Keine Steuerersparnis durch 1% Regelung?

  • Hallo,


    kann es sein, dass man durch Anwendung der 1% Regel und 0,03% Regel als Selbstständiger bei der Verwendung des Privat-PKW (>50%, also notwendiges Betriebsvermögen) für Wege Wohnung-1. Betriebsstätte sowie reine betriebliche Fahrten (ausserhalb 1. Betriebsstätte) keine oder fast keine Steuer spart?


    In einem praktischen Rechenfall entsteht bei etwa 8.900 € tatsächlicher PKW-Kosten hier ein privater Nutzungsanteil von 8.500 €, also nur 400 € steuerlich relevant?


    Fahrtenbuch ist im Beispiel zu aufwendig.


    Nun habe ich in einem Artikel im finanztip gelesen, dass bei Wegen zwischen Wohnung und Betriebsstätte die Pendlerpauschale i.H.v. 30 Cent pro Entfernungskilometer bis max. 4.500 € angesetzt werden kann, und das ohne einen Belegnachweis eines Verkehrsmittels (Der tatsächliche Aufenthaltsnachweis am Betriebsort liegt natürlich vor). Ist das richtig?


    Gilt das auch für die betrieblichen Fahrten zu anderen als der ersten Betriebsstätte, also dann mit 30 Cent pro gefahrenen Km? Hier wird im Beispiel wechselnd PKW, Bahn, Bus, Taxi oder Mitfahrt mit Bekannten (die keine Fahrtkosten abrechnen) wahrgenommen. Kann man da auch die Pauschale 30 Cent pro Fahrtkilometer ohne Belegnachweis eines Verkehrsmittels ansetzen (Der tatsächliche Aufenthaltsnachweis am Betriebsort liegt natürlich auch hier vor)? Ist die auch auf einen Maximalbetrag begrenzt?


    Und letztlich: Wenn es denn so wäre, wieso weisen die meisten Ratgeber nicht auf diese Alternative hin, die sicher vielen Steuerpflichtigen den Horror im Fahrtkostendschungel etwas mildern würde.


    Besten Dank und viele Grüße

  • Hallo,


    hier noch eine Ergänzung zum Thema: nun habe ich bei einer Steuerberatungsgesellschaft noch folgende Aussage gefunden:


    „Geschäftsreisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bahn, Flugzeug etc. können nicht alternativ über die Kilometerpauschale abgerechnet werden.“


    Unklar ist mir nun immer noch die Abgrenzung bezüglich der Verwendung der Km-Pauschale bzw. Entfernungspauschale?


    Ist nur die Entfernungspauschale (nur Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte) verkehrsmittelunabhängig, d.h. Pauschale 30 ct./Entfernungs-Km ohne Belege?


    Was ist mit Geschäftsreisen (keine Fahrten zw. Wohnung und erster Betriebsstätte)? Gilt hier die Pauschale 30 ct. / Fahrt-Km nur bei PKW? Muss ein Fahrticket für Bahn/Bus etc. vorgelegt werden?

  • kann es sein, dass man durch Anwendung der 1% Regel und 0,03% Regel als Selbstständiger bei der Verwendung des Privat-PKW (>50%, also notwendiges Betriebsvermögen) für Wege Wohnung-1. Betriebsstätte sowie reine betriebliche Fahrten (ausserhalb 1. Betriebsstätte) keine oder fast keine Steuer spart?

    Herzlichen Glückwunsch, Sie sind selbst darauf gekommen. Ich versuche vielen Mandanten das schon seit Jahren zu erklären. Wer kein Fahrtenbuch führt der spart nicht wirklich viel, oft fast gar nichts. Bei sehr hohen Bruttolistenpreisen greift oft die Kostenkappung, da bringt es dann also wirklich nichts außer ein bischen Umsatzsteuer wegen des 20% Abschlags und niedrige Bruttolistenpreise finden sich bei Firmenwagen oft nicht.


    Aber jeder glaubt irgendwie den Autoverkäufern, die immer sagen "Das Auto können Sie komplett von der Steuer absetzen". Von Privatnutzungsanteilen und Fahrtenbüchern redet da immer keiner was, schliesslich leasen sich gefühlt die meisten Existenzgründer gleich einen ML 350 (jetzt GLE??) oder A6/Q5/Q7 ;)


    Zu Ihren Fragen:
    Pendlerpauschale zur ersten (!! wichtig) Betriebsstätte können Sie bei korrekter Versteuerung des Privatnutzungsanteils pauschal absetzen. Das gebietet die Gleichbehandlung von Gewerbeeinkünften und Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit siehe § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG.
    Fahrten von zu Hause zur zweiten oder jeder weiteren Betriebsstätte und zwischen den Betriebsstätten können Sie grundsätzlich nach Reisekostengrundsätzen abrechnen. Für Details hierzu lesen Sie bitte das folgende BMF Schreiben vom 23.12.2014
    Hier


    Wenn Sie einen Firmenwagen nutzen können Sie diese km-Pauschalen mit dem Auto als Reisekosten m.E. aber nicht geltend machen, denn diese sind ja gerade mit der betrieblichen Nutzung der Fahrzeugs abgegolten. Und für Bahn- oder Flugreisen müssen Sie Belege haben.
    Arbeitnehmer können das auch nicht, denn das sind betriebliche Aufwendungen, die ja durch Tankkosten, Versicherung, Steuer, Abschreibung abgebildet werden. Nochmal die 30 cent pro km anzusetzen wäre eine Doppelbegünstigung. Siehe R 9.5 Abs. 2 S. 3 EStR.


    Anders ist es, wenn Sie den privaten PKW nutzen. Dann haben Sie kein Firmenfahrzeug und können die pauschalen Sätze auch für Reisekosten wählen. Das kann - wenn Sie kein Fahrtenbuch führen u.U. tatsächlich günstiger sein.


    Der Nachweis ist jedoch hier eine ganz andere Sache. Während die Pendlerpauschale wie der Name schon sagt "pauschal" gilt, müssen Sie Reisekosten nachweisen können. Wie Sie das machen bleibt ein Stück weit Ihnen überlassen. Wenn Sie einen privaten PKW nutzen werden Sie auch hier eine Art Fahrtenbuch führen müssen, wenn auch hier nicht ganz so strenge Anforderungen gestellt werden wie beim betrieblichen PKW. Denn wie wollen Sie sonst im Zweifel betriebliche Kilometer nachweisen? Einen Terminkalender oder eine Art Tagebuch wann Sie in welcher Betriebsstätte waren und bei welchen Kunden waren wird das FA nicht unbedingt anerkennen.


    Hier gilt auch die Regelung in den LStR: "Der Arbeitnehmer hat seinem Arbeitgeber Unterlagen vorzulegen, aus denen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Erstattung und, soweit die Fahrtkosten bei Benutzung eines privaten Fahrzeugs nicht mit den pauschalen Kilometersätzen nach Absatz 1 Satz 5 erstattet werden, auch die tatsächlichen Gesamtkosten des Fahrzeugs ersichtlich sein müssen."



    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass je nach Berufsbild die Finanzämter bei pauschalen Ansätzen von Reisekosten mit dem Privat PKW recht großzügig sind, wenn man es nicht übertreibt und es natürlich offen erklärt. frei nach dem Motto "Versuch macht Kluch". Einen Rechtsanspruch darauf ohne Belege gibt es aber natürlich nicht.

  • Besten Dank erst einmal, dass Sie sich noch am Sonntag zur späten Stunde die Mühe gemacht haben.


    Was ist das für ein Steuerordnung, die dazu führt, dass Steuerpflichtige steuerlich besser stehen, wenn Sie auf einen erheblichen Teil ihrer Fahrtkosten freiwillig verzichten. Im angegebenen Beispiel steht der Steuerpflichtige besser, wenn er sich mit der Entfernungspauschale bis maximal 4.500 € zufrieden gibt und seinen Wagen ansonsten stehen lässt um ihn im Privatvermögen zu belassen.


    Wenn er dann den Rest seiner Fahrten von der Wohnung zum Büro und die sonstigen betrieblich notwendigen Besorgungen (beschwerlich) mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt, kann er wenigstens die Belege noch unterbringen. Obwohl hier die Kilometerpauschale des PKW für ihn günstiger wäre, als das Busticket, frisst die dann notwendige Erklärung des Privatanteils alles auf.


    Man möchte fast meinen, dass das beabsichtigt ist. Wie so Manches. Gestern kam im Fernsehen eine Reportage, in der berichtet wurde, dass eine Wahlbeamtin, die bereits nach 16 Tagen im Amt wieder ausgeschieden ist, einen Rentenanspruch i.H.v. 2.400 € erworben hat. Aber das gehört wohl hier nicht her.


    Einen schönen Abend noch.

  • Ja na klar ist das beabsichtigt. Ein "normaler" Arbeitnehmer muss seine Fahrtkosten mit Ausnahme der Pendlerpauschale auch haarklein nachweisen. Hier können Sie auch nicht pauschal Reisekosten oder "Besorgungen" angeben.


    Wieso soll das dann bei Gewerbetreibenden einfach so gehen? Die 1% Regelung hat sich der Staat deswegen ausgedacht, weil sie nicht wirklich attraktiv ist. Warum auch? Sie geht völlig ohne Nachweise der betrieblichen Kilometer.
    Sie haben jederzeit die Möglichkeit Ihre wirklichen Kosten nachzuweisen, aber ein Fahrtenbuch will eben keiner führen weil es aufwändig ist. Wieso soll man als Gewerbetreibender per se jedwede Fahrzeugkosten absetzen können ohne irgend einen privaten Anteil abgezogen zu bekommen, da wäre Angestellten gegenüber schon ziemlich unfair finde ich und ich bin auch Selbstständig...


    Ich führe im übrigen ein Fahrtenbuch und kann daher 70-90% meiner Kosten absetzen (je nach Urlaubsstrecke ;) ), klar ist es eine Umgewöhnung aber wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, geht es. Es gibt viele Arbeitnehmer die das müssen und die kriegen es auch hin. Vielleicht fällt es mir aber auch leichter weil ich beim Zivildienst im Fahrdienst tätig war und es deshalb machen musste :)