Rückerstattung/Entschädigung nach annuliertem Pauschalreise-Flug

  • Hallo liebe Finanztip-Community,


    ich versuche gerade zu verstehen, was ich genau tun kann/muss um bei einem annulierten Flug eine Rückerstattung oder sogar Entschädigungsleistungen einzufordern.
    Ich würde mich über eure Erfahrungen und Unterstützung freuen.


    Leider fand ich bislang keine für mich wirklich verständlichen Erklärungen, die auf meine Konstellation passen - deshalb versuche ich mein Glück noch einmal hier im Forum.


    Meine Situation:

    • Buchung Flug plus Hotel über lastminute.de
    • Annulierung des Fluges VY1816 am Sonntag, den 20.03.2016, von Barcelona nach München, plangemäß durchzuführen von Vueling, aufgrund eines Streiks der französischen Fluglotsen
    • Keine Betreuung vor Ort
    • Selbst organisierter und bezahlter Rückflug mit Lufthansa, da der erste von Vueling angebotene Alternativflug erst 3 Tage später gehen sollte
    • Zusatzkosten: 2 Übernachtungen, Ersatzflug, Verpflegung während der Wartezeit am Flughafen


    Aufgrund meiner Recherchen vermute ich folgende Ansprüche:

    • Ansprüche an den Pauschalreise-Anbieter nach § 651d BGB:

      • Erstattung des Flugpreises für den nicht durchgeführten Rückflug

        • Hier ist die genaue Bezifferung des Betrags nicht ganz trivial, da es sich um eine Pauschalreise handelte, bei der mir zuerst einmal nur der Gesamtpreis bekannt ist. Daher ließ ich mir vom lastminute.de-Kunden-Service zumindest den Euro-Betrag für Hin- und Rückflug nennen, von dem ich pauschal 50% ansetze.
      • Frist: Ein Monat nach vertragsgemäßem Ende der Reise
    • Ansprüche an die Fluggesellschaft nach EU-Fluggastverordnung (261/2004):

      • Hotelübernachtungen
      • Verpflegung am Flughafen
      • Telefonkosten
      • Kein Anspruch auf Ausgleichszahlung von 250 EUR p.P. aufgrund "höherer Gewalt" (Streik)
      • Frage: Muss ich die Erstattung des Flugpreises für den nicht durchgeführten Rückflug statt vom Pauschalreise-Anbieter von der Fluggesellschaft einfordern?
      • Frist: Sechs Monate nach dem planmäßigen Abflug des nicht durchgeführten Fluges

    Stimmt das so?


    Vuelings Postanschrift ist in Spanien.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Forderungsschreiben auf Deutsch verfassen kann, oder ob die Notwendigkeit besteht Englisch oder Spanisch zu schreiben.
    Wie seht ihr das?


    Da sich meine Forderungen gegen die Fluggesellschaft und gegen den Pauschalreise-Anbieter nicht überschneiden, denke ich, dass da auch keine gegenseitige Aufrechnung stattfindet - was denkt ihr?


    Vielen Dank für eure Hilfe.

  • Allgemeines:
    Der Pauschalteisende ist in der glücklichen Lage, zwei Anspruchsgegner (Luftfahrtunternehmen und/oder Reiseveranstalter) zu haben. Er kann sich also aussuchen, wen er in Anspruch nimmt. Nur: Der Reisende darf nicht doppelt kassieren (BGH-Urteil des X. Zivilsenats vom 30.9.2014 - X ZR 126/13 http://juris.bundesgerichtshof…t=en&nr=69424&pos=0&anz=1)


    1. Luftfahrtunternehmen als Anspruchsgegner
    Der Passagier hat hier keinen Anspruch auf eine entfernungs- und verspätungsabhängige Ausgleichszahlung gem. der VO (EG) 261/2004, der sogen. 'Europ. Fluggastrechteverordnung', denn Streik stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, der die Fluggesellschaft von der Zahlung der Ausgleichsleistung über EUR 250,-/400,-/600,- befreit (vgl Art. 5 VO 261/2004).


    Dennoch hat der Reisende gegen das Luftfahrtunernehmen Anspruch auf Untersützungs- und Betreuungsleistungen gegen das Luftfahrtunernehmen aus Art.


    Aus Art. 8 der VO (EG) 261/2004 ergibt sich der Anspruch auf sogen. Unterstützungsleistungen. Doch was ist dies? -
    Dies ist ein Anspruch des Fluggastes auf
    -Erstattung der Flugscheinkosten binnen sieben Tagen oder
    -einen Rückflug zum ersten Abflugort oder
    -anderweitige Beförderung zu seinem Endziel,
    und zwar nach Wahl des Fluggastes. -
    Wann entsteht dieser Anspruch? -
    Er entseht im Falle der
    -Annulierung oder
    -Nichtbeförderung.
    Ferner entsteht dieser Anspruch bei Verspätung über fünf (!) Stunden.


    Hierzu: 'Wird Ihr Flug gestrichen, können Sie sich Ihren vollständigen Flugpreis erstatten lassen. Daher auch den Preis für Teilstrecken, die nicht vom Streik betroffen sind. Wenn Sie also z.B. den Flug Frankfurt-Paris-New York gebucht haben, aber nur der Zubringerflug gestrichen wird, ist Ihnen der volle Flugpreis zu erstatten. Gleiches gilt für den Rückflug, falls dieser für Sie kein Interesse mehr hat. Alternativ können Sie darauf bestehen, ersatzweise an Ihr Endziel befördert zu werden, und zwar zum frühestmöglichen ODER zu einem späteren Zeitpunkt. Wollen Sie sofort befördert werden, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen Sie notfalls auf eine andere Fluggesellschaft umbuchen. Der Anspruch richtet sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, und zwar auch dann, wenn Vertragspartner eine andere Fluggesellschaft oder der Reiseveranstalter ist.' Quelle: RA Woicke, Berlin-Adlershof


    Ferner hat der Fluggast einen Anspruch auf Betreuungsleistungen. Diese sind in Art. 9 der Verordnung festgelegt.
    Dazu zählen angemssene Mahlzeiten und Erfrischungen, Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung, Möglichkeit, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Faxe oder E-Mails zu versenden). Wann entsteht dieser Anspruch? - Es entsteht im Falle der Annulierung, der Nichtbeförderung und der 'großen' Verspätung (ab drei (!) Stunden).


    Zusätzlichen Anspruch auf Hotelunterbringung hat der Passagier gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) der VO (EG) 261/2004 dann, wenn
    — ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
    — ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist.


    Kommt das Luftfahrtunternehmen diesen Verpflichtungen nach Art. 8 und 9 VO nicht nach, kann ein betroffener Fluggast alle Kosten erstetzt erlangen, die ihm infolge der Pflichtverletzung entstanden sind.


    Der Gerichtstand wäre am Sitz des Flugunternehmens oder am Erfüllungsort. Letzterer ist bei einer Flugreise immer der Abflug- und der Ankunftsort. Alle drei Gerichtsstände sind gleichwertig.


    Das Anspruchsschreiben kann in detusch verfaßt werden, wenn die Vertragssprache deutsch war.


    2. Reiseveranstalter als Anspruchsgegner
    Der Reisende hätte auch das Recht, da die Reise mit Mängeln behfatet ist (Rückflug findet nicht wie vereinbart statt), den Reisepreis nachträglich zu mindern. Rechtsgrundlagen sind hier die §§ 651c und 651d BGB. Das gilt auch für Fälle 'höherer Gewalt', wozu auch Streik zählt.


    Wichtig ist hierbei, daß der Reisende erst ein Abhilfeverlangen an den Reiseveranstalter oder seinen Beauftragten stellen mußte, um diesen Anspruch gegen den Reiseveranstalter durchzusetzen. Der Beauftragte des Reiseveranstalters wäre z. B. die örltiche Reiseleitung vor Ort. Nicht Beauftragter des Reiseveranstalters wäre die Fluggesellschaft, denn diese ist Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters.
    Einen Anhalt über die Höhe der Minderungsquote ergibt sich aus der Kemptner Reisemängeltablle, hier unter Pkt. 2 ff. (http://www.reiserecht-fuehrich…ptener%20Tab%204-2015.pdf)


    Daneben kann der Reisende auch Schadenersatz verlangen gem. 651f BGB.


    Der Schaden, sowohl bei Berechnung des Anspruchs gegen das Luftfahrtunternehmen als auch gegen den Reiseveranstalter bemißt sich an den konkreten Ausgaben des Reisenden für die Selbstorganistation der Ersatzbeförderung und nicht durch Herunterrechnung des Fluggkostenanteils aus der Pauschalreise. Der Reisende muß also letztendlich 'plus-minus-null' gestellt werden, als habe der Schaden nicht stattgefunden.


    Der Gerichtsstand gegen den Reiseveranstalter ergibt isch meist aus dessen AGB und ist in den meisten Fällen auf dessen Geschöäftssitz festgelegt.


    Verjährungen:
    a) gegen Luftfahrtunternehmen nationales Verjhährungsrecht, in Deutschland: drei Jahre ('§ 195 BGB).
    b) gegen Reiseveranstalter muß der Anspruch binnen eines Monats nach vertragsgemäßer Beendigung der Reise geltend gemacht werden, danach: zwei Jahre (§ 651g BGB).

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)