Rechtsschutzversicherung wechseln oder behalten? ARB 91

  • Hallo,


    seit ca. Mitte der Neunziger Jahre habe ich eine RV. Die Versicherung beruht auf den Bedingungen von 1991. :) Ich habe heute noch mal alle Ein- und Ausschlüsse durchgelesen und mir fällt erst Mal nichts auf, was im Vergleich zu einer neueren/aktuellen Vers. fehlen könnte. Teilweise sind sogar Dinge eingeschlossen, die es heute nur extra oder gar nicht zu versichern gibt.


    Allerdings - und das ist ggf. der echte Nachteil - ist die Vers.summe mit 50.000 EUR recht niedrig. Ändern ließe sich das nur durch Neuabschluss, sagt mein bisheriger Versicherer.


    Kennt sich hier jemand damit aus? Soll ich die Vers. behalten trotz der geringen Deckungssumme oder soll ich lieber eine neue mit allem Pi Pa Po abschließen?


    Dankeschön im Voraus!

  • Hallo sam_fi,



    ich bin Versicherungsberater gemäß § 34e der Gewerbeordnung und neben der PKV-Beratung habe ich mich auf die Bearbeitung von Deckungszusagen und die Bearbeitung von Leistungsverweigerungen durch Versicherer in der RSV spezialisiert.



    Erst einmal etwas Grundsätzliches: Bei der Rechtsschutzversicherung handelt es sich um ein überzeugendes Versicherungskonzept (was nicht für alle Versicherungsprodukte gilt). Das persönliche Risiko, in einen zivilen Rechtsstreit verwickelt zu werden liegt über alle Altersgruppen bei 2,86% im Jahr (Destatis-Statistik (2015) bezogen auf die Gesamtbevölkerung; keine Unterscheidung nach Altersgruppen / persönliche Betroffenheit). Das Risiko der Beteiligung an einem zivilen Rechtsstreit wird regelmäßig von Menschen unterschätzt. Daher: Einer mittleren Eintrittswahrscheinlichkeit stehen geringe bis mittlere Prämien (Kosten) und ein potentiell mittlerer bis hoher Schaden (im Versicherungsfall) gegenüber.



    Ich setze mich mit den ARB sozusagen immer im Schadensfall auseinander, d.h. aus einer praktischen, rechtsberatenden Perspektive – und das rund 30mal im Jahr.


    Tendenziell ist Ihnen zuzustimmen. Die ARB 75 sind aus Sicht des Versicherungsnehmer besser als die ARB 91 und diese wiederrum als die ARB 2012 (usw.). Gleichwohl kommt es auf den konkreten Versicherungsumfang und die Bedingungen der bestehenden RSV an.



    Ein Beispiel ist der Kostenschutz für Ansprüche gegen Anlagegesellschaften, Konzeptanten, Initiatoren, Vorstände wegen Betruges und anderer unerlaubter Handlungen. Da kann man beispielhaft die Entwicklung der Leistungsreduzierungen gut nachverfolgen.



    Ihr Versicherer sollte seinen Beratungspflichten nach § 6 des Versicherungsvertragsgesetzes nachkommen. Sie müssen nach meiner Ansicht nicht Ihre bisherige RSV kündigen (auch wenn die Versicherungssumme nicht hoch erscheint) und eine neue abschließen. Sie haben nämlich die Option, eine zweite RSV abzuschließen.


    Der zweite abgeschlossene Versicherungsvertrag wäre wirksam. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn Ihnen nachgewiesen werden könnte, dass der zweite Vertrag in betrügerischer Absicht abgeschlossen wird. Etwa um die Versicherungsleistung doppelt in Anspruch zu nehmen. Dies müsste geprüft und durch Abgleich der Leistungen umgangen werden.



    Es ist eine der vielen Legenden, dass eine Doppelversicherung bei der RSV nicht erlaubt ist. Allerdings bestehen gegebenenfalls Anzeigepflichten (§ 77 VVG). Zur Vermeidung von Schwierigkeiten sollten Sie dennoch den Abschluss der zweiten Versicherung bei der ersten anzeigen und auch der zweiten Versicherung mitteilen, dass bereits eine Vorversicherung besteht. Damit würden Sie Ihrer Anzeigepflicht aus § 77 VVG genügen.

    Meine Empfehlung:
    Prüfen Sie (oder lassen Sie prüfen), ob es sich wirklich lohnt (im Sinne von Kosten-Nutzen) die bisherige RSV beizubehalten. Wenn ja, ist der Abschluss einer „ergänzenden“, zweiten RSV eine Handlungsoption. Es ist nämlich in der RSV nicht verboten, dasselbe Risiko mehrfach zu versichern. Anderes gilt dann, wenn dies in betrügerischer Absicht geschieht. Zur Sicherheit sollten Sie die Doppelversicherung beiden Versicherern anzeigen. Außerdem sollten Sie die Vertragsunterlagen nach sogenannten Subsidiaritätsklauseln durchsuchen oder durchsuchen lassen.



    „RSV-Beratung ist eine Kunst und Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen (frei nach Karl Valentin).“

  • Vielen Dank, Herr Gamper, für die sehr ausführlichen und hilfreichen Informationen!


    Jedoch würde eine weitere, zusätzliche RSV auch doppelte Beiträge bedeuten. Das wären dann gut 500-600 EUR im Jahr für eine höhere Deckungssumme. Ich weiß nicht recht, ob das nicht vielleicht etwas zu viel des Guten wäre. Und dann droht auch noch evtl. die Auseinandersetzung mit beiden Versicherern im Schadenfalle. Wir wissen ja alle, dass Versicherer sich gerne und zunächst einmal wegen der kleinsten Kleinigkeit quer stellen, wenn es um Leistungen geht.


    Oder könnte ich die zusätzliche RSV auch beim selben Versicherer abschließen?

  • Hallo sam_fi,


    eine ergänzende RSV muss überhaupt nicht eine Verdoppelung der Beiträge bedeuten. Gleichwohl müssen Kosten-Nutzen-Erwägungen herangezogen werden (siehe oben).


    Warum sollte eine Auseinandersetzung mit den RSV drohen, wenn Sie vorher der Anzeigepflicht gemäß § 77 VVG genügen? Den Punkt verstehe ich nicht. Sie müssen sich grundsätzlich bewusst darüber sein, dass RSV heutzutage "sehr robust" mit Deckungszusagen und Versicherungsfällen umgehen. Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was den RSV alles einfällt um den Versicherungsfall zu negieren oder bei Deckungszusage Gebühren zu kürzen bzw. nicht anzuerkennen.


    Im Übrigen kommt häufiger der Fall vor, dass Menschen die gleichen Risiken über Firmen-RSV und Privat-RS abgedeckt haben. In wenigen mir bekannten Fällen gab es vorher ein Anzeige gemäß § 77 VVG. Das Thema Doppelversicherung, Deckungszusage, Deckungsklagen, Versicherungsschutz hat bereits mehrere OLGs beschäftigt. Da sind nur wenige Fragen offen geblieben.


    Natürlich können Sie die zweite RSV auch bei Ihrem Versicherer abschließen. Aufgrund der bisherigen Beratungsleistung des Versicherers, gehe ich aber davon aus, dass mann Ihnen ein neues Produkt verkaufen will. Wenn es sich um einen Bruttotarif (wovon auszugehen ist) handelt, dann zahlen Sie noch einmal Courtage / Provision oben drauf. Das gilt natürlich auch für einen Neuabschluss.

  • Nochmals vielen Dank, Herr Gamper.


    Mit Auseinandersetzung meinte ich genau den Fall, dass der eine Versicherer den Schaden auf den anderen Versicherer schiebt. und umgekehrt. Freiwillig möchte keiner von beiden leisten, wie Sie selbst auch richtig schreiben.


    Und ich konstruiere Folgendes: Es tritt ein Versicherungsfall ein, der zunächst klein erscheint. Ich nehme den bisherigen Versicherer in Anspruch bzw. melde dort den Schaden. Im Laufe der Verfahren reicht dann irgendwann die geringe Deckungssumme nicht mehr aus und dann müsste der neuere Versicherer leisten, was er ggf. nicht tut, weil der Schaden bisher beim alten Versicherer bearbeitet wurde.


    Oder kann das alles gar nicht sein?


    Für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einem oder beiden Versicherern hätte ich jedenfalls im Schadenfall nicht auch noch die Muße, würde ich heute sagen.


    Haben Sie eine grobe Richtung für mich bzgl. Beitrag für eine ergänzende RSV? Sie schreiben, es bedeute nicht zwangsläufig doppelte Beiträge.


    Besten Dank noch mal.

  • Hallo sam-fi,


    leider kann ich beiden Fragen nicht pauschal beantworten. Ich kenne nicht den konkreten Versicherungsumfang und die Leistungen. Im Versicherungsfall würden Sie (oder ein Dritter) erst einmal prüfen, welche Versicherung, welche Risiken abdeckt. Eine Deckungsklage gegen beide Versicherer ist sowieso ausgeschlossen (so das OLG Köln). Bei einem Versicherungsfall geht es um einen Gegenstandswert, der von Rechtsanwälten "geschätzt" und von den Gerichten überprüft wird. Hier könnte man sich mit Prognosen behelfen und im schlechtesten Fall den Instanzenzug mit verschiedenen Gegenstandswerten berücksichtigen.


    Aber wichtiger ist doch die Frage, ob sich die bestehende RSV leistungsmäßig sinnvoll ergänzen lässt. Bleiben wir bei dem Beispiel: Sie wollen wegen einer Geldanlage gegen den Initiatoren oder Vermittler klagen. Ihre bisherige RSV übernimmt die Kosten bis zu 50.000,-- €; die ergänzende übernimmt keine Kosten. Ein klarer Fall, der für die bisherige RSV spricht. Hier ist m.E. in der Beratung bzw. Analyse der Schwerpunkt zu setzen. Deshalb steht am Anfang die Prüfung des Leistungsumfangs der bestehenden RSV, dann die Ermittlung sinnvoller Leistungserweiterungen und erst dann die Suche nach geeigneten Produkten. Ohne zu wissen was man hat, sollte man nichts neues suchen.


    Ich bin kein Vermittler solcher Produkte. Die Beitragsunterschiede bei RSV können enorm sein. Eine grobe Richtung kann ich hier seriös nicht geben.

  • Danke für die neuen Ausführungen.


    Offensichtlich ist es ja dann doch nicht so leicht, wie Sie anfangs beschrieben haben.


    Aber eine Leistungsergänzung/-erweiterung ist doch aufgrund der guten ARB 91 gar nicht nötig, nur eine höhere Versicherungssumme wäre evtl. nötig. Und die ist nach meiner bisherigen Recherche nur dadurch zu erreichen, dass man einen neuen Vertrag abschließt.


    Ich sehe mich weiter um...