungen gemacht?


    Freue mich auf eine rege Diskussion.

    "Man kann die raffiniertesten Computer der Welt benutzen und Diagramme und Zahlen parat haben, aber am Ende muss man alle Informationen auf einen Nenner bringen, muss einen Zeitplan machen und muss handeln."

    Lee Iacocca, amerik. Topmanager

    • Offizieller Beitrag

    Leider ist ja die Terminologie "Private Finanzplanung" / "Financial Planning" für diese Form der Dienstleistung nicht einheitlich geregelt. Allein dies ist in Anbetracht der Diskussion um das Honoraranlagengesetz eine verpasste Chance.


    In der Praxis werden Begriffe wie:

    • Vermögensanalyse
    • Vermögensstrukturberatung
    • Vermögensplanung

    gebrauchr, um den ganzheitlichen Ansatz der in der Öffentlichkeit noch nicht bekannten Dienstleistung zu verdeutlichen.


    Vereinfacht gesagt ist die private Finanzplanung die Synthese aus Steuer- und Rechtsberatung (im zulässigen Rahmen), Finanzmathematik und dem vertieften Wissen über Produkte aus der Bank-, Versicherungs- und Immobilienbranche.


    In diesem Prozess werden systematisch die finanziellen Verhältnisse analysiert und zwar nach den Bereichen:

    • Liquidität
    • Vermögen
    • Risikoabsicherung

    Was ist das Ziel der privaten Finanzplanung?


    Die Koordination der der kurz-, mittel- und langfristigen Ziele und Wünsche im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten soll mit der privaten Finanzplanung ermöglicht werden.

    • Offizieller Beitrag

    Wir hier bei Finanztip arbeiten Schritt für Schritt genau an diesem opus magnum. Das kann leider aber noch ne ganze Weile dauern.


    Ich will mal nur ein paar wichtige Fragen auflisten, die oft von provisionsabhängigen Vermittlern nicht gestellt werden:
    1. Welche Versicherungen sind wichtig für mich, und welche brauche ich nicht?
    (Privathaftpflicht und BU praktisch immer Standard, Wohngebäude bei Eigenheim Pflicht, dann gehts in absteigender Reihenfolge weiter: Kfz-Teilkasko, Kfz-Vollkasko, Risikoleben, Hausrat, Zahnzusatz...) brauche ich wirklich sowas wie Rechtsschutz oder Unfall?
    2. Wieviel Geld brauche ich wirklich als liquide Rücklage auf einem Tagesgeld? Ehrlich zu sich selber sein, die meisten unterschätzen das und ihr wechselvolles Leben. 2-3 Nettogehälter ist die Faustregel - aber ist nicht ein Umzug wahrscheinlich, den man mal gleich oben drauf rechnen kann? Bevor die Rücklage nicht da ist, braucht man nicht über längerfristiges nachdenken.
    3. Wieviel Geld brauche ich im Monat wirklich zum Leben im Alter? Eminent wichtige direkt damit verbundene Frage: Was werde ich ziemlich sicher mal erben? V.a. Immobilieerbe, Wohneigentum?
    4. Wie ist die Abgabenlast auf verschiedene Sparformen im Alter? Wie hoch Steuern, wie hoch Sozialabgaben? Was bleibt von oft hoch gerühmten Förderprodukten (Riester, bAV, Rürup) dann noch übrig im Vergleich mit anderen Formen?
    5. Wie flexibel ist die Planung die ich aufstelle? Was passiert, wenn ich meinen Job verliere/ins Ausland gehe/mich trenne/scheide/ein Kind bekomme/doch kaufen oder bauen will? Was kosten Änderungen an Produkten, die abschließe? Meistens kommt es anders, als man denkt.


    So weit, so wenig strukturiert.


    G

    • Offizieller Beitrag

    Eine gute Übersicht an Fragen, nur bei Frage 3 muss ich einhaken.


    Ich halte es in der heutigen Zeit für nicht sinnvoll auf etwaige Erbschaften zu spekulieren, denn diese können in Zeiten von steigenden Pflegeheimkosten und weiteren Kostenbelastungen für Ruheständler schnell verbraucht sein.


    Ende vom Lied könnte sein, das sich der Kunde der Finanzplanung auf die Gelder verlässt, keine eigenen weiteren Sparanstrengungen unternimmt und letztendlich ohne vernünftige Versorgung in den Ruhestand geht.


    Daher lieber die pessimistischere Vorgehensweise ohne Erbschaften und dergleichen, wenn doch etwas kommt, kann die Finanzplanung ja erneut angepasst werden.

    • Offizieller Beitrag

    Ausgangspunkt jeder Finanzplanung ist in der Regel die persönliche Situation im Status Quo. Diese Momentaufnahme wird mit den vorhandenen Zielen & Wünschen (z.B. Hausbau, Familie, Jobwechsel) weiterentwickelt und fortgeschrieben. Diese Vorgehensweise soll eine gute Basis bieten um die persönlichen Handlungsspielräume zu erkennen und letztendlich mehr Lebensqualität zu erlangen.


    Der Ablauf einer privaten Finanzplanung besteht im Wesentlichen aus folgenden fünf Phasen:

    • Phase 1: Datenaufnahme
    • Phase 2: Analyse
    • Phase 3: Finanzplanerstellung
    • Phase 4: Strategiegespräch
    • Phase 5: Umsetzung

    Phase 1:


    In dieser Phase werden in der Regel durch einen standardisierten Fragebogen und viele viele Fragen nach allen Aspekten der finanziellen, wirtschaftlichen und familiären Situation der Kunden gefragt. Hierzu gehören exemplarisch folgende Aspekte:

    • Alter, Familienstand, Kinder,
    • Vermögenswerte (Wertpapiere, Immobilien, Kunst, Geldwerte, etc.)
    • Verbindlichkeiten

    Im Rahmen der Datenerfassung wird auch klassischerweise eine Haushaltsrechnung erstellt, dies um letztendlich eine Projektion der Zahlungsströme in den folgenden Planjahren erstellen zu können.


    Ein Großteil der Angaben kann in der Regel durch die Steuererklärung der beiden letzten Jahren, den Versicherungspolicen, Depotauszügen und der weiteren vorhandenen Unterlagen beim Kunden entnommen werden.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Henning,


    nur kurz zum Thema Erbschaften: Ich stimme Dir zu, dass Pflegekosten und Ruhestandsausgaben beim Erbe berücksichtigt werden müssen. Dennoch sollten m.E. signifikante Erbschaften nicht völig unberücksichtigt bleiben. Ich wollte v.a. darauf hinweisen, dass Provisionsvermittler keinen Anreiz haben, auf das Thema Erbe hinzuweisen, weil es die pot. Versorgungslücke verkleinert und niedrigere Abschlusshöhen und Provisionen zur Folge hat. Wieder ein Beispiel, bei dem sich ein ehrlicher Vermittler mit dem System Provision selbst ins Bein schiessen muss.
    Um es nochmal deutlich zu sagen: Derjenige, der zwei Häuser und eine ETW voraussichtl. erbt, muss und sollte anders und vor allem flexibler (!) planen, als jemand ohne Erbe. Damit ist nicht gesagt, dass der pot. Erbe nichts tun sollte. Mit Flexibilität meine ich hier: ETF-Sparpläne gg.über fixen Rentenversicherungen inkl. bAV vorziehen - wenn sich mit 50 herausstellt, dass das Erbe tatsächlich im avisierten Umfang kommt, kann die bereits vorhandene Vorsorge eingestellt und ggf. sogar für ein schöneres Leben verbraucht werden.


    G

    • Offizieller Beitrag

    Hallo @Saidi,


    in der privaten Finanzplanung werden solche Umstände in Form von Szenarien abgedeckt, u.a. kann hier

    • Szenario ohne voraussichtliche Erbschaften
    • Szenario mit voraussichtlichen Erbschaften

    durchgeführt werden.


    Deine Argumente hinsichtlich der fiktiven Vergrößerung einer möglichen Versorgungslücke kann durchaus berechtigt sein, aber letztendlich sind nicht alle provisionsorientierten Berater in diesem Stil unterwegs. Berater mit dem CFP-Siegel unterliegen übrigens strengen Regularien seitens des Verbandes (dies kann u.a. auch für andere Berufsverbände gelten).


    Ich wollte nur darauf hinweisen, das es viele Unwägbarkeiten gibt die ein mögliches Erbe verkleinern oder sogar nichtig machen können, z.B. ein neuer Liebhaber des überlebenden Ehegatten, etc pp. Diese Liste könnten wir jetzt sehr ausführlich ausdiskutieren und in viele Facetten betrachten.


    Und die private Finanzplanung betrachtet den Status Quo und spricht mit dem Kunden über mögliche Handlungsempfehlungen, welche mit den Auswirkungen auf den Kunden im Planungsverlauf (in der Regel bis 10 Jahre nach Eintritt in den Ruhestand) ausgewiesen werden.


    Eine private Finanzplanung sollte alle 2 Jahre überprüft und neu durchgeführt werden, da insbesondere die von Dir genannten finanziellen Änderungen eine wichtige Rolle spielen. Aber auch familiär kann sich durchaus einiges ändern, z.B. Familienzuwachs etc.


    Eine Trennung des Sparbeitrags von den Risikokosten ist auch in der Finanzplanung ein Thema, da sich hierdurch flexiblere und aktivere Möglichkeiten ergeben. Völlig unabhängig von der Auswahl der gewählten Sparformen, möchte jetzt natürlich keine Diskussion im Themenbereich aktives vs. passives Management anzetteln.

    • Offizieller Beitrag

    Phase 1: Datenerfassung


    Wenn man an alle seine finanziellen Unterlagen denkt, kommt in der Regel der Gedanken: "Ist ja gar nicht so viel und so schwer", aber letztlich wird bei der Datenerfassung zur privaten Finanzplanung sehr tiefgehend und es werden viele Details benötigt.


    Folgende Angaben werden erfasst:

    • Familiäre Situation (Familienstand, Kinder, Geburtsdatum, Güterstand, Sozialversicherungs-, rentenversicherungs- und Krankenversicherungspflichtig)
    • Haushaltsrechnung
      • Einkünfte
      • Ausgaben
      • Geldwerte (Giro- und Tagesgeldkonten, Sparkonten, Festgelder, Bausparkonten)
      • Immobilien (eigen- und fremdgenutzt)
      • Verbindlichkeiten (Raten- und Immonbilienkredit, Zuordnung zu welchem Vermögenswert)
      • Wertpapiere
      • Sachversicherungen
      • kapitalbildende Versicherungen (Lebensversicherung, Rentenversicherung, Fondsgebundene LV und RV)
      • Rentenansprüche (gesetzliche, Versorgungswerk, Pensionsansprüche, etc)

    Aus diesen Informationen wird nun in die nächstgehende Phase gestartet.

    • Offizieller Beitrag

    Nachstehend ein exemplarisches Muster für eine Haushaltsrechnung.