Versicherungsanlageprodukte – nur ein neuer Terminus Technicus?
Mit der zweiten Finanzmarktrichtlinie (MiFID II), der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) sowie der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs-Verordnung) hat der europäische Gesetzgeber einen neuen Fachausdruck im Versicherungsrecht geschaffen: das Versicherungsanlageprodukt, kurz IBIP (IBIP steht für Insurance-based Investment Product). Damit trug der europäische Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass Lebensversicherungsverträge nicht nur der Abdeckung biometrischer Risiken dienen, sondern oft auch eine Kapitalanlagekomponente mit Chancen und Risiken beinhalten, um für den Versicherungsnehmer im Todes- wie im Erlebensfall einen Wert zu bieten (vgl. BaFin, Versicherungsanlageprodukte – Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt, August 2017).
Und weiter schreibt die BaFin: „Ob sich ein Versicherungsvertrag als IBIP qualifiziert, ist entscheidend für die Frage, welcher Regulierung er ab 2018 unterliegt. Für Versicherungsanlageprodukte gelten künftig nicht nur die Pflicht zur Erstellung eines Basisinformationsblatts nach der PRIIPs-Verordnung, sondern auch zusätzliche Anforderungen an den Vertrieb, die ab dem 23. Februar 2018 aufgrund des Umsetzungsgesetzes zur IDD (siehe BaFinJournal März 2017) im Beratungs- und Verkaufsprozess einzuhalten sind.“
Zur „besonderen“ Regulierung in Bezug auf den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten schreibe ich noch etwas in einem späteren Beitrag. Nachdem die Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und am 20. Dezember 2018 in Kraft trat, ist jetzt der Umfang der Regulierung vollends geklärt.
Was sind aber nun definitorisch Kapitalanlageprodukte? Drei Kategorien sind zu nennen:
A. Kapitalbildende Lebensversicherung / fondsgebundene Lebensversicherungen / Hybridprodukte Zu den Produkten, die die BaFin im deutschen Markt typischerweise als IBIPs klassifiziert, zählen alle kapitalbildenden Lebensversicherungen. Bereits in der Begründung zum Vorschlag für die PRIIPs-Verordnung hatte die EU-Kommission deutlich gemacht, dass es keine Rolle spielen soll, ob der Kleinanleger ein direktes Kapitalverlustrisiko trägt. Entscheidend ist, ob ein IBIP direkt oder indirekt Marktschwankungen unterliegt. Dies ist sowohl bei klassischen Kapitallebensversicherungen als auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen und Hybridprodukten der Fall, so dass sich eine Differenzierung zwischen fondsgebundener und klassischer Kapitallebensversicherung verbietet. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle die Zielrichtung der Verordnung, als IBIPs solche Produkte zu erfassen, bei denen der Kunde ein Finanzprodukt nicht unmittelbar kauft, sondern verpackt, also über einen Versicherungsmantel. Die Wahl eines konkreten Investments oder der konkreten Gesamtheit an Investments ist also keine Bedingung für die PRIIPs-Eigenschaft. IBIPs mit einer Vielzahl an Anlageoptionen spielen eine Sonderrolle; für sie erlaubt die PRIIPs-Verordnung Abweichungen im Basisinformationsblatt. Die Klassifikation einer kapitalbildenden Lebensversicherung als IBIP ist unabhängig davon, ob die Prämie laufend oder als Einmalbetrag zu zahlen ist. Entscheidend ist, ob sie einen Fälligkeits- oder Rückkaufswert enthält, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist. Dies ist sowohl bei fondsgebundenen Lebensversicherungen zu bejahen, deren Fälligkeits- und Rückkaufswert von den Schwankungen der Fondsanteilswerte abhängt, als auch bei allen Verträgen, die eine Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers aus Kapitalerträgen vorsehen. Nicht-fondsgebundene Verträge ohne Beteiligung an Überschüssen aus Kapitalerträgen sind hingegen nicht als IBIP einzustufen (vgl. BaFin, Versicherungsanlageprodukte – Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt, August 2017). |
B. Private Rentenversicherungen Aufgeschobene private Rentenversicherungen der dritten Schicht (https://wirtschaftslexikon.gab…ei-schichten-modell-52134) qualifizieren sich aufgrund der gleichen Kriterien als IBIP wie die kapitalbildende Lebensversicherung, da der deutsche Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine nationale Ausnahmevorschrift zur Anerkennung der vorrangigen Zweckbestimmung zur Altersvorsorge zu schaffen. Die steuerliche Privilegierung eines Produkts allein reicht hingegen zur Anerkennung nicht aus, zumal sie kein allgemeines Produktmerkmal darstellt, sondern an die individuelle Situation und den individuellen Vertrag des Steuerpflichtigen anknüpft (vgl. BaFin, Versicherungsanlageprodukte – Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt, August 2017). |
C. Sofort beginnende Rentenversicherungen und abgekürzte Leibrenten Demgegenüber qualifizieren sich sofort beginnende Rentenversicherungen mit oder ohne Entnahmemöglichkeit und sofort beginnende abgekürzte Leibrenten nicht als IBIPs, da sie keinen Anlagecharakter im Sinne einer vermögensmehrenden Investition aufweisen. Statt einen Vermögenszuwachs zu erzielen, wird das eingezahlte Kapital bei diesen Versicherungsformen durch die Rentenzahlungen aufgezehrt (vgl. BaFin, Versicherungsanlageprodukte – Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt, August 2017). |
Mit besten Grüßen
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