Erbschaft - Nachlassverwalter, wann genau?

  • Hallo,


    ich habe mir gerade Ihren Artikel http://www.finanztip.de/erbausschlagung/ durchgelesen, auch dort wird das Thema "Nachlassverwalter" erwähnt. Was hierbei (wie auch in den gefühlt 197 anderen Artikeln zu diesem Thema im Web) fehlt ist - wann genau, also zu welchem Zeitpunkt, kann man diesen Nachlassverwalter beim Amtsgericht beantragen? Hintergrund:


    Der minderjährige Sohn meiner Lebensgefährtin würde als einziger Sohn des Verstorbenen erben. Es ist einiges auf der Haben-Seite vorhanden, allerdings auch viel auf der Soll-Seite. Wir haben nun gut zwei Wochen lang selbst versucht, hierüber Licht ins Dunkel zu bringen, was bei dem Chaos des verstorbenen Vaters schwierig bis unmöglich ist. Akuelle Unterlagen/Dokumente sind so gut wie nicht auffindbar, nur alter Krempel aus 199x bis ca. 2013.


    Daraufhin sind wir zum Amtsgericht und wollten eine Nachlassverwaltung beantragen. Die Rechtspflegerin dort sagte uns aber nach einigem hin- und her (sie machte alles andere als den Eindruck, dass sie sich damit wirklich auskennt), dass das erst geht, wenn wir das Erbe annehmen und den Erbschein beantragen. (?!?) Ich dachte, so ein Verwalter bringt vorab Licht ins Dunkel? Man kann doch nicht "blind" ein aktuell größtenteils undurchschaubares Erbe annehmen, bei dem evtl. noch weitere Verbindlichkeiten auftauchen, von denen man zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nichts weiß?


    Es geht hier nicht darum, den Reibach zu machen - wenn am Ende nichts übrigbliebe, wäre das auch relativ egal. Hauptsache, der Junior erbt unterm Strich nicht den Schuldenberg des Vaters. Kann man also einen Nachlassverwalter bestellen, bevor man den Erbschein beantragt? Danke für ein paar verständliche Tipps zur Rechtslage und zum korrekten Ablauf in Sachen Nachlassverwaltung.

  • Zunächst einmal zur Klärung des Ablaufs: Das Nachlassgericht bestellt einen Nachlasspfleger von Amts wegen nur dann, wenn der oder die Erben unbekannt sind bzw. nicht bekannt ist, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen werden.


    Damit fehlt es in Ihrem Fall bereits an der Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung eines Nachlasspflegers und damit auch für die Nachlassverwaltung.


    Sie können nicht erwarten, dass ein Verwalter möglicherweise noch auf Staatskosten Ihr Erbe sichtet, ordnet, katalogisiert, die Nachlassgläubiger bezahlt - und dem minderjährigen Sohn dann den Netto-Erlös überweist. So läuft es nicht.


    Der Minderjährige muss - vertreten durch die Sorgeberechtigte (=Mutter) - erklären, ob er das Erbe ausschlagen will (§ 1942 Abs. 1 BGB).


    Erst wenn er Erbe geworden ist, kann auf seinen Antrag das Nachlassgericht die Nachlassverwaltung gem.
    § 1981 BGB anordnen. Allerdings kann es in Fällen, in denen die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Verwalters nicht durch die vorhandene Masse des Nachlasses gedeckt sind, auch zu einer Ablehnung der Anordnung der Nachlassverwaltung kommen.


    Sollte es dazu kommen, kann der Erbe nach den §§ 1990 bis 1992 BGB die Dürftigkeitseinrede erheben.
    Er ist insoweit dagegen geschützt, dass Gläubiger des Erblassers in sein Privatvermögen vollstrecken.


    Das ganze Verfahren ist jedoch nicht kostenfrei.


    Vielleicht wäre Ihnen zu raten, dass Sie ein paar hundert Euro aufwenden, um jemandem mit wirtschaftlichem Sachverstand zu beauftragen die Unterlagen zu sichten. Dann haben Sie im Zweifel ein günstigere Lösung als die gerichtlich angeordnete Nachlassverwaltung. Sollte sich bei der Sichtung herausstellen, dass das Erbe überschuldet ist, kann der junge Mann das Erbe ausschlagen, dann können sich die nächsten Verwandten mit dem Nachlass beschäftigen.