Ab wann ist es genug?

  • Ich finde nicht, dass der Thread geschlossen werden soll. Auch einen Mißbrauch als Rechercheobjekte kann ich nicht erkennen.


    @Monika Reich hat eine meines Erachtens sehr sinnvolle Frage aufgeworfen, die eine Diskussion darüber lohnt.


    Für mich lautet übrigens die Antwort: "Es ist nie genug".
    Das hat im Übrigen nichts mit Maßlosigkeit oder Habgier zu tun. Meiner Überzeugung nach ist es menschlich, wachsen zu wollen. Auch in finanzieller Hinsicht.


    Ich selbst habe mit 60 Jahren auch das Stadium "finanzielle Freiheit" erreicht. D.h. ich könnte heute von den Erträgen meines Vermögens leben. Da jedoch niemand weiß, wie alt er wird und wie lange er auch geistig und gesundheitlich fit genug ist, um ein ausgefülltes Leben zu führen, habe ich mich mental darauf eingestellt, mindestens bis 75 beruflich aktiv zu bleiben.


    Im Gegenteil: ich habe sogar vor ein paar Jahren - noch während meiner vollzeitigen Berufstätigkeit - ein Jurastudium als zweite akademische Ausbildung begonnen. Vor über 35 Jahren habe ich schon einen Abschluss als Diplom-Kaufmann erworben. Was mich an Jura reizt, ist die Möglichkeit freiberuflich so lange zu arbeiten, wie man will.


    Vor zwei Jahren bin ich aus meinem Angestellten-Beruf ausgestiegen, um mich auf das 1. Staatsexamen vorzubereiten, das inzwischen hinter mir liegt. Sollte es zu einem "bestanden" gereicht haben, werde ich im Herbst in die weitere Ausbildungsphase als Rechtsreferendar eintreten und in ca. 2,5 Jahren hoffentlich meine Anwaltszulassung haben.


    Das mache ich alles ohne Stress und völlig entspannt, denn meine Rentenansprüche, Mieteinnahmen und mein beträchtliches Aktien-Vermögen würden sowieso für einen sorglosen Ruhestand ausreichen.


    Doch niemand weiß, was kommt.
    Und gerade die Vermögensbesitzer stellen sich ständig die Frage, "wird die Kohle reichen?".


    Wäre ich heute nur auf meine Rentenansprüche reduziert, wäre das unschön. Ich würde zwar nicht in die Grundsicherung fallen - aber große Extras wie Fernreisen, Theater- und Konzertbesuche oder teuer Essen gehen, wären nicht mehr drin.


    Insoweit finde ich die Fragestellung von @Monika Reich berechtigt.
    Und ich finde es interessant, sich darüber mit anderen auszutauschen.


    Noch als weitere Antwort an @Monika Reich folgender Gedanke: Sie können heute selbstverständlich mit Zinseszinsrechnern, die es im Internet kostenlos gibt, ausrechnen, wie lange ein Vermögen von X bei einem angenommenen Ertrag von Y und einer monatlichen Entnahme von Z ausreichen wird. Das ist zwar mathematisch nicht trivial - aber lösbar.


    Das Problem besteht in der eigenen Langlebigkeit. Das ist das eigentliche Risiko.


    Für mich kommt hinzu, dass ich zwei (erwachsene) Kinder habe.
    Deshalb will ich eigentlich mein Vermögen gar nicht vollständig verbrauchen.
    Ich finde den Gedanken schön, dass ich meinen Kindern eines Tages etwas hinterlasse, was über die Kosten der Bestattung weit hinausreicht.


    Deshalb ist kann es eigentlich nie genug sein.
    Das Schöne an einer solchen Lebenslage ist jedoch, dass man gelassen lebt und nicht für jede Betätigung Geld verlangen muss. So sehe ich auch meine Beiträge in diesem Forum. Ich kann es mir einfach leisten, hier öfter mal was zu schreiben.
    Und über das vielfach positive Feedback freue ich mich. Einfach so.

  • @muc wobei doch recht schnell der "abnehmende Grenznutzen" von Geld spürbar wird. Selbst mit meinen vergleichsweise bescheidenen Mitteln wäre ein drastischer Mehrverdienst verbunden mit Mehrarbeit bei gleichzeitiger Unmöglichkeit meinen Sohn um 19h ins Bett bringen zu können für mich keine sinnstiftende Option.

  • @chris2702: Das ist klar! Der Volksmund weiß es: Geld allein macht nicht glücklich.
    Diese Thema liegt jedoch auf einer anderen Ebene, als das von @Monika Reich angesprochene Problem.


    Die Frage nach dem "Wann ist es genug?" bezieht sich ja darauf, welchen Vermögensbetrag ein einzelner erreichen muss, um sich nach Erreichen des Ziels sozusagen ganz dem Verbrauch der Erträge und des Vermögens widmen zu können.


    So lange jemand im Arbeitsprozess steckt - so wie bei @chris2702 mit Mitte dreißig - geht es natürlich auch um die sinnvolle Aufteilung von Arbeitseinsatz und Freizeit/Familienzeit. Im Neusprech: "work-life-balance".


    Der Vermögensbesitzer - ausreichendes Vermögen vorausgesetzt - muss sich jedoch immer der Frage stellen, reicht das Vermögen wirklich bis ans Ende seiner Tage?


    Alternativ kann er sich darauf beschränken, ausschließlich von den Vermögenserträgen zu leben und zu hoffen, dass er so investiert ist, dass der Bestand seines Vermögens allen Wirtschafts- und sonstigen Krisen zum Trotz erhalten bleibt.


    Das mag aus der Sicht eines Mittdreißigers, der noch voll im Erwerbsprozess steht, ein Luxusproblem sein.
    Wer jedoch in der Situation steckt, dass große Teile seines Lebensunterhalts aus dem Vermögen finanziert werden sollen/müssen, der kommt an dieser sehr grundlegenden Frage nicht vorbei.

  • Muc, danke, dass Du meine Frage nochmal so klar zusammengefasst hast. Gerade weil es ein seltenes Problem und für viele eine unverständliches Luxusproblem ist, finde ich so wenige Gesprächspartner, mit denen ich mich dazu austauschen kann.
    Ich erlebe den Wechsel schwierig von der ersten Lebensphase, in der ich überwiegend gespart und investiert habe. Ist es jetzt genug und kann ich (auch emotional und mit all meinen Kontrollbedürfnissen) loslassen und anfangen, den Geldberg schrumpfen zu lassen? Ich komm mir da manchmal vor wie Dagobert, der eben genau nicht loslassen kann und anfängt zu leiden (ihr kennt die Bilder im Geldspeicher).
    Solange diese emotionale und ich fürchte auch, unbewusste, Hürde so groß ist, werde ich weiter Geld dazuverdienen, investieren und noch reicher werden. Menschen, die da von draussen drauf schauen, würden es gierig nennen. Und ich finde, sie haben recht. Ich bin bloss nicht sicher, wie ich da raus komme. Wie ich ohne Unbehagen und ohne das Gefühl von Kontrollverlust sagen kann, ja, es ist genug.

  • Sie sollten nicht anfangen zu leiden. Das wäre verkehrt und würde möglicherweise die Notwendigkeit therapeutischer Hilfe indizieren.


    Nun kenne ich Sie zwar nicht, aber es erscheint mir auch fragwürdig, wenn Sie in Ihrem Selbstbild feststellen, dass andere Sie als gierig bezeichnen könnten. Woran machen Sie das fest?


    Wir können generell wenig dafür oder dagegen tun, was andere über uns denken oder wie sie uns behandeln.
    Allerdings können wir beeinflussen, wie wir darauf reagieren. Das ist das Geheimnis! Wenn wir es zulassen, dass wir durch andere emotional verletzt werden, dann geben wir ihnen auch die Macht dazu.


    Machen Sie sich davon frei und leben Sie so, wie Sie selbst es für richtig halten.
    Weiter oben haben Sie geschrieben, dass Sie keine Kinder haben und insoweit auch Ihr Vermögen verbrauchen könnten.


    Vielleicht liegt da ein Schlüssel für Ihr Unwohlsein. Sie haben gegenwärtig kein Ziel und keinen Zweck für Ihr Vermögen - ausserhalb Ihres eigenen Lebensunterhaltes. Möglicherweise stellt sich die Frage nach dem "wann ist es genug" neu, wenn Sie Ihrem Vermögen einen Sinn geben, der über Ihren Tod hinaus reicht.


    Denken Sie darüber nach, ob Sie vielleicht eine Stiftung errichten könnten, die nach Ihrem Tod das Geld in Ihrem Sinne für einen von Ihnen als wertvoll erachteten Zweck verwendet. Das könnte Ihrem Vermögenswachstum eine völlig neue Zielrichtung geben.


    Wenn Ihnen das zu abgehoben erscheint, könnten Sie Ihr Vermögen einer anderen Stiftung zustiften oder einen gemeinnützigen oder mildtätigen Verein per Testament bedenken.


    Das sind nur so Gedankensplitter. Jedenfalls sollten Sie sich geistig frei machen, dass es irgendwann "genug" sein könnte.


    Ich weiß nicht, was Sie beruflich machen. Der Begriff "Autorin" ist bereits gegoogelt worden. Können Sie davon leben? Oder haben Sie noch einen anderen Beruf?


    Soweit es Ihnen möglich ist, könnten Sie in der jetzigen Phase auch damit beginnen, Dinge zu tun, die viel wertvoller sind, als das, was Sie dafür verlangen. Ich bin beispielsweise neben meinem Studium auch beratend tätig und fördere junge Unternehmer und Existenzgründer. Ich mache das nicht für umsonst, obwohl ich mir auch das leisten könnte. Ich bin jedoch der Auffassung, dass das für meine Klienten schlecht wäre. Was nichts kostet, ist nichts wert.


    Allerdings verlange ich für meine Dienste deutlich weniger als ein "normaler" Unternehmensberater.
    Das kann ich mir halt leisten, weil ich - wie Sie - die finanzielle Freiheit erreicht habe.


    Im Übrigen mache ich auch des öfteren größere Reisen, soweit es die zeitlichen Möglichkeiten meiner Frau, die noch vollzeitig berufstätig ist, zulassen.


    Kürzlich waren wir auf Kreta und hatten für eine Woche eine Segelyacht gechartert. In Matala - dem Ort, der in den späten 60er Jahren ein Hotspot der Hippies war - steht noch heute an einer Mauer "Welcome to Matala George. Today is life. Tomorrow never comes." Das hat mir gut gefallen. Leben Sie entspannt im Hier und Jetzt!


    Viel Erfolg!

  • Das mit dem gierig will ich nochmal deutlicher machen. Weil ich nämlich glaube, dass es nicht nur mir so geht, sondern vielen reichen Menschen.
    Wir haben alle ein unterschiedlich großes Sicherheitsbedürfnis. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass gerade wir Deutschen aufgrund der Erfahrung des zweiten Weltkriegs kollektiv ein recht hohes Sicherheitsbedürfnis haben. Aber sicherlich kommt der Hang zur Sicherheit auch in anderen Ländern vor.
    Mein Sicherheitsbedürfnis und genau nur dieser Anteil in mir (also nicht ich als Ganzes) lächelt milde bei der Empfehlungen "Leben Sie entspannt im Hier und Jetzt". Denn soviel Sicherheit ist doch noch lange nicht da, so mein Anteil "Sicherheitsbedürfnis". Stattdessen wird weiterhin für die Steigerung der Sicherheit Geld angespart. Obwohl es objektiv wahrscheinlich nie aufgebraucht werden kann. Ich kenne zahlreiche Menschen, die wirklich viel Geld auf der hohen Kante haben, die aber nicht aufhören werden, weiter zu sparen und weiter zu investieren. Eben weil die Sicherheit nie groß genug sein kann. Ob wir es dann gierig oder sparsam oder geizig bezeichnen, sei dahingestellt. Und ja, dieser Mechanismus ist durchaus ein Fall für Coaching oder Therapie. Ich setze mich auf der Ebene durchaus immer wieder mit mir und meinen Anteilen auseinander. Wahrscheinlich kann ich es nur deshalb hier so zum Thema machen.
    Ich fände es bloss für dieses Forum wenig bereichern, wenn gerade die Reichen immer nur sagen, es ist alles wunderbar. Auch hier gibt es Probleme und ich teile meine gerne. In der Hoffnung durch Lösungsansätze anderer dazuzulernen.
    Ein Testament habe ich übrigens auch. Allerdings möchte ich keine neue Stiftung gründen, weil diese kaum aktiv etwas machen könnte. Mit 2.000 € Zinseinnahmen in einem Monat kann eine Stiftung ein bisschen Verwaltung finanzieren und dann ein ganz kleines Projekt durchführen. Ich habe mir eine Stiftung ausgesucht, bei der ich Zustifterin werden will. Und zum Teil geht auch Geld direkt an Vereine, die ich sehr schätze. Da wird das Geld dann direkt für einen guten Zweck ausgegeben. Wenn noch was da ist, wenn ich abtrete. (-:

  • ich habe das Thema mit wachsender Begeisterung gelesen (reizt direkt, Monika Reich mal in Natura zu erleben).
    Grds. alles richtig gemacht: Zustiftung; sich klarwerden, wenn es reicht - und dann tend. nur noch sinngebenden Tätigkeiten nachgehen (was durch Zwänge der AG nicht immer gelingt).
    Aber: erst mit einem "Partner" macht das Leben Sinn - es fällt auf, dass darüber kein Wort fiel. Geld allein macht eben nicht glücklich.

  • Hallo @'Guenter58
    danke für das positive Feedback. Und ich gebe Dir in Gänze recht. Geld ist ein Tauschmittel für andere Dinge. Mehr nicht und auch nicht weniger. Liebe lässt sich nicht tauschen, zumal sie ja bekanntlich nicht weniger wird, wenn man sie hergibt. Und Liebe und mit Menschen zusammen zu leben, die man liebt, ist viel wichtiger als alles Geld.
    Bei der finanziellen Freiheit, wie ich sie lebe und verstehe, nutze ich das Tauschmittel Geld um Zeit einzutauschen. Zeit ist für die Liebe sehr zuträglich. Es fühlt sich gut an, viel Zeit für Gespräche und Gemeinsames zu haben. In diesem Sinne ist dann Geld doch wieder ganz gut für die Liebe. Weil es mit ermöglicht, viel Zeit für das Pflegen der Liebe zu haben.


    Viele Grüße Monika