Restschuld- oder Ratenschutzversicherungen – wie damit umgehen?

  • Restschuld- oder Ratenschutzversicherungen – wie damit umgehen?



    Der Finanztip-Ratgeber „Restschuldversicherung sind teuer und oft überflüssig“ (http://www.finanztip.de/kredit/restschuldversicherung/) von der Verfasserin Dr. Schön liefert bereits sehr gute Basisinformationen für Verbraucher und ist zudem recht aktuell.


    Eigentlich wäre dieser Ratgeber damit nicht ergänzungsbedürftig.


    Trotzdem möchte ich den interessierten Lesern und Leserinnen tiefergehende Informationen zur Funktion der Restschuldversicherung, der Sinnhaftigkeit des Versicherungskonzeptes, der Kündigung solcher Restschuldversicherungen sowie weitergehende statistische Daten an die Hand geben.



    Beginnen wir heute mit einigen statistischen Daten. Diese stammen fast ausschließlich aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maisch, Dr. Schick, Künast u.a. der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/10871) vom 18.01.2017. Ich unterstelle die Richtigkeit dieser Daten. Sie wurden von mir nicht geprüft.


    Der Bestand an Restschuldversicherungen mit Überschussbeteiligung, die bei den unter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stehenden Lebensversicherern im Rahmen von Kollektivverträgen abgeschlossen wurden, belief sich 2015 auf


    2,013 Millionen Verträge.



    Die Versicherungssumme belief sich 2015 auf: 13.296 Mio. Euro. (oder 13,296 Milliarden Euro).



    Die Verbraucherzentrale Hessen e.V. schätzt, dass jedes Jahr zirka 300.000 neue Verträge abgeschlossen werden (Missstände bei der Restkreditversicherung, Papier vom 23.04.2015).


    Bei den Daten von der BaFin sollte man wissen, dass diese zum Bestand an Restschuldversicherungen ohne Überschussbeteiligung keine Angaben vorliegen hat.



    Ich halte die Zahlen, offen gesagt, für zu gering, zumal der GdV e.V. höhere Bestands- und Neuzugangsdaten für 2015 veröffentlicht hat. Das prüfe ich aber noch und werde die Informationen nachliefern.



    Jetzt komme ich zu Daten, die bereits einen ersten Anhaltspunkt auf die Sinnhaftigkeit dieser Versicherung, geben.



    Die BaFin veröffentlicht nämlich Daten zu der Anzahl der Versicherungsfälle und setzt diese ins Verhältnis mit der Anzahl der Verträge.



    Die Anzahl der Versicherungsfälle betrug in 2015 zirka 5.000. Die Schadensquote (oder Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsfall eintritt) betrug demnach 0,2484 % (Quelle: Erstversicherungsstatistik der BaFin).



    Die durchschnittliche Versicherungssumme der Versicherungsfälle liegt nach Angaben der BaFin im Bereich von 6.000 bis 8.000 Euro.



    Das persönliche Risiko, in einen zivilen Rechtsstreit verwickelt zu werden, liegt bei 2,86% (Quelle: Statistisches Bundesamt, Rechtspflege 2015). Das Risiko einen Leitungswasserschadens „zu erleiden“ bei 3,31% (Quelle: GdV). Ich könnte die Liste unbegrenzt fortsetzen. Auf den ersten Blick erscheint das Versicherungskonzept daher nicht stimmig. Mehr dazu in einem späteren Beitrag.



    „Versicherungsberatung ist eine Kunst und Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen (frei nach Karl Valentin).“

  • Heute die statistischen Daten des GdV für das Jahr 2015 (Sie können unter http://www.gdv.de/wp-content/u…herung-in-Zahlen-2016.pdf heruntergeladen werden).



    Neuzugang Restschuldversicherungen (nur Kollektivversicherungen) in 2015:



    678.380 (Verträge).



    Damit wäre die von der Verbraucherzentrale Hessen e.V. geschätzte Zahl (300.000 neue Verträge) viel zu gering.



    Der Bestand an Restschuldversicherungen (nur Kollektivverträge) belief sich laut GdV 2015 auf



    3,444 Millionen Verträge.



    Die Versicherungssumme belief sich 2015 auf: 27.901 Mio. Euro. (oder 27,901 Milliarden Euro).



    Die BaFin erfasst demnach nur die Verträge mit Überschussbeteiligungen. Der GdV erfasst ist seiner Statistik nur die Restschuldversicherungen als Kollektivverträge. Es mögen damit statistisch Verträge in den Datensätzen fehlen, die keine Kollektivverträge sind, jedoch ebenso keine Überschussbeteiligung aufweisen.



    Ich versuche über eine Anfrage beim GdV herauszufinden, ob solche Verträge statistisch erfasst werden.



    „Versicherungsberatung ist eine Kunst und Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen (frei nach Karl Valentin).“

  • Zur Funktion solcher Versicherungen



    Die Restschuldversicherung soll bekanntermaßen Risiken des Zahlungsausfalls bei einem Verbraucherdarlehen auffangen. Somit erfolgt der Abschluss eines Restschuldversicherungsvertrages ausschließlich bei/mit Unterschrift unter einen besicherten Verbraucherdarlehensvertrag.



    Oft wird bereits in dem Verbraucherdarlehensvertrag formularmäßig vereinbart, dass das Kreditinstitut als Versicherungsnehmer mit dem Kreditnehmer als versicherte Person eine nachstehend in derselben Urkunde aufgeführte Restschuldversicherung abschließt. Seltener wird der Kreditnehmer auch der Versicherungsnehmer.



    Die Beiträge werden wie bei der Krankenversicherung kalkuliert. Bis Ende 2012 wurden die Beiträge geschlechterabhängig und auf Grundlage des Alters und ab 2013 insbesondere auf Grundlage des Alters kalkuliert (vgl. zur Tarifkalkulation die Hinweise des BAV NVersZ 2000, 164 unter Verweis auf die §§ 11 und 81 VAG).



    Die Versicherung dient dem Kreditinstitut dabei nur zur Absicherung des konkreten darlehensrechtlichen Rückzahlungsanspruchs und verläuft daher mit der Laufzeit des Darlehensvertrags synchron. Im „Versicherungsfall“ bedient der Versicherer die vertraglich noch offene Darlehensforderung für den Darlehensnehmer, in dem er an das Kreditinstitut nach § 267 BGB Abs. 1 Satz 1 BGB zahlt (Vgl. Gessner, T., Restschuldversicherungen und Verbraucherdarlehensverträge in NJ 11/12, S. 441 f. und so auch der Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2011 (Az.: XI ZR 220/10). Der Verbraucher wird somit insoweit von seiner Leistungspflicht aus dem Verbraucherdarlehensvertrag freigestellt.



    Die im Versicherungsfall auszuschüttende Versicherungssumme sinkt bei den üblicherweise als Annuitätendarlehen strukturierten Verträgen gleichsam mit dem Rückzahlungsanspruch (Nettodarlehensbetrag minus Tilgung). Es wird demnach immer nur die aktuelle Darlehensvaluta vom Versicherungsschutz umfasst. Entgegen weitläufiger Ansicht, sind die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls aufgelaufenen Rückstände inklusive Zinsen und Kosten nicht über die Rechtsschutzversicherung abgesichert.



    Die Restschuldversicherung wird regelmäßig über das Darlehen mitfinanziert. Dadurch erhöht sich der Darlehensbetrag, die Bearbeitungsgebühren (soweit überhaupt noch zulässig) und die zu zahlenden Zinsen sind höher als bei einem Vertragsverhältnis ohne diese Versicherung.



    Im Ergebnis besteht kreditgeberseits somit überhaupt kein Anreiz und auch kein Interesse an niedrigen Versicherungsprämien (Vgl. dazu auch Gerlach FLF 1981, 99).



    Durch die vorschüssige Zahlung des Einmalbetrages ergibt sich ein Zinsvorteil, für den bei vergleichbaren Versicherungsarten wie Kapitallebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen durch die dort übliche monatliche Zahlung keine Entsprechung findet (Vgl. Knops, Restschuldversicherungen im Verbraucherkredit, VersR 2006, 1455).



    Abgesichert wird regelmäßig das Todesfallrisiko mit monatlich gleichmäßig fallender Versicherungssumme in Höhe des Gesamtkreditvertrags nebst Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, nicht aber ein allgemeines Bonitätsrisiko (Vgl. Staudinger/Kesssal/Wulf, BGB 13. Bearb. 2004 § 4 VerbrKrG Randnummer 60).



    In einem normalen „Beratungsgespräch“ werden Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf Restschuldversicherungen oder alternativen Risikoschutz nicht offeriert. Ein Konditionenwettbewerb ist damit ausgeschlossen. Er findet nicht statt.



    „Versicherungsberatung ist eine Kunst und Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen (frei nach Karl Valentin).“

  • Kündigungsmöglichkeiten und Modalitäten bei einer vorzeitigen Ablösung



    Erfolgt die Kündigung der Restschuldversicherung innerhalb der ersten drei Vertragsjahre, verweisen die Kreditinstitute regelmäßig auf § 11 Absatz 4 Versicherungsvertragsgesetz (https://dejure.org/gesetze/VVG/11.html). Die Kreditinstitute argumentieren demnach, dass eine vorzeitige Ablösung des Verbraucherdarlehens den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht entfallen lasse und dieser entsprechend dem Tilgungsplan weiter bestehen würde (vgl. Goosmann, Immer Ärger mit Restschuldversicherungen).



    Der Versicherungsnehmer soll also weiterhin ein Risiko versichern und Beiträge für etwas zahlen, wofür kein Risiko mehr besteht. Mit der vorzeitigen Ablösung (und der Beendigung der Verbraucherdarlehensvertrages entfällt natürlich der Sinn und Zweck der Restschuldversicherung weg.



    Oft finden sich entsprechende Vereinbarungen und Klauseln in den Vertragsbedingungen, nach denen eine Kündigung auch bei Ablösung des Verbraucherdarlehens nicht möglich ist, d.h. selbst im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens soll der Verbraucher gezwungen sein, die Beiträge der Versicherung weiter zu tragen – obwohl der Versicherungsfall gar nicht mehr eintreten kann. Eine solche Klausel ist meines Erachtens sowohl überraschend und stellt auch eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar, weshalb sie unwirksam ist.



    Verbraucher sollten auf ihr Kündigungsrecht bestehen und bei Ablehnung nicht vorschnell klein beigeben. Üblicherweise können Restschuldversicherungen entweder jederzeit mit einer Frist von 2 Wochen zum Schluss eines jeden Monats beendet oder außerordentlich gekündigt werden. Die gezahlte Versicherungsprämie muss dann anteilig erstattet werden. Unabhängig vom Widerstand des einzelnen Versicherers ist und der konkreten Fallgestaltung ist eine generelle rechtliche Klärung jedoch angezeigt.



    „Versicherungsberatung ist eine Kunst und Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen (frei nach Karl Valentin).“