Erfahrungen Flugstornierung

  • Liebes Forum,


    ich schildere euch hier meinen Fall zum Thema Geld zurück bei Flugstornierung, und würde mich freuen ein paar Erfahrungen oder Einschätzungen zu erhalten:


    Hier in kürze mein Fall:


    Flug direkt bei Finnair online gebucht am 24. Oktober 2015:


    Hinflug 11. April 2016 Hamburg-Peking (via Helsinki)
    Rückflug 19. Juli 2016 Peking-Hamburg (via Helsinki)


    Alle Flüge storniert bei Finnair am 22. März 2016.


    Daraufhin Einschreiben meinerseits an Finnair mit Bitte um Erstattung der Steuern und Gebühren (über 50% des Gesamtpreises - 370€ von 650€) sowie Abrechnung und Auflistung ob und zu welchem Preis die Tickets weiter verkauft worden, alles nach Musterschreiben des entsprechenden Artikels hier auf Finanztip.


    Nach ausbleibenden Erfolg einholen anwaltlicher Unterstützung. Trotzdem Weigerung seitens Finnairs auf Rückzahlung der Kosten, lediglich 36€ wurden nach Verweis auf die englischsprachigen Ticketbedingungen erstattet.


    Von daher wird es wohl auf eine Klage hinauslaufen.


    Jetzt wäre ich natürlich sehr dankbar über ähnliche Erfahrungen anderer, oder eine (am besten natürlich auf Verfahren oder Urteile fundierte) Einschätzung der Erfolgsaussichten.


    Meine Hoffnungen ruhen vor allem auf dem Urteil des Landgericht Frankfurt von vor zwei Jahren, auf welches sich auch der Finanztip Artikel beruft.
    Des weiteren auf das Urteil des Amtsgericht Köln (Az. 114 C 22/12), wonach englische AGB's ebenfalls ungültig sind.


    Vielen Dank für eure Antworten, ich halte euch auf dem Laufenden!

  • Neben dem Frankfurter Urteil ist die Rechtsprechung in derartigen Fällen sehr eindeutg.


    Hierzu auch ein Urteil des LG Köln vom 28.10.2010, Az.: 31 O 76/19 (beklagt: 'germanwings'): Leitsatz: 'Eine Fluggesellschaft darf Kunden nicht mit aufgeblähten Antragsformularen und Gebühren davor abschrecken, eine Erstattung von Steuern und Flughafengebühren zu fordern.' - Aus den Entscheidungsgründen, Ziff. 2 Pkt. 2: 'Die Regelung ..., wonach der Beklagten im Falle der Rückerstattung von Steuern und Gebühren eine Bearbeitungsgebühr von pauschal 5,50 € pro Person und Strecke zusteht, ..., verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.


    Das Landgericht Köln urteilte nicht nur gegen die 'Lufthansa'-Tochter' germanwings' wie oben dargestellt sondern auch mit gleichlautender Argumentation gegen die 'Lufthansa' selbst (Urteil vom 05.06.2013, Az.: 26 O 481/12).


    Auch das Kammergericht Berlin urteilte am 12.08.2014 (Az.: 5 U 2/12 / noch nicht rechtskräftig!): 'Eine Fluggesellschaft darf kein Entgelt für die Bearbeitung stornierter oder nicht angetretener Flüge verlangen. Das hat das Kammergericht Berlin nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen Air Berlin entschieden.


    Und noch ein Argument: Es entspricht zwar den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, dass bei der Berechnung der Vorteile, die der Schuldner sich nach § 326 Abs. 2 BGB auf die Gegenleistung anrechnen lassen muss, auch ein mit der Abwicklung verbundender Zusatzaufwand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entsteht der Zusatzaufwand aber allein dadurch, dass die Beklagte entgegen § 641 BGB von ihren Kunden die Zahlung der Vergütung in Vorleistung verlangt. Diese Abweichung von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Kunden ist zwar zulässig, kann aber nicht dazu führen, dass die Beklagte dem Kunden auch noch die daraus resultierenden Kosten einer Rückabwicklung auferlegt.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Daraufhin Einschreiben meinerseits an Finnair mit Bitte um Erstattung der Steuern und Gebühren (über 50% des Gesamtpreises - 370€ von 650€) sowie Abrechnung und Auflistung ob und zu welchem Preis die Tickets weiter verkauft worden, alles nach Musterschreiben des entsprechenden Artikels hier auf Finanztip.

    Im (für den Passagier) schlechtesten Fall kann das Flugticket durch die Fluggesellschaft nicht weiterverkauft werden. Dann hat der Passagier natürlich keinen Anspruch auf Rückzahlung des reinen Ticketpreises gem. Urteil des LG Frankfurt, Az.: 2-24 S 152/13. - Dennoch stehen dem Passagier auf alle Fälle die Rückzahlung von Steuern und Gebühreh für Dritte zu (z. Bsp.: Start- und Landegebühren, Luftsicherheitsabgabe usw.). - Der Treibstoffkostenzuschlag ist in den allermeisten Fällen Bestandteil des reinen Flugpreises (genaueres in den Airline-AGB nachlesen) und steht der Airline und nicht Dritten zu. Daher besteht in diesen Fällen kein Anspruch auf Rückerstattung des Treibstoffkostenzuschlags.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Vielen Dank erstmal für die Mut machenden ersten Antworten!


    Erstaunlich, dass sich trotz der anscheinend ziemlich eindeutigen Rechtssprechung die Airlines zunächst weigern diese anzuerkennen.


    Wie ich den Antworten und anderen Beiträgen, die ich zu dem Thema gelesen habe entnehmen konnte, scheint die Sache bei den Steuern und Gebühren recht eindeutig.


    Kniffliger könnte es wohl bei den eigentlichen Ticketkosten werden.
    Für den Hinflug habe ich es damals versäumt kurz vor Abflugdatum direkt bei Finnair zu checken, ob die besagten Flüge ausverkauft waren, was ja ein eindeutiger Beweis dafür gewesen wäre, dass Finnair meine Tickets weiter verkaufen konnte.
    Für den Rückflug besteht diese Möglichkeit ja noch (19. Juli).


    Meint ihr das bringt was? Eigentlich hat das LG Frankfurt die Beweislast ja den Airlines zugewiesen, nachzuweisen, ob und für wie viel Geld sie die Tickets weiter verkaufen konnten.
    Ein Anwalt sagte mir jedoch am Telefon die zuständigen Amtsgerichte würden diese Beweislast oftmals wieder umdrehen und auf den Kunden abwälzen...

  • Meint ihr das bringt was? Eigentlich hat das LG Frankfurt die Beweislast ja den Airlines zugewiesen, nachzuweisen, ob und für wie viel Geld sie die Tickets weiter verkaufen konnten.Ein Anwalt sagte mir jedoch am Telefon die zuständigen Amtsgerichte würden diese Beweislast oftmals wieder umdrehen und auf den Kunden abwälzen...

    Im Zivilrecht gilt der Grundsatz: "Wer etwas behauptet, der muß es auch beweisen." - Behauptet der Passagier, die Maschine (und somit auch sein Platz) sei ausgebucht bzw. sein Platz weiterverkauft worden, dann muß er dies auch beweisen. Dies kann er nicht, weil er keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen / Buchungsinternas der Airline hat. - Jedoch hat er einen Auskunftsanspruch gegenbüber der Airline. diese muß dem Passagier dann richtig und vollständig Auskunft über den Weiterverkauf/Nichtweiterverkauf seines Tickets geben. Hierbei hat sie ein Wahrheitspflicht, ansonsten beginge sie Porzeßbetrug.


    Hierzu aus dem Urteil des AG Frankfurt: Zwar hat grundsätzlich der Besteller (bzw. der Fluggast) darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer (bzw. der Luftfrachtführer) Aufwendungen erspart, bzw. Erlöse durch anderweitige Buchung erzielt hat. Weil der Besteller jedoch regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Unternehmers hat, ist dem Unternehmer im Wege der sog. sekundären Darlegungslast zuzumuten, seine ersparten Aufwendungen bzw. anderweitig erzielten Erlöse für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern. Erst dann ist es Sache des Bestellers, dazulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Aufwendungen erspart bzw. höhere Erlöse erzielt hat als vom Unternehmer behauptet (BGH, Urt. 14.1.99, Az. VII ZR 277/97, = NJW 99, 1253).

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Ein Anwalt sagte mir jedoch am Telefon die zuständigen Amtsgerichte würden diese Beweislast oftmals wieder umdrehen und auf den Kunden abwälzen...

    Einige 'Telefon-Anwälte' bzw. Rechtsanwälte kennen sich zum einen nicht mit dem speziellen thema 'Fluggastrechte' aus. Somit können Sie auch nicht die neueste Rechtsprechung (dazu zählt auch das Urteil des LG Frankfurt, Az.: 2-24 S 152/13 ) in einen evtl. Gerichtsprozeß einfliessen lassen bzw. vorgerichtlich die Airline auf die richtige Rechtlage hinweisen. Zum anderen wollen 'Telefon-Anwälte' möglichst rasch und kurz ihre Fälle beenden. Auch sind bei Streitigkeiten, die auf Fluggastrechten basieren, die Streitwerte (davon hängt auch die Höhe des Anwaltshonorars ab) nicht besonders für den Anwalt interessant...


    Ich weiß, daß diese Behauptung 'kühn' ist, kann sie jedoch anhand eines anderen finanztop-Threads (Flugverspätung von ca.3:30 Std. - Reise & Urlaub - Finanztip-Community) belegen. Dort konsultierte der Fragesteller einen 'richtigen Rechtsanwalt', welcher nach einer Flugunregelmäßigkeit bei einem Flug im Rahmen einer Pauschalreise zunächst fälschlicherweise gegen den (Pauschal-)Reiseveranstalter vorgehen wollte, anstatt den Anspruch direkt gegen die Airline zu richten, was richtig gewesen wäre.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Liebes Forum,


    jetzt hat es doch eine ganze Weile gedauert, die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen eben manchmal etwas langsam. Nichtsdestotrotz erging am 1. September 2016 am Amtsgericht Hamburg im Namen des Volkes folgendes Urteil:


    Finnair hat mir 95% der Flugkosten zu erstatten, die Kosten des Gerichtsverfahren sowie meine außergerichtlichen Anwaltskosten haben sie ebenfalls zu tragen.
    Da der Streitwert unter 600€ liegt besteht keine Möglichkeit für Finnair in Berufung zu gehen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


    Also ein vollständig obsiegendes Urteil wie es so schön heißt. Besser hätte es nicht laufen können.
    Ich frage mich nur, kann sich Finnair da noch irgendwie raus stehlen? Das Urteil aus dem fernen Hamburg in Helsinki einfach ignorieren? Ich hoffe doch nicht...


    Bei Fragen oder Empfehlung für einen guten Anwalt gerne an mich wenden.

  • Gratulation!!!!


    'Die Airlines legen für Passagiere die langen Bearbeitungszeiten und bürokratischen Hürden oft so hoch, dass nur wenige ihre berechtigten Forderungen durchsetzen.
    "Die Fluggesellschaften setzen darauf, dass den Passagieren die Puste ausgeht und die Mehrheit einfach nicht klagt", sagt Sabine Fischer-Volk, Reisrechtsexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg.' Quelle: Die Welt


    Aus zwei anderen Fällen:
    Aber die Iberia zahlte trotzdem nicht. Selbst eine Drohung mit dem Gerichtsvollzieher blieb erfolglos. Erst nachdem die vom Passagier beauftragte Anwaltskanzlei beim Amtsgericht Frankfurt am Main beantragt hatte, dass ein Gerichtsvollzieher die Summe eintreibt, überwies Iberia Ende Juli 2012 das Geld.' Quelle: Stiftung Warentest
    Aber auch bei Condor mußte schon einmal der Gerichtsvollzieher erscheinen, sie aus einem 'Siegel-online'-Artikel v. 05.04.2016 hervorgeht: 'Ein Kunde der Firma Condor wartete jahrelang auf Entschädigung für einen verspäteten Flug. Erst als ein Gerichtsvollzieher versuchte, eine Maschine des Unternehmens zu pfänden, ging alles ganz schnell. ...
    Mit dem Flugzeug, das einen zweistelligen Millionenbetrag wert ist, sollten theoretisch 600 Euro eingetrieben werden, die die Airline trotz eines gültigen Vollstreckungstitels nicht an einen Kunden gezahlt hatte.
    Dies sind aber Einzelfälle und äußerst selten. Sie kommen nur in verschwindend geringen homeopathischen Dosen vor. In der Regel zahlen die Fluggesellschaften nach einem rechtskräftigen Urteil.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Danke, danke, und vielen Dank nochmal an Finanztip und Schlesinger für die kompetenten Informationen. Ohne die hätte ich mich sicher auch nicht getraut zu klagen.


    Das mit der Flugzeugpfändung finde ich gut, das werde ich an meinen Anwalt weiter reichen. Finnair hat ja gerade die neuen A350 bekommen, von so einem würden die sich bestimmt nur sehr ungern so schnell wieder trennen.