Beitragsschulden PKV

  • Beitragsschulden PKV



    Versicherungspflicht



    In Deutschland ist die Krankenversicherung seit 2007 eine Pflichtversicherung. Seither muss jeder in Deutschland lebende Mensch eine Krankenversicherung nachweisen (können), entweder in der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2011 dennoch etwa 137.000 in Deutschland lebende Menschen ohne Versicherungsschutz, die Dunkelziffer (Schätzungen gehen von zirka 400.000 Menschen aus) soll noch weit darüber hinaus liegen.



    Mache ich mich strafbar, wenn ich nicht krankenversichert bin?


    Nein, strafbar macht man sich nicht. Allerdings geht mit der Pflicht zur Versicherung die Pflicht zur Beitragszahlung einher. Das heißt auch, dass der versäumte Betrag nachgezahlt werden muss – plus einem so genannten Säumniszuschlag.


    Diese Frage stellt sich Angestellten in aller Regel übrigens nicht, da der jeweilige Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen muss, so dass der Arbeitnehmer gar nichts damit zu tun hat. Sein Beitragsanteil wird automatisch vom Bruttogehalt eingezogen.





    Definition von Beitragsschulden (Prämienschulden) und Verlauf nach dem Versicherungsvertragsgesetz (aktuelle Gesetzeslage)


    Rückstände entstehen natürlich ab dem 1 Euro Cent einer „grundlosen“ Nichtleistung von Beiträgen. Ist der Versicherungsnehmer („VN“) in einer Krankheitskostenversicherung („KV“) mit zwei Monatsbeiträgen in Rückstand, hat der Versicherer ihn zu mahnen. Ist der Rückstand einschließlich des inzwischen angefallenen Säumniszuschlages zwei Monate nach Zugang der ersten Mahnung höher als der Beitragsanteil für einen Monat, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer erneut zu mahnen. Dabei muss der Versicherer auf das nunmehr drohende Ruhen des Vertrages hinweisen.


    Dieses Ruhen tritt gemäß § 193 Abs. 6 Satz 4 VVG ein, wenn der Beitragsrückstand einschließlich der Säumniszuschläge auch einen Monat nach Zugang dieser zweiten Mahnung noch höher ist als der Beitragsanteil für einen Monat.



    Der Vertrag ruht dann ab dem ersten des nachfolgenden Monats.


    Etwas anderes gilt nur, wenn der VN oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder XII ist oder wird.



    Ein vereinfachtes Beispiel: Ein selbstständiger VN hat ab 01.04.2016 drei KV/PV-Tarife bei einem Versicherer abgeschlossen. Die Beitragshöhe beläuft sich insgesamt auf 300,-- €. Ein erleidet einen hohen Zahlungsausfall und kann ab dem 01.01.2017 keine Beiträge mehr leisten.



    1.) Beitragsrückstand am 01.01.2017: 300,-- €


    2.) Beitragsrückstand am 01.02.2017: 600,-- €


    3.) Erste Mahnung durch den Versicherer am 03.02.2017


    4.) Säumniszuschläge: 30,-- €


    5.) Beitragsrückstand am 01.03.2017: 900,-- €


    6.) Säumniszuschläge: 40.,-- €


    7.) Beitragsrückstand am 01.04.2017: 1.200,-- €


    8.) Säumniszuschläge: 70,-- €


    8.) Zweite Mahnung durch den Versicherer am 03.04.2017 – Hinweis auf das drohende Ruhen des Vertrages


    9.) Ruhen des Vertrages tritt am 03.05.2017 in Kraft



    "Der Kommentar ist frei, die Fakten sind heilig" (C. P. Scott, britischer Journalist und Guardian-Herausgeber)

  • Beitragsschulden PKV



    Das kurze Zeitfenster für einen umfassenden Schuldenerlass bzw. Schuldenreduktion


    Das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der GKV/PKV Krankenversicherung vom 15. Juli 2013 eröffnete Beitragsschuldnern ein kurzes Zeitfenster (nur bis 31.12.2013!) für den Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen in der Krankenversicherung.



    Die Konsequenz für die meisten Beitragsschuldner in der PKV war, dass die Versicherer ihnen die Verträge gekündigt hatten und Beitragsschulden titulierten.



    Bereits privatversicherte Menschen, die Beiträge nicht oder nicht vollständig entrichteten, hätten nach altem Recht weiter Monat für Monat hohe Beitragsrückstände angehäuft. Durch das vorgenannte Gesetz wurden diese Menschen – auch rückwirkend – in den sogenannten Notlagentarif der PKV überführt. Dieser Tarif wird ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert. Im Ergebnis wurden mit dieser rückwirkenden Überführung die Beitragsschulden der Betroffenen erheblich reduziert.



    Fallgestaltung nicht versicherte Menschen (mit Versicherungspflicht in der PKV)


    Für die PKV zuzuordnende Nichtversicherte wurde in dem oben genannten Zeitfenster zusätzlich der sogenannte Prämienzuschlag erlassen. Dafür mussten nicht versicherte Menschen nur einen Krankenversicherungsvertrag abschließen, der der Versicherungspflicht genügte (abzudeckender Mindestumfang: ambulante und stationäre Heilbehandlung bei einem maximalen Selbstbehalt in Höhe von 5.000,-- €).



    Bestehen diese Erleichterungen nach dem 31.12.2013 immer noch?


    Nein. Ab 01. Januar 2014 gilt wieder, dass im Fall des verspäteten Abschlusses eines Krankenversicherungsvertrages Prämienzuschläge zu entrichten sind, deren Höhe sich an der Dauer der Nichtversicherung orientieren.



    Mein Kommentar: Das Zeitfenster von fünf Monaten war viel zu kurz bemessen. Das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden war nur wenigen „Insidern“ bekannt. Der GKV- und PKV-Verband hatten keinerlei Interesse, die Schuldenerlass- und Schuldenreduktionsmöglichkeit publik zu machen. M.E. hätte das Zeitfenster verlängert werden müssen, um viele betroffene Menschen wieder in die GKV- bzw. PKV einzugliedern.



    "Der Kommentar ist frei, die Fakten sind heilig" (C. P. Scott, britischer Journalist und Guardian-Herausgeber)

  • Beitragsschulden PKV/GKV – ein Randphänomen?


    Nein. Auf rund 4,48 Milliarden Euro belaufen sich laut Daten des GKV-Spitzenverbands die Beitragsschulden der Selbstzahler in der gesetzlichen Krankenversicherung.


    Der Stand vom Januar 2016 liegt deutlich über dem Vorjahresniveau von 3,24 Milliarden Euro. Im Jahr 2011 lag der Wert noch bei rund einer Milliarde Euro. "Die Summe der Beitragsrückstände steigt seit Jahren kontinuierlich", sagt Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbands. Ein Grund dafür sei die "finanzielle Instabilität bei freiwillig versicherten Selbstständigen".



    In der PKV hatten sich die offenen Forderungen 2013 auf über 745 Millionen Euro summiert bezogen auf etwa 155.000 Versicherte. Aktuellere Daten sind nicht erhältlich.



    Versicherer sind die Nummer 6 auf die Liste der Gläubiger


    Versicherer stehen laut iff e.V. an 7. Stelle bei der Zusammensetzung der Forderungen nach Gläubigern auf der Basis der Forderungsbeträge.



    Siehe iff-Überschuldungsreport 2016, abrufbar unter:



    https://www.iff-hamburg.de/media.php?id=5228



    Die Höhe der Forderung ist relativ gering


    Mit einem Medianwert in Höhe von 188,-- € ist die typische Forderung relativ gering, wobei hier vermutlich günstige Versicherungsarten (z.B. private Haftpflichtversicherungen, Auslandskrankenversicherung usw.) den Medianwert beeinflussen



    Mein Kommentar: Natürlich sind Beitragsschulden kein Randphänomen. Vor allem die stark ansteigenden Beitragsschulden der Selbstzahler in der GKV (+ 38 ,3 % von 2015 auf 2016) sind besorgniserregend. Es ist noch gar nicht abzusehen, wie sich die Höhe der Beitragsschulden auf die Beitragsentwicklung in der GKV auswirken wird.

  • Gesetzesstand bei Beitragsschulden per heute - § 193 Absatz 6 Versicherungsvertragsgesetz



    § 193 Absatz 6 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag („VVG“)


    „… (6) Ist der Versicherungsnehmer in einer der Pflicht nach Absatz 3 genügenden Versicherung mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn der Versicherer zu mahnen. Der Versicherungsnehmer hat für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes an Stelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent des Prämienrückstandes zu entrichten. Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge zwei Monate nach Zugang der Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, mahnt der Versicherer ein zweites Mal und weist auf die Folgen nach Satz 4 hin. Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, ruht der Vertrag ab dem ersten Tag des nachfolgenden Monats. Das Ruhen des Vertrages tritt nicht ein oder endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Versicherungsnehmers vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen.“



    Mein Kommentar: Der genannte Säumniszuschlag ist für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstands zu entrichten. Er beträgt 1% des Rückstandes. Er beginnt mit dem Prämienverzug und nicht erst mit dem Eintritt des Ruhens der Leistungen des Versicherers (LG Berlin r+s 2013, 395 f.).



    "Der Kommentar ist frei, die Fakten sind heilig" (C. P. Scott, britischer Journalist und Guardian-Herausgeber)

  • Fehler in Forderungsabrechnungen (Forderungsaufstellungen) und Fehler bei der Bezeichnung der Forderungen in Mahnbescheiden



    Im Zusammenhang mit der Beratung von Beitragsschuldnern in der PKV befasse ich mich regelmäßig mit den Forderungsberechnungen (Forderungsaufstellungen) der Versicherer. Ferner habe ich Kenntnis von der Bezeichnung der Forderungen in Mahnbescheiden, wenn über gerichtliche Mahnverfahren die (angeblichen) Forderungen der Versicherer tituliert werden sollen.



    Folgende Fehler tauchen immer wieder auf:


    1.) Bei der Titulierung wird immer noch häufiger (vor allen in gerichtlichen Mahnverfahren) nicht darauf geachtet, dass Beiträge zur Pflegepflichtversicherung nicht über Zivilgerichte geltend gemacht werden können. Zuständig für die Beiträge der Pflegepflichtversicherung sind jedoch die Sozialgerichte.


    2.) Es finden sich in Forderungsberechnungen (Forderungsaufstellungen) leider immer wieder „verjährte“ Forderungen. Ansprüche aus Versicherungsprämien verjähren seit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB innerhalb von drei Jahren.


    3.) Vor allem bei den sogenannten „Übergangsforderungen“ vor Einführung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (KVBeitrSchG), tun sich Versicherer schwer. Regelmäßig wird bei diesen Übergangsforderungen (beispielsweise aus den Jahren 2010 bis 2012) nicht berücksichtigt, dass Beiträge in den Ausgangstarifen auch rückwirkend auf den Notlagentarif umgestellt werden müssen (umstritten, aber wohl herrschende Rechtsprechung).



    Mein Kommentar: Eine Beratung von Beitragsschuldnern durch einen Versicherungsberater sollte nach meiner Ansicht immer die Prüfung der Forderungen des Versicherers mit beinhalten. Ggf. sind Fachanwälte für Sozialrecht und Versicherungsrecht hinzuzuziehen. Nur weil ein Mensch Beitragsrückstände und Beitragsschulden bei einem Versicherer hat (aus welchen Gründen auch immer), sollte man ihn nicht wie einen „rechtlosen Schuldner“ behandeln.



    "Der Kommentar ist frei, die Fakten sind heilig" (C. P. Scott, britischer Journalist und Guardian-Herausgeber)

  • Konsequenzen bei Beitragsrückständen – Ruhen des Vertrages und Versicherung im sogenannten Notlagentarif



    Wie bereits in einer der vorhergehenden Beiträge ausgeführt, muss der Versicherungsnehmer mit der zweiten Mahnung auf das nunmehr drohende Ruhen des Vertrages hinweisen.



    Dieses tritt gemäß § 193 Absatz 6 Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz („VVG“) ein, wenn der Beitragsrückstand einschließlich Säumniszuschläge auch einen Monat nach Zugang dieser zweiten Mahnung noch höher ist als der Beitragsanteil für einen Monat. Der Vertrag ruht dann ab dem ersten des nachfolgenden Monats.


    Ausnahme: Etwas anderes gilt nur, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig i.S.d. SGB II oder XII ist oder wird.



    Tipp: Spätestens wenn ein Mensch die zweite Mahnung erhalten hat und absehbar die rückständigen Beiträge nicht leisten kann, sollte er umgehend einen Renten- oder Versicherungsberater aufsuchen, der dann den Tatbestand der Hilfsbedürftigkeit untersucht und ihn bei den entsprechenden Anträgen bei den Sozialhilfeträgern unterstützt.



    Die Rechtsfolge des Ruhens des Vertrages ist gemäß § 193 Absatz 7 VVG die Versicherung im Notlagentarif.



    Dabei gibt es durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden zwei Erleichterungen bzw. Zugeständnisse für Beitragsschuldner, aber gleichzeitig auch zwei Prüffelder:


    1.) Mit dem zuvor genannten Gesetz wurde der Säumniszuschlag auf 1% reduziert.


    2.) Bis zu 25% der monatlichen Prämie müssen durch Entnahme aus der Alterungsrückstellung „geleistet“ werden.



    Mein Kommentar: Ich sehe leider immer wieder Fälle bei denen die Säumniszuschläge nicht korrekt berechnet wurden und die Entnahmen aus der Alterungsrückstellungen nicht oder nur in geringerer Höhe erfolgten. Ein Experte sollte beide Sachverhalte prüfen und ggf. den Versicherer dazu bewegen, die berechneten Säumniszuschläge zu korrigieren oder höhere Entnahmen aus den Alterungsrückstellungen zu tätigen.



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  • Die erste Hürde zur Wiedereingliederung nicht versicherter Menschen (und Beitragsschuldner) – der Beitragszuschlag



    Bei Wiedereingliederung eines nicht versicherten Menschen wird der Versicherer in aller Regel den sogenannten Beitragszuschlag begehren. Der Beitragszuschlag wurde damit begründet, dass nicht versicherte Menschen während der Zeit der Nichtversicherung keine Alterungsrückstellungen bilden konnten.



    Der Beitragszuschlag wird nach der vollen Prämie zum Zeitpunkt des Beginns der Versicherung berechnet. Das soll streitige Rückberechnungen mit virtuellen Tarifen bzw. Prämien vermeiden. Leider funktioniert das in der Praxis nicht immer, so dass hier manchmal offene Fragen mit den Versicherern zu klären sind.



    Der Beitragszuschlag ist gedeckelt auf fünf Jahresprämien. Die tatsächliche Höhe ist häufig verhandelbar und liegt deutlich unter den fünf Jahresprämien.



    Da hier leicht Beträge von mehreren zigtausend Euro zusammenkommen können, besteht ein Anspruch auf angemessene Ratenzahlung. Hier muss sich der Antragsteller nicht mehr auf die Möglichkeit einer Kreditaufnahme verweisen lassen, d.h. er kann in jedem Fall eine angemessene Ratenzahlung vom Versicherer fordern.


    Oftmals ist es strittig, was „angemessen“ im Sinne des Gesetzes ist. Versicherer fordern erst einmal recht hohe Ratenzahlungen und verweisen darauf, dass Ratenzahlungszeiträume zwei oder drei Jahre nicht überschreiten sollten.



    Daher habe ich es mir angewöhnt, gemeinsam mit meinen Auftraggebern, einen eigenen Ratenzahlungsvorschlag zu erarbeiten, der auf der tatsächlichen Einnahmen-/Ausgaben-Situation bei meinen Auftraggebern basiert und ggf. mit Treuhändern (im Falle einer Privatinsolvenz) oder Sozialhilfeträgern abzustimmen ist. Diese Vorgehensweise ist insofern vernünftig, weil sie auch den Weg zu Verhandlungen mit den Versicherern über die Höhe des Beitragszuschlags eröffnet.



    Mein Kommentar: Da es bei dem Beitragszuschlag regelmäßig um Beträge in Bereich von mehreren tausend Euro geht, halte ich persönlich die Beratung durch einen Experten für wichtig. Hier geht es vor allem um die Höhe des Beitragszuschlags aber auch um die „Leistbarkeit“ von Ratenzahlungen. Nicht versicherte Menschen, die sich passiv und abwartend verhalten, werden in aller Regel nicht erwarten können, dass sich der Versicherer ihnen gegenüber Entgegenkommend zeigen wird.



    "Der Kommentar ist frei, die Fakten sind heilig" (C. P. Scott, britischer Journalist und Guardian-Herausgeber)