keine Chance im Riester?

  • Hallo Community,


    ich als junger (25) Arbeitnehmer habe mich extra noch vor meinem 25. Lebensjahr wegen der extra Zulage des Staates damit beeilt, einen Riestervertrag abzuschließen und mich dazu über Vergleichsportale und Zeitschriften informiert. Für mich stand schnell fest, dass es ein Riester Fondssparplan werden soll. Am Ende bin ich bei Union Investments UniProfiRente "Select" gelandet mit einem empfohlenen Mischfonds.
    Zusammen mit meiner Beraterin vor Ort haben wir also die Raten berechnet und den Vertrag abgeschlossen. Dabei wurde auch auf die "Sicherungskomponenten" eingegangen, die neben der "Chancenkomponente" - meinem ausgewählten Fond, verwendet werden sollen.


    Jetzt läuft dieser Fonds bereits 6 Monate lang und ich musste bisher feststellen, dass hier nur in die Sicherungskomponente investiert wurde, bis heute habe ich nicht einen Anteil meines Mischfonds im Depot. Die Sicherungskomponente hat bisher auch nur Miese eingefahren, was die "realistisch versprochenen 3 - 4% pro Jahr" in ein falsches Licht rückt. Gerade die Aktienkurse sind in den vergangenen 6 Monaten ja nur nach oben gegangen und ich verstehe nicht, warum ich hier einfach nicht daran teilhaben kann über das Riestersparen?
    Ein Anruf bei Union Investment brachte mir persönlich leider auch nicht viel Informationen, dort wurde nur gesagt, dass dies zur "Sicherung von Union Investment und langfristig für den Vertrag" geschieht.
    Ich hoffe, jemand kann mir hier erklären, warum ich bis heute noch keinen Anteil meines Mischfonds im Depot habe und warum hier nicht mein monatlich eingezahltes Geld in gewissen Anteilen (irgendwas zwischen 1% und 99%) in die Sicherungskomponente und die Chancenkomponente fließt, um das Geld quasi aufzuteilen auf Chance und Sicherung.


    Ich freue mich auf eure Hilfe, ich bin hier wirklich nur noch ratlos...
    Besten Gruß
    ClemensB

  • 1.


    Sicherungskomponente
    Zur Sicherstellung der 100-Prozent-Garantie Ihrer Einzahlungen und Zulagen zum Beginn der Auszahlphase, wird der Teil Ihres eingezahlten Geldes, der nicht in die Fonds der Chancenkomponente fließt, in sogenannte „Fonds der Sicherungskomponente“ angelegt. Für diese automatische Absicherung stehen sieben Rentenfonds mit unterschiedlicher Laufzeitsteuerung zur Verfügung.


    Quelle Union Investment



    2.


    Wenn Du profitieren willst, dann muss Du die Sicherung raus nehmen!


    Chancen bedeuten aber auch immer Risiken.


    Je weniger Risiko, desto weniger Chance!


    3.


    Riester hat aber einen anderen Zweck und eigentlich sind 6 Fragen bei der Auswahl zu beachten:





    1.) Soll die garantierte Rente bzw. der garantierte Rentenfaktor zu 100% unabänderbar garantiert sein?2.) Soll nach einer Beitragspause das Weitersparen ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?3.) Soll ein Vorverlegen des Rentenbeginns ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?4.) Soll ein Hinausschieben des Rentenbeginns ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?5.) Sollen bis zu 30% des zum Rentenbeginn aufgebauten Kapitals förderunschädlich kapitalisierbar sein?6.) Auf welchem Wert soll die Garantie aus der 1. Frage basieren, auf dem eher zu erwartenden niedrigeren Garantieguthaben, oder dem zu erwartenden, höheren Vertragsguthaben?“


    Quelle: http://softfin.de/6-riester-fragen/



    4.


    Reine Investmentpläne haben in der Regel einen Nachteil, der aber auch ein Vorteil sein kann:


    Der Rentenfaktor wird regelmäßig erst am Ende der Sparphase definiert und das angesammelte Geld wird zum großen teil dann in eine Rentenversicherung ab 85 eingezahlt!

  • Hallo ClemensB,



    ich hänge die aktuellen Versionen der Produktinformationen zur UniProfiRente Select an.



    Sie befinden sich in der Ansparphase, in der Sie sich wahrscheinlich noch rund 40 Jahre befinden werden.



    Die Chancen- und Sicherungskomponenten werden insbesondere in der 11seitigen Produktinformation im Anhang recht gut erklärt. Es handelt sich um ein Depotsteuerungskonzept, auf das Sie im Nachhinein keinen Einfluss nehmen können. Der Fondsmanager entscheidet alleine, welche Komponente er den Vorrang einräumt.


    Ich habe nicht nachgeschaut, aber wahrscheinlich finden Sie im Verkaufsprospekt und den Anlagebedingungen weitere Erläuterungen zum Depotsteuerungskonzept.



    Bei diesem Produkt werden Ihnen der Erhalt von Einzahlungen und Zulagen garantiert. Was solche Garantien für Kosten verursachen können, finden Sie in dem zugegebenermaßen recht technischen Papier der Franfurt School of Finance & Management.



    Sie werden sich die vielleicht Frage stellen, ob Sie aus dem Produkt wieder aussteigen können. Ja, aber das geht nur mit nicht unbeträchtlichen Kosten, Verlusten und Aufwand einher. Diese Frage können Sie m.E. auch nur im Rahmen der gesamten Ruhestandsplanung betrachten. Genauso hätte die Entscheidung für die UniProfiRente Select m.E. nur im Zusammenhang mit einer Ruhestandsplanung getroffen werden sollen.



    Aufgrund eines aktuellen Falls in meiner Beratung weise ich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 27.09.2016 (Aktenzeichen VIII R66/13) hin. Die Leitsätze lauten:

    „1. Wird ein Lebensversicherungsvertrag vor Ablauf der Versicherungslaufzeit durch Änderung von Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war oder einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteileeingeräumt worden ist, liegt hinsichtlich der Änderungen in ertragsteuerlicher Hinsicht ein neuer Vertrag vor (Anschluss an BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 VIII R71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, m.w.N.).
    2. Erfolgt die Änderung des Vertrages vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter (neuer) Vereinbarung eines späteren einheitlichen Fälligkeitszeitpunkts für die dem Steuerpflichtigen als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen (auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrages), entsteht die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens erst zu diesem Zeitpunkt; erst mit dem dann veranlassten tatsächlichen Eingang der Zahlungen fließen die Zinsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 11 EStG zu.“



    Ein Hinweis in eigener Sache: Ich bin Versicherungsberater, der per Gesetz Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall rechtlich beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich vertreten darf (https://dejure.org/gesetze/GewO/34e.html).


    Mir lagen weder vollständige Unterlagen und Informationen vor, noch habe ich eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt.Insofern istmeine Antwort hier auf Ihre Fragestellung als Rat bzw. eine Empfehlung gemäß § 675 Absatz 2 BGB zu werten (https://dejure.org/gesetze/BGB/675.html).



    Mit besten Grüßen

  • Hallo,


    vielen Dank für die Antworten.
    @VersSulting zu 2: Die Sicherung rausnehmen kann ich ja nicht, das ist ja ein Teil des Riestervertrags, um wie in 1 von Ihnen erläutert die 100%-Garantie auf die eingezahlten Leistungen zu erhalten. Dennoch ist es natürlich niederschmetternd, wenn genau diese Komponenten massiv Verlust machen, was heißt, dass ein Doppelt so hoher Profit in der Chancenkomponente (bei gleichem Wert) benötigt wird, um dies auszugleichen...


    @Vers.BeraterGamper Danke, über ein Aussteigen denke ich nicht nach, maximal darüber, den Vertrag kaltzustellen (auszusetzen). Denken Sie, dass andere Riesterprodukte eine bessere Performance aufweisen werden?


    Freundliche Grüße
    Clemens Beckel

  • Andere Produkte haben die gleiche Herausforderung der Garantie.


    Die relevante Stellschraube sind die Kosten. Die Perfomance wird von den Kosten aufgefressen.


    Eine weitere, die -frage wann der Rentenfaktor bestimmt wird.


    Beachten Sie die 6 Riester Fragen (nach meinem geschätzten Kollegen Joachim Haid)



    1.) Soll die garantierte Rente bzw. der garantierte Rentenfaktor zu 100% unabänderbar garantiert sein?
    2.) Soll nach einer Beitragspause das Weitersparen ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?
    3.) Soll ein Vorverlegen des Rentenbeginns ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?
    4.) Soll ein Hinausschieben des Rentenbeginns ohne neue, für den Kunden nachteilige Rechnungsgrundlagen möglich sein?
    5.) Sollen bis zu 30% des zum Rentenbeginn aufgebauten Kapitals förderunschädlich kapitalisierbar sein?
    6.) Auf welchem Wert soll die Garantie aus der 1. Frage basieren, auf dem eher zu erwartenden niedrigeren Garantieguthaben, oder dem zu erwartenden, höheren Vertragsguthaben?“


    http://softfin.de/6-riester-fragen/


    Bei Riester geht es auch nicht um "Erträge", sondern um die lebenslang garantierte Rente.

  • Sehr geehrter Herr Beckel,



    danke für die Nachfrage.



    Ja, nach dem Gesetz zur Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen (AltZertG) besteht für Anleger das Recht, das vorhandene Kapital eines Riester Rentenversicherungsvertrages auf einen anderen Anbieter übertragen zu lassen (= Anbieterwechsel). Insofern könnte man auch nach Produkten mit besseren Rendite-Risikoprofilen recherchieren und insofern einen Anbieterwechsel vollziehen.



    Das Stilllegen des Vertrages ist natürlich auch eine Handlungsoption.



    Für mich sind das aber nur zwei mögliche Handlungsoptionen. Sie wollen ja sicherlich eine informierte und wohl begründete Entscheidung treffen und sinnvoll mit Ihrem Vermögen disponieren.



    Nach der Laufzeit des Vertrages zu urteilen, treffen Sie derzeit noch eine Entscheidung über wenige hundert Euro Verlust oder Gewinn. Die Entscheidung über künftige Handlungsoptionen wird aber Ihr Vermögen im Bereich von mehreren tausend (ggf. zehntausend) Euro beeinflussen.



    Riester-Produkte weisen viele Nachteile, aber zumindest zwei Vorteile auf. 1.) Steuervorteile durch Zulagen und 2.) eine Kapitalerhaltungs-Garantie für risikoaverse/risikoscheue Anleger.



    Sie haben m.E. mindestens folgende Optionen:


    1.) Vertrag kündigen (und Verlust realisieren) und Alternativanlage tätigen


    2.) Anbieterwechsel und Suche nach einem Produkt mit besseren Risiko-/Renditeprofil


    3.) Vertrag stilllegen (technisch: Vertrag ruhend stellen)


    4.) Vertrag laufen lassen wie bisher



    Bei den Optionen 1.) und 3.) stellt sich die Anschlussfrage, in welche Anlagen Sie die freiwerdenden Gelder investieren wollen.



    Bei Ihnen geht es um sehr lange Anlagezeiträume von über 30 Jahren. Das ist gut. Langfristig (ich spreche hier von 15 Jahren +) bringt beispielsweise der DAX 7,8% und der Euro Stoxx 6,7% Rendite vor Steuern. Das geht natürlich mit einem höheren Risiko einher. Eine Garantie für den Kapitalerhalt gibt es ebenfalls nicht. Die Differenz zu der Ihnen genannten Renditeerwartung von 3-4% für den Riester ergibt sich somit größtenteils aus den Garantiekosten und den Kosten für das Riesterprodukt selber.



    Seit 01.01.2017 müssen diese Kosten in den Effektivkosten im Produktionsinformationsblatt ausgewiesen werden (siehe Altersvorsorge-Produktinformationsblattverordnung). Bisher habe ich drei Produktinformationsblätter in meinen Händen gehalten und in keinem waren die Garantiekosten ausgewiesen.


    Wenn Sie finanzmathematische Kenntnisse aufweisen, können Sie natürlich allfällige Fragen selber klären und die entsprechenden Analysen durchführen. Ansonsten sollten Sie sich an einen Berater (Honorarberater, Versicherungsberater, Makler usw.) wenden, der folgende Berechnungen / Analysen durchführen sollte:



    1. Pflicht


    # Risikoklassifizierung: Sind Sie tatsächlich ein risikoscheuer Anleger, der eine Garantie benötigt?


    # Renditevergleich (vor/nach Steuern) hinsichtlich der Handlungsoptionen.


    # Ermittlung der Garantiekosten für das bestehende Riester-Produkt und Kostenvergleich mit ETFs usw.



    2. Kür


    # Erfassung und Dokumentation der Risikokennziffern.


    # Durchführung von Monte-Carlo-Simulation, wie sich die Renditeschwankung (Volatilität) auf Ihr Vermögen auswirkt.



    Was Sie vermeiden sollten:


    # Berater, die keine ausreichenden finanzmathematischen Kenntnisse aufweisen und versuchen, allfällige Fragen über Checklisten, Risikoerfassungsbögen und „Gemeinplätze“ nach dem Motto „das sind die Antworten auf die wichtigsten Riester-Fragen“ zu beantworten.


    # Berater und Menschen, die sich auf eine Handlungsoption verengen.



    Verlangen Sie daher (wenn Sie einen Berater hinzuziehen)


    # Nachweise in Form von anonymisierten Analysen und Berechnungen.


    # Die Dokumentation über das Vorhandensein eines strukturierten Analyseprozesses.



    Kosten: Für die genannten Leistungen werden Sie bei einem fähigen Berater rund 300,-- bis 500,-- € m.E. investieren müssen. Dafür bekommen Sie erläuterte Analysen und eine kurze Empfehlung per E-Mail.



    Nutzen: Das Geld ist m.E. gut investiert, denn es erspart Ihnen eine Fehlentscheidung, die jetzt nich beeinflusst werden kann, später aber potentiell (über die vielen Jahre) einige tausend Euro Verlust bedeuten könnten.



    Ein Hinweis in eigener Sache: Ich bin Versicherungsberater, der per Gesetz Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall rechtlich beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich vertreten darf (https://dejure.org/gesetze/GewO/34e.html).


    Mir lagen weder vollständige Unterlagen und Informationen vor, noch habe ich eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt.Insofern istmeine Antwort hier auf Ihre Fragestellung als Rat bzw. eine Empfehlung gemäß § 675 Absatz 2 BGB zu werten (https://dejure.org/gesetze/BGB/675.html).



    Mit besten Grüßen