Finanzierungsmodell für Neubau

  • Liebes Forum,


    ich habe vor einigen Jahren ein Grundstück mit kleinem Haus geerbt. Das Haus würde ich nun gerne abreißen und ein Einfamilienhaus hinbauen.
    Mich würde interessieren wie man den Neubau am besten finanziert. Natürlich hängt es immer vom Einzelfall ab aber evtl. kann Finanztip ja gewisse Modelle darstellen (abstrahiert von den jeweiligen Vermögen und Bedingungen eines einzelnen).


    Für Abriss und Neubau plane ich derzeit mit rund 300.000 Euro. Mein Eigenkapital beläuft sich auf 20%. Weiteres liquides Vermögen liegt nicht vor.
    Zudem bin ich berufstätig und beziehe ein monatliches Gehalt von rund 1800€ - wovon rund 800€ am Ende eines Monats übrig bleiben.


    Sollte man ein klassisches Annuitätendarlehen als Finanzierungsstruktur heranziehen? Ein Kombi-Modell mit Bausparverträgen (wie von den Banken vorgeschlagen) oder ein Mix aus diversen? Ich denke eine lange Zinsbindung macht beim derzeitigen Niveau Sinn. Sollte man zusätzlich ein variabel verzinsten Kredit aufnehmen (Euribor 6m + 150 bp)?


    Vielen Dank und beste Grüße
    Katja
    Was für eine Finanzierungsstruktur ist

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Katja,


    die Frage ist sehr spannend von Ihnen und ich bin auf die kommenden Antworten gespannt :)


    Folgende Fragen sind für die weiteren Antworten sicherlich interessant:

    • in welchem Zeitraum soll der Kredit abgezahlt sein (Eintritt in den Ruhestand?)
    • ist nach Einsatz des Eigenkapitals von 20% der Investitionssumme noch eine "eiserne Reserve" vorhanden?
    • gibt es in Sachen Absicherung (Familie, etc.) Punkte zu beachten?

    Ich freue mich auf die Diskussion.

    "Man kann die raffiniertesten Computer der Welt benutzen und Diagramme und Zahlen parat haben, aber am Ende muss man alle Informationen auf einen Nenner bringen, muss einen Zeitplan machen und muss handeln."

    Lee Iacocca, amerik. Topmanager

  • Hallo Henning,


    - die 20% beinhalten leider schon meine "eiserne Reserve". Ich dachte mir, je mehr EK ich beisteuer, desto besser. Außerdem sind doch 80% Beleihung eine kritische Größe bei den Banken oder?
    - hinsichtlich des Zeitraums bin ich recht flexibel und offen - je nach dem was am besten und günstigsten ist ;)
    Also wie gesagt stehen etwa 800€ zur Tilgung pro Monat zur Verfügung. Das kann mit der Zeit durch Gehaltssteigerungen etc sicherlich auch mehr werden aber damit würde ich ungern planen. Einmalkosten wie bspw. Urlaub etc sind bereits berücksichtigt sodass die 800€ relativ fix sind. Ich dachte es würde Sinn machen über einen langen Zeitraum (>15 Jahre) das Haus zu finanzieren. Evtl. bietet es sich aber auch an diverse Tranchen aufzunehmen (eine mit kurzer / mittleret und langer Laufzeit).
    - als Zusatzinfo noch: ich bin derzeit 30 Jahre jung.
    - Absicherungen: Meine Eltern haben ein Haus was ich aber ungern beleihen würde. Eine Familie gründen werde ich nicht. Also zu Thema Absicherung ist eigentlich nichts weiter zu beachten.


    Beste Grüße
    Katja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Katja,


    merci für die weiteren Informationen.


    Was die Frage des Zeitraums anging, meinte ich damit .... bis wann möchten Sie "schuldenfrei" sein.


    Mit Ihrem Alter 30 Jahren könnten wir jetzt festlegen das bis zum Eintritt des gesetzlichen Renteneintritts mit 67 Jahren die Immobilie schuldenfrei sein soll.


    Somit kann das Darlehen mit 37 Jahren Laufzeit berücksichtigt werden.

  • Hallo Henning,


    da habe ich dich etwas missverstanden ;)
    Ich möchte aufjedenfall bis zur Rente schuldenfrei sein - sprich mit 67. Wenn es natürlich auch früher gehen sollte, würde ich dieses bevorzugen....
    Ist der Zeitraum (ob nun mit 60 oder 67 Jahren schuldenfrei) für eine Finanzierungsstruktur von Bedeutung?


    VG
    Katja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Katja,


    kleiner Tipp: Wenn Sie sich hier im Forum registrieren ist die Kommunikation durch die direkte Verlinkung etwas einfacher und die Community freut sich über zahlreichen Zuwachs.


    Der Zeitraum hat insofern eine wichtige Rolle, da diese die Darlehensrate in der Höhe beeinflußen kann. Eine beispielhafte Finanzierungsstruktur kann ich in den nächsten Tagen hier hochladen und zur Diskussion stellen.

    • Offizieller Beitrag

    So als kleinen Vorgeschmack auf die Thematik, möchte ich ein kurzes Rechenbeispiel hier darlegen:


    Zinssatz 2,5% (lt. FMH-Index)
    Zinsbindung 15 Jahre
    Darlehen 270.000 EUR


    In der ersten schnellen Darstellung würde ich ca. 10 TEUR (Annahme das zweifache - dreifache Ihres Gehaltes) als eiserne Reserven und ca. 20 TEUR als Puffer für etwaige Folgekosten nicht in die Berücksichtigung mitaufnehmen, daher TEUR 270 als Darlehen.


    Rate wären somit 900 Euro, was natürlich über der angepeilten Höhe von EUR 800 liegt. Aber bei dieser Ratenhöhe liegt der Tilgungssatz lediglich bei ca. 1,06% was bei einer unterstellten Zinshöhe von 2,5% eine Darlehensdauer von 48,51 Jahren ausmachen würde.


    Nachstehend das Rechenbeispiel mit einem Folgezins nach 15 Jahren mit 4,5%:


    http://www.zinsen-berechnen.de…er.php?paramid=d40hv6n7d4


    Weitere Gedanken folgen.

  • Hallo Katja, hallo @Henning,


    an dieser Stelle möchte ich mal in die Diskussion einklinken und ich nehme vorweg, dass das keine Freudentänze auslösen wird. Katjas Beispiel ist - das muss ich leider so sagen - genau so ein Fall, vor dem ich in diversen Beiträgen schon gewarnt habe (u.a. Artikel im Focus:¨Der Weg ins eigene Heim¨ - Aktuelle Themen diskutieren - Finanztip Community).


    Die Information, die Katja gegeben hat, sind schon mal notwenig, aber aus meiner Sicht stellen für eine vollumfängliche Betrachtung noch nicht hinreichend. Es ist z.B. noch wichtig:

    • Sind sie verheiratet oder alleinstehend?
    • In welchem Beruf arbeiten Sie? Mit welcher Einkommensentwicklung kann üblicherweise gerechnet werden?
    • Ist eine Absicherung bei Berufsunfähigkeit in Höhe von ca. 1800 EUR vorhanden?
    • Ist eine Absicherung bei langen Krankheitsfällen vorhanden?
    • Gibt es schon Altersvorsorgeverträge?
    • Wo liegt das Grundstück? Auf dem Land oder in der Stadt? Wie viel ist es wert?

    Der geneigt Leser merkt anhand dieser Fragen schon, worauf ich hinaus will. Und das sind einige Gedanken, über die Sie, Katja, auch etwas länger und vor allem offen und ehrlich nachdenken sollten, bevor Sie dieses Projekt angehen. Zunächst finde ich es super, dass Sie 800 EUR bei einem Einkommen von 1800 EUR sparen können. Das ist eine Sparquote von über 40% und zeigt, dass Sie nicht kurzfristigem Konsum erliegen. Das ist schonmal die beste Voraussetzung zum finanziellen Glück. Auf den zweiten Blick frag ich mich natürlich, wie diese Sparquote zustande kommt, denn 1000 EUR für Konsum, Auto, Miete, Nebenkosten, Altersvorsorge und Risikoabsicherung, Urlaub, Gesundheit, Kleidung etc. klingt doch ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Also, wo liegt der Fehler versteckt? Gibt es vielleicht kein Auto und soll das langfristig auch so bleiben? Ist die Risikoabsicherung doch noch nicht mit drin oder nicht ausreichend? Ist vielleicht zwar ein Vertrag für die Altersvorsorge vorhanden, wird aber nur mit 50 EUR bespart? Also lange Rede, kurzer Sinn: Mir erscheint das auf den ersten Blick sehr knapp kalkuliert zu sein. Hier müsste man vielleicht nochmal ehrlich (nicht zu mir sondern zu sich selbst) Inventur machen.


    Prinzipiell würde ich die Sache von hinten anfangen zu denken. Ihr Spruch

    - hinsichtlich des Zeitraums bin ich recht flexibel und offen - je nach dem was am besten und günstigsten ist


    zeigt eher, dass hier noch kein Problembewusstsein vorhanden ist. Und das fängt mit der Absicherung im Rentenalter an! Wissen Sie, mit welchem Betrag sie in der Rente rechnen können? Wie hoch wird die Rente ausfallen? Können Sie davon leben? Ich probier mal eine Abschätzung: Grob überschlagen entsprechen 1800 EUR netto in der StKl I 2900 EUR brutto. Das ist ein ziemlich genau das Durchschnittentgeld in Deutschland und entspricht einen Entgeltpunkt, d.h. Sie haben in etwa 40 Entgeltpunkte zu Beginn der Rente angesammelt. Das wären heute nur 1144 EUR Rente brutto. Davon gehen noch Sozialabgaben ab und ist auch nur der Wert, den sie heute kriegen würden. Nach 40 Jahren und 2,5% Inflation ist das Ganze dann noch 416 EUR wert. Sicher, auch der Rentenwert wird steigen, aber das Rentensystem wurde ja so umgebaut, dass es nicht mit der Inflation schritt hält. D.h. ihre Rente wird weniger als 1144 EUR wert sein. Sie sollten sich deshalb Gedanken machen, welche Rente sie haben möchten bzw. brauchen und dann einen Zeitraum bestimmen, den sie brauchen, um das Kapital anzusparen. Mit anderen Worten: Es ist nicht wurscht, wann die Hütte abbezahlt ist, sondern das sollte deutlich vor dem 67 Lebensjahr sein. Ansonsten haben Sie im Alter zwar ein Haus, aber kein Geld für Brot - und dann ist die Hütte schneller weg, als man gucken kann.nullnullWeiter frage ich mich, wie Sie langfristig mit 1000 EUR (und Gehaltssteigerung wollten Sie nicht mit einkalkulieren) leben wollen? Wie soll ein neues Auto bezahlt werden? Was, wenn die Waschmaschine kaputt geht? Eine Zahnfüllung muss ersetzt werden, oder eine Brücke muss rein - was dann? Was ist, wenn Sanierungskosten anfallen? Was ist mit Instandhaltungskosten? Das kostet alles ganz schnell vierstellige Summen. Woher dann nehmen?

    Also zu Thema Absicherung ist eigentlich nichts weiter zu beachten.


    Also zu Thema Absicherung ist eigentlich nichts weiter zu beachten.[/quote]
    Oh doch! Das ist im Grunde das Allerwichtigste. Was wenn das Einkommen wegfällt? Was ist, wenn eine längere Krankheitsphase eintritt? Was, wenn gar Berufsunfähigkeit droht?


    Sie sehen, Katja, der Frage, wie man am besten finanziert, gehen eine ganze Reihe viel wichtigerer Fragen voraus. Und erst, wenn man diese hinreichend für sich beantwortet hat, kann man eigentlich konkret über Zahlen reden.


    Das @Henning ja schon versucht, kurz anreißen und sehr schön gezeigt, dass man mit 800 EUR bei dieser Darlehenshöhe selbst bei den derzeit niedrigen Zinsen nicht weit kommt. Also in ihrem konkreten Fall, ist das Projekt jetzt schon nicht zu stemmen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Was ist, wenn beim Neubau die 300kEUR nicht eingehalten werden. Wenn die Reserve von 30kEUR wie bei Henning abgezogen wird, dann wären wir bei nur 10% Eigenkapital.

    Außerdem sind doch 80% Beleihung eine kritische Größe bei den Banken oder?


    Eigentlich sind es 60%, und das bezieht sich nicht auf Ihre Investitionssumme, sondern auf den Beleihungswert. Das ist Ihre Investition minus einen Sicherheitsreserve der Bank von ca. 10%. Damit machen sie faktisch eine Vollfinanzierung. Ab 60% Beleihung gibt es in der Regel Risikoaufschläge. Da Ihr Einkommen für diese Darlehenssumme so schmal ist, müssten Sie sich mit längerer Zinsbindung mehr Sicherheit erkaufen, weil jede Zinserhöhung am Ende der Zinsbindung (z.B. bei 5, 10, 15 Jahren) Ihnen das Genick brechen wird. 30 Jahre kosten ca. 2,8% p.a. Sollzins bei 80% Beleihung (für Sie wahrscheinlich etwas mehr), so dass Sie bei Raten von 800 EUR mit 0,76 tilgen und nach 30 Jahren eine Restschuld von 174000 EUR haben. Das ist absoluter Wahnsinn. Sie werden so nicht mal bis zu Ihrem Lebensende fertig, mal ganz abgesehen von obigen Vorüberlegungen.


    Es tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber Sie sollten dieses Projekt so schnell wie möglich beerdigen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich will Sie nicht ärgern, sondern nur vor einer großen Fehlentscheidung bewahren. Die Darlehenssumme ist für Ihr schmales Gehalt, viel viel zu groß! Mich würde es auch wundern, wenn Sie diesen Kredit kriegen würden. Das ist für Sie einfach nicht tragbar und kann leider auch nicht passend gemacht werden.


    Als Lichtblick habe ich eine andere Idee. Sie sind 30 und jung, haben ein Grundstück mit Haus geerbt und 60kEUR auf der Bank. Damit geht es Ihnen viel viel besser als den meisten Altersgenossen. Sie haben bisher alles richtig gemacht und haben beste Startvoraussetzungen. Der Neubau aber würde mit Sicherheit ihr finanzieller Tod. Was spricht gegen den Verkauf des Grundstück? Angenommen Sie würden noch 60kEUR dafür bekommen, dann könnten Sie mit ca. 100kEUR Eigenkapital und einer Reserve von 20kEUR auf der Bank ganz gelassen eine schöne Eigentumswohung (wenn es denn unbedingt Eigentum sein muss) in der Stadt für z.B. 200kEUR kaufen. Dann sind sie nach 16 Jahren mit einer Rate von 650 EUR schuldenfrei, haben noch 150 EUR für Hausgeld und Instandhaltungsrücklagen und können Ihr Leben in finanzieller Freiheit genießen. Ihr geplantes Vorhaben von oben dagegen ist ein einziger Käfig. Sie versklaven sich lebenslänglich für die Bank!


    Bitte denken Sie in Ruhe darüber nach.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo @Andreas,


    viele interessante Ansatzpunkte für eine Diskussion, welche ich gerne in den nächsten Tagen aufgreifen werde.
    Einen wichtigen Punkt möchte ich aber gerne jetzt herausgreifen:


    Die von mir gestellten Zusatzfragen reichen lediglich zur Berechnung einer Rate und einer Restschuld aus, tiefergehend sind wie von Dir richtig erwähnt weitere detaillierte Informationen notwendig.


    Idealerweise kann dieses Projekt im Rahmen einer privaten Finanzplanung simuliert werden. Mit einem Tilgungssatz von 1,06% ist die Rückzahlung erst Mitte 80 von Katja möglich.


    Aus diesem Grund ist dieses Vorhaben mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu stemmen, insbesondere da keinerlei finanzielle Reserven vorhanden sein werden.

    • Offizieller Beitrag

    Dem Kommentar von @Andreas ist kaum noch wirklich etwas sinnvolles hinzuzufügen,
    daher möchte ich nachstehend nur einen Link zu einer Erklärung der Thematik

    beitragen.

    "Man kann die raffiniertesten Computer der Welt benutzen und Diagramme und Zahlen parat haben, aber am Ende muss man alle Informationen auf einen Nenner bringen, muss einen Zeitplan machen und muss handeln."

    Lee Iacocca, amerik. Topmanager