Gleiches Recht für Bahn und Flug ??

  • Ich hab gerade vor ein paar Tagen einen Flug von Hamburg nach Split /Kroatien mit EasyJet gemacht. Der Abflug verschob sich - weil die Maschine noch nicht gelandet war - um geschlagene 1.5 Std. Damit hatte die Mietwagenvertretung in Split eigentlich geschlossen. Ich habe den Mietwagen-Anbieter angerufen und er hat veranlasst, dass das lokale Büro auf die Mitreisenden gewartet hat: Zusatzkosten: ca. 40 Euro pro PKW--Buchung.


    Für mich war das ok, weil ich der Meinung war, dass ich den halben Flugpreis von der Fluglinie erstattet bekommen müsste.


    Jetzt habe ich gesehen, dass die Fluggastrechte hier doch SEHR anders sind als die von Bahnreisenden. Mit der Bahn hätte ich bei einer Verspätung von einer Stunde 50% vom Preis erstattet bekommen. Bei Flügen müssen es dafür schon 6 Stunden sein...


    Warum wird hier mit zweierlei Mass gemessen?
    Was haben unsere EU-"Politik-Tüftler" denn da wieder verzapft ??


    Oder irre ich mich da?


    Vielen Dank im Voraus für die Antwort.
    Freundliche Grüße
    Michael

  • Hi,


    das einzelne, was mir einfällt - die Flüge sind vom Wetter viel mehr abhängig als Züge. Also, damit muss man rechnen, wenn man einen Flug bucht. Ich meine es nicht nach dem Motto : "Man ist selber Schuld", aber wenn die Fluggesellschaften verpflichtet würden, wegen einer Stunde Verspätung halben Preis zu ertatten - ich furchte, sie schliessen alle ;)

  • 1.
    Gemäß dem Gleichheitsgrundsatz muß tatbestandsmäßig Gleiches gleich behandelt werden. Dies gilt nicht für tatbestandsmäßig Ungleiches. - Der Schienenverkehr und der Luftverkehr sind vollkommen unterschiedliche Verkehrssysteme und daher tatbestandsmäßig ungleich (unterschiedliche Streckenlängen, unterschiedliches Preisgefüge usw.). Daher hat der Gesetzgeber zu Recht (!) unterschiedliche Verspätungsregeln aufgestellt.


    2.
    Da im vorliegenden Sachverhalt die Verpätung am Ankunftsort unter zwei Stunden beträgt, hat der Passagier keinen Anspruch auf eine entfernungs- und verspätungsabhängige Ausgleichszahlung als pauschalen Schadenersatz gem. der VO (EG) 261/2004, der sogen. 'Europ. FLuggastrechteverordnung'.


    3.
    Das Luftfahrtuntenehmen hat den Passagier gem. dem Beförderungsvertrag pünktlich zu befördern; es handelt sich beim Beförderungsvertrag um ein fixes Termingeschäft (genauso wie der Bäcker die Hochzeitstorte am Hochzeitstag und nicht einen Tag später liefern muß, denn dann macht die verspätete Lieferung des Bäckers keinen Sinn mehr).


    4.
    Dennoch kam es im vorliegenden Sachverhalt zu einer Verspätung. Durch die Verspätung erlitt der Passagier hier einen finanziellen Schaden. Diesen konkreten Verspätungsschaden kann der Passagier beim Luftfahrtunternehmen gem. Art. 19 ff. des Montrealer Übereinkommens geltend machen.
    Im Gegensatz zur 'Europ. Fluggastrechteverordnung', wo es einen pauschalen Schadenerrsatz bei einer verspäteten Ankunft gibt, muß der Passagier nach den Regeln des Montrealer Übereinkommens gegenüber dem Ludtfahrtunternehmen seinen konkreten Schaden -sowohl der Art als auch der Höhe nach- nachweisen (Quittungen, Zeugenangaben und dergleichen).

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)

  • Zum Punkt 1 - oh, das habe ich mir auch so gedacht! Sie konnten es in richtige Wörter fassen, vielen Dank!

    Danke!


    Und noch besser haben es sicherlich die Luxemburger Richter des EuGH ausgedrückt: Ein Vergleich mit den Rechten von Passagieren im Flug-, Schiffs- oder Busverkehr ist nicht angebracht. Diese Verkehrsformen seien nicht mit dem Bahnverkehr vergleichbar. (Urt. des EuGH (Az: C-509/11); dort ging um das Thema, ob Bahnunternehmen im Falle von 'höherer Gewalt' Erstattungen leisten müssen. Ergebis: ja - im Gegensatz zu den anderern Verkehrsformen.

    'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG, Beschl. v. 04.06.2012, Az.: 2 BvL 9/08)