Flug gestrichen - Airline reagiert nicht

  • Hallo liebe Community,


    mein Mann und ich haben eine Urlaubs-Flugreise nach Italien unternommen. Unser Rückflugtermin am Flughafen Venedig mit AlItalia war der 17. Juni2016 15.05 Uhr.
    Als wir um 12.30 Uhr am Flughafen ankamen, zeigte die Anzeigetafel "cancelled" für unseren und eine ganze Reihe weiterer Flüge.
    Angeblich wegen Streik, wurde uns mitgeteilt, ein Ende des Streiks sei nicht abzusehen und ein Abflug noch am gleichen Tag wurde verneint. Man gab uns eine Telefonnummer, unter der wir für den nächstmöglichen Abflugtermin umbuchen sollten. Gleichzeitig wurde uns mitgeteilt, dass es keine Kostenerstattung für alternative Reisemöglichkeiten und auch keine kostenlosen Hotelübernachtung geben wird, da Streik höhere Gewalt und damit nicht von der Fluggesellschaft zu verantworten. Lediglich der Preis für den Rückflug würde uns erstattet werden, wenn wir nicht fliegen.
    Die Telefonnummer war natürlich nur besetzt, denn tausende Fluggäste wollten ja weg., so dass wir uns entschlossen, eine andere Möglichkeit für die Rückfahrt zu suchen. Schließlich waren noch zwei Plätze im Bus frei, so dass wir am nächsten Abend nach 26 Stunden Busfahrt über Slowenien, Wien und Prag wieder in Berlin - unserer Heimatstadt - völlig erschöpft ankamen. Der Urlaubseffekt war weitgehend dahin.


    Im Nachhinein erfuhren wir, dass die Fluglotsen und das Bodenpersonal "streikten" weil es an diesem Nachmittag das EM-Fußballspiel Italien gegen Schweden gegeben hat, das sich das Personal ansehen wollte. "Offiziell" würde das sicher niemand zugeben, aber es stand so in div. Zeitungen, mit einer gewissen "Schadenfreude" gegen die Fluggäste, die die Suppe alleine auslöffeln müssen, da "höhere Gewalt".


    Den Flugpreis für den Rückflug haben wir, trotz mehrfacher Aufforderung bis heute nicht zurück erhalten, obwohl dies angeblich spätestens 7 Tage nach Geltendmachung zu erfolgen hat.
    Wir können darüber hinaus aber nicht verstehen, warum wir - wegen eines Fußballspiels!!! - auch noch auf den zusätzlich entstandenen Kosten - Busfahrt im Flixxbus für 200 € (wir wollten die Kosten nicht noch weiter in die Höhe treiben und haben uns deshalb für den strapaziösen Weg mit dem Bus entschieden, statt - einzig alternativ möglich, da keine Sitzplätze mehr verfügbar - für 800 € im Schlafwagen des ICE über München zurückzufahren), Nebenkosten in Höhe von ca. 100 € - es wurde ja auch keine Versorgung im Flughafen durch die Airline angeboten, kein Transfer, nichts außer eine Telefonnummer. Vom entgangenen Erholungseffekt und zwei Resturlaubstagen 18./19 Juni in völliger Erschöpfung ganz zu schweigen.


    Steht uns tatsächlich in dieser konkret beschriebenen Situation lediglich die Erstattung des Flugpreises zu und keine Entschädigung und Erstattung sonstiger Kosten?


    Was können wir tun - außer klagen - um den Flugpreis wenigstens endlich erstattet zu bekommen, wenn es so sein sollte, dass wir tatsächlich keine weiteren Ansprüche haben, denn auch darauf hat Alitalia bisher nicht reagiert...


    Auf jeden Fall : Nie wieder Alitalia, oder sind da alle Fluggesellschaften gleich und "sitzen" Ansprüche ihrer Fluggäste einfach aus?


    Auf Ihre Antworten bin ich sehr gespannt. Vielen Dank fürs Lesen - leider ging´s nicht kürzer...


    scheili

  • Im Nachhinein erfuhren wir, dass die Fluglotsen und das Bodenpersonal "streikten" weil es an diesem Nachmittag das EM-Fußballspiel Italien gegen Schweden gegeben hat, das sich das Personal ansehen wollte. "Offiziell" würde das sicher niemand zugeben, aber es stand so in div. Zeitungen, mit einer gewissen "Schadenfreude" gegen die Fluggäste, die die Suppe alleine auslöffeln müssen, da "höhere Gewalt".
    Steht uns tatsächlich in dieser konkret beschriebenen Situation lediglich die Erstattung des Flugpreises zu und keine Entschädigung und Erstattung sonstiger Kosten?
    Was können wir tun - außer klagen - um den Flugpreis wenigstens endlich erstattet zu bekommen, wenn es so sein sollte, dass wir tatsächlich keine weiteren Ansprüche haben, denn auch darauf hat Alitalia bisher nicht reagiert...


    Auf jeden Fall : Nie wieder Alitalia, oder sind da alle Fluggesellschaften gleich und "sitzen" Ansprüche ihrer Fluggäste einfach aus?

    1.
    'Um 15.00 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit wird in Toulouse das Fußball-EM-Spiel Italien - Schweden angepfiffen. Um 13.00 Uhr legen die italienischen Fluglotsen die Arbeit nieder. Zu knapp, um noch nach Frankreich aufzubrechen, aber genug Zeit für die Tifosi, nach einem guten Mittagessen das Spiel im Fernsehen zu verfolgen. Nach dem Abpfiff ging es um 17.00 Uhr dann wieder in den Tower und die Fluglotsen waren gut gelaunt: Die Squadra Azzura gewann 1:0 und qualifizierte sich für das EM-Achtelfinale (Im Artikelbild die feiernden Spieler).


    Natürlich fielen Hunderte Flüge aus, unzählige weitere hatten Verspätung. Aber den gestrandeten Passagieren und Flugzeugbesatzungen wurde Abwechslung geboten: Ein hochklassiges Fußballmatch live im Fernsehen. Ein Schelm, wer bei dieser Streikplanung Böses denkt. Der Arbeitskampf richtete sich ganz eindeutig gegen drohende Rentenkürzungen!' Quelle: http://www.dw.com/de/italien-f…ca=de-rss-de-top-1016-rdf



    Die Fluglotsen haben tatsächlich eine kollektive Aussage in einer gemeinsamen Angelegenheit gemacht. Das muß nicht immer die Demonstration sein. Das kann auch einfach das Fernbleiben von der Arbeit (Arbeitsausstand) sein. Ob sie dann nebenbei etwas essen, ob sie Fernseh schauen oder mit den Däumchen drehen, spielt keine Rolle. Offenbar fand tatsächlich ein Streik statt.


    Streik zählt gem. höchstrichterlicher Rechtsprechung als 'höhere Gewalt' bzw. 'außerordentliche Umstände' im Sinne der 'Europäischen Fluggastrechteverordnung' -der VO ('EG) 261/2004- und entbindet die Fluggesellschaft somit von der Pflicht eine entfernungs- und verspätungsabhängige Auslgeichsleistung als pauschalen Schadenersatz an den Passagier zahlen zu müssen (vgl. Art. 5 Abs. 3 der VO ('EG) 261/2004).


    2.
    Dennoch entbindet das Vorliegen von 'außergewöhnlichen Umständen' das Luftfahrtunternehmen nicht von der Pflicht, dem Passagier gegenüber Betreuungs- und Untersützungsleistungen erbringen zu müssen.
    2.a.
    Aus Art. 8 der VO (EG) 261/2004 ergibt sich der Anspruch auf sogen. Unterstützungsleistungen. Doch was ist dies? -
    Dies ist ein Anspruch des Fluggastes auf
    -Erstattung der Flugscheinkosten binnen sieben Tagen oder
    -einen Rückflug zum ersten Abflugort oder
    -anderweitige Beförderung zu seinem Endziel,
    und zwar nach Wahl des Fluggastes.
    2.b.
    Ferner hat der Fluggast einen Anspruch auf Betreuungsleistungen. Diese sind in Art. 9 der Verordnung festgelegt.
    Dazu zählen angemssene Mahlzeiten und Erfrischungen, Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung, Möglichkeit, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Faxe oder E-Mails zu versenden). Wann entsteht dieser Anspruch? - Es entsteht im Falle der Annulierung, der Nichtbeförderung und der 'großen' Verspätung (ab drei (!) Stunden).


    Zusätzlichen Anspruch auf Hotelunterbringung hat der Passagier gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) der VO (EG) 261/2004 dann, wenn
    — ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
    — ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist.


    Kommt das Luftfahrtunternehmen diesen Verpflichtungen nach Art. 8 und 9 VO
    nicht nach, kann ein betroffener Fluggast alle Kosten erstetzt
    verlangen, die ihm infolge der Pflichtverletzung entstanden sind.


    3.
    Ich würde die Fluggesellschaft ein zweites Mal unter angemessener Fristsetzung anmahnen, und zwar nachweisebar (entweder per EMail mit Lesebstätigung oder per Einschreiben).
    Dieser Schritt ist wichtig, denn nur auf ihm können weitere Schritte aufgebaut werden (evtl. bliebe man sonst auf seinen Kosten der Rechtsverfolgung/Mahnkosten/Rechtsanwaltskosten) 'sitzen'.


    Danach würde ich im Falle der Nichtreaktion ein internationales Mahnverfahren einleiten oder im Falle der Nichtreaktion oder Ablehnung einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung meiner Interessen beauftragen oder mich an 'Schlichtungsstelle Luftverkehr' beim Bundesamt für Justiz wenden.
    3.a
    Hat der streitgegenständliche Flug
    -nach dem 01. November 2013 stattgefunden,
    -ist die betreffende Airline Mitglied im Trägerverein der Schlichtungsstelle (ist bei 'Alitalia' nicht der Fall) und
    -sind beide Parteien mit einem Schlichtungsverfahren einverstanden,
    so kann man dort das Schlichtungsverfahren beantragen.
    Vorteile des Schlichtungsverfahrens:
    -das Schlichtungsverfahren ist verjährungshemmend,
    -es entstehen nur die eigenen Kosten (Porto, Telefon usw.) und
    -keine der Parteien ist später verpflichtet, sich an einen Schlichtungsspruch zu halten.
    (Die Fluggesellschaften sind nur im Falle von privat veranlassten Reisen zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren verpflichtet (§ 57 b Abs. 1 LuftVG). Eine (freiwillige) Teilnahme bei geschäftlich veranlassten Flugreisen wird von den Fluggesellschaften abgelehnt. Daher kann in Fällen geschäftlich veranlasster Flugreisen kein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden.)

    Wenn die betreffende Fluggesellschaft nicht Mitglied im Trägerverein der 'Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V.' (siehe oben) ist -und nur dann (!)-, kann man sich auch an die 'Schlichtungsstelle Luftverkehr' beim Bundesamt für Justiz wenden (nicht verwechseln mit dem Luftfahrtbundesamt in Braunschweig!).



    Es werden keine faulen Kompromisse vor der Schlichtungsstelle getroffen! - Heinz Klewe, Geschäftsführer der SÖP, verwehrt sich gegen das Vorurteil, dass man sich mit den Airlines auf halbem Weg treffe. "Wo der Rechtsanspruch klar ist, wird immer die volle Summe gezahlt." Außerdem nehme die SÖP anders als die Inkassobüros auch Fälle mit unklarer Rechtslage an.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Guten Abend Schlesinger,


    herzlichen Dank für Ihre ausführliche, kompetente Antwort. Ich werde wie von Ihnen vorgeschlagen, meine Forderung noch einmal - per Einschreiben - geltend machen, und zwar auch die zusätzlich entstandenen Kosten und sehen, was dann wohl passiert.
    Hätte ich das vorher gewusst, hätten wir sicher erstmal in einem ordentlichen Hotel übernachtet oder wären doch im Schlafwagen nach Hause gefahren - so what! Man lernt nie aus!
    Da bin ich jetzt fast ein bisschen schadenfroh, dass unsere Jogi-Jungs gestern Italien aus dem Rennen rausgekickt haben ...


    ;)

  • Guten Tag,


    meine Frau hat folgendes Problem. Sie hatte zwei Flüge und beide wurden gestrichen. Sie hat von der Airline 500€ zugesagt bekommen nur dass ihre Vorgesetzte es zu ende regeln wollte und wohl das Firmenkonto angegeben hat. Als Heute menie Frau sie darauf angesprochen hat und nachgefragt hat wann sie die Aufwandsentschädigung bekommen wird hat man ihr gesagt das sie nichts davon bekommen wird.
    Ehrlich gesagt weis ich nicht ob diese Frage hier richtig ist, aber ich freue mich auf eine Antwort.


    Mit freundlichen Grüßen


    Luis80

  • Auf flightright.de steht, dass laut der EU-Fluggastrechteverordnung die Entschädigung aufgrund von Flugausfall/-verspätung dem Reisenden zusteht, auch wenn es eine Dienstreise war und der Arbeitgeber den Flug bezahlt hat.

  • meine Frau hat folgendes Problem. Sie hatte zwei Flüge und beide wurden gestrichen. Sie hat von der Airline 500€ zugesagt bekommen nur dass ihre Vorgesetzte es zu ende regeln wollte und wohl das Firmenkonto angegeben hat. Als Heute menie Frau sie darauf angesprochen hat und nachgefragt hat wann sie die Aufwandsentschädigung bekommen wird hat man ihr gesagt das sie nichts davon bekommen wird.
    Ehrlich gesagt weis ich nicht ob diese Frage hier richtig ist, aber ich freue mich auf eine Antwort.

    Die Ausgleichszahlung erhält nicht der Arbeitgeber, sondern der 'Fluggast' selbst. Lt. EU-Fluggastechte-Verordnung steht dem 'Fluggast' persönlich eine Ausgleichszahlung für die entstandenen Unannehmlichkeiten zu - dies gilt auch,wenn der Arbeitgeber den Flug im Rahmeneiner Dienstreise bezahlt hat.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Vielen Dank Schlesinger!
    Meine Frau wird mit ihrer Vorgesezten nächste Woche sprechen und wenn diese immer noch dicht macht, bekommt sie eine 14 Tage Frist schrifftlich.