Crowdfunding für Obdachlose - eine gute Idee?

  • Hallo liebe Mitglieder,


    heute morgen stieß ich im stern auf das Thema Crowdfunding für Obdachlose.


    Crowdfunding kennt man ja mittlerweile für Vieles - Start-ups, Hilfsvereine, Produktinnovationen, Mikrokredite, usw. Eine neue Initiative möchte das nun für Obdachlose etablieren.


    Eine gute Idee? Oftmals wird bemängelt, dass gerade Spendengelder nicht da ankommen, wo sie hingehen sollen. Bei der lokalen Bahnhofsmission weiß man schon eher, wo die Spende verwendet wird. Aber wird das auch gut umgesetzt? Und wird sich so etwas langfristig tragen? Was meinen Sie?

  • Im Grunde finde ich es gut, wenn an die Obdachlosen gedacht wird. Doch noch besser würde ich es finden, wenn auch diesen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht wird. Könnte man diesen nicht z.B. ein kleines Stück Land geben, wo sie z.B. in kleinen Schritten zu selbstversorger durch den Anbau von Gemüse und Kartoffeln werden? Vielleicht kling meine Idee gerade etwas blauäugig.


    Doch mir tut es immer wieder weh, wenn ich diese Menschen irgendwo unter den Brücken liegen sehe. Und alles was man machen kann, ist denen ein paar Cent zu geben. Ich habe mich mit diesen öfter unterhalten. Das sind gute Menschen. Einer hat mir berichtet, das er seine Familie beim Autounfall verloren hat. Danach hat er den Boden unter den Füßen veroren und ist in die Obdachlosigkeit abgerutscht.

  • Hallo @Richard


    ich habe mich mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Nach dem Abi war ich in einer Emmaus Obdachloseneinrichtung in Frankreich. Meine Mutter war Ärztin in einer Obdachlosenambulanz einer deutschen Großsstadt.


    Wie bei fast allem auf dieser Welt ist auch dieses Problem komplex und nicht leicht zu lösen. Ich versuche es mal aufzudröseln.


    1) Es gibt den unteresten Rand der Obdachlosen. Das sind Menschen, die meist schreckliche Dinge in ihrem Leben erlebt haben wie dein Beispiel mit dem Autounfall und sich von einem normalen Leben vollständig abgewandt haben. Auch ein Angebot einer kleinen Wohnung bringt ihnen nichts, sie halten es schlicht nicht aus in diesen Strukturen. Sie halten es auch nicht in Wohnheimen aus, eigentlich sind sie Einsiedler in der Großsstadt, die zu niemand Kontakt wollen. Meine Mutter hatte Kontakt zu diesen, sie nehmen kleine Angebot an, aber ein normales Leben werden sie wohl nie wieder führen. Es ist sehr sehr schwer, hier Angebote zu machen, die ankommen.


    2) Es gibt die fitten Obdachlosen. Manche von diesen fallen wegen bürokratischer Hürden durchs Raster, schaffen es nicht durch den Antragsdschungel deutscher Ämter, werden zu Alkoholikern und Drogenabhängigen und rutschen ab. Aber eigentlich könnte man sie "retten", wenn man ihnen passende Angebote macht. Die Initiative dazu muss aber von ihnen kommen. Ich erinnere mich an einen jungen Mann in der Obdachloseneinrichtung in Frankreich, dem der Führerschein gezahlt werden sollte. Er hätte darauf aufbauend LKW Führerschein machen können, eine echte Chance wenn man nicht gut ausgebildet ist. Aber ihm waren die Theoriestunden zu anstrengend, er hat die 2000 Euro Förderung in den Wind geschrieben und ist wieder seinem Tagwerk in der Einrichtung nachgegangen. Ein Jammer, das natürlich die Hauptamtlichen und die Geldgeber für solche Aktionen demotiviert weitere Angebote zu machen. Bottom line: Ohne Eigeninitiative bringt keine Förderung irgendwas.


    3) Es gibt eine ganz kleine Gruppe, die es wieder aus der Obdachlosigkeit schafft. Häufig führt eine neue Beziehung zu dem entsprechenden Schwung und Motivation, das Leben anzupacken.


    Ich hatte vor der Zeit in Frankreich geplant, einen Bürojob in der Wirtschaft anzugehen. Das habe ich nach dem Ausflug auch umgesetzt. Diese Obdachlosenwelt ist voller Rückschläge und Enttäuschungen, eigentlich basiert alles auf der Eigeninitiative der Betroffenen. Ein Stück Land zur Verfügung stellen, damit die Leute sich selbst versorgen? Du musst 1000 Landstücke anbieten, um einmal Erfolg zu haben (meine Einschätzung). Der Rest wird bald brach liegen.

  • Hi chris2702,


    vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Du hast mir noch einmal hilfreiche Gedanken herein gegeben. Von der Seite wie du das beschreibst, habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass man die Gruppen der Obdachlosen so einteilen kann. Ich muss dein Schreiben einmal ganz in Ruhe sacken lassen und mich überraschen lassen, zu was deine Impressionen heran reifen.


    Auf jeden Fall 1000 Dank für deine Zeit und Mühe!

  • Hallo, ich habe mich auch immer wieder mit dem Thema beschäftigt, da bei uns im Bekanntenkreis kontrovers darüber diskutiert wird.
    Nach meiner Erfahrung ist Crowdfunding eher für einmalige Aktionen erfolgreich. Es motiviert wenn man am Ende ein greifbares erreichtes Ziel hat, was man sehen und auch entsprechend "vermakrten" kann. Gerade bei der Obdachlosenhilfe ist es jedoch ein langfristiger Prozess, der wie @chris2702 geschrieben hat, ja auch sehr abhängig von der individuellen Beteiligung ist. Zudem kenne ich viele Vorbehalte, weil es eben so unterschiedliche Fälle gibt. In meinem Bekanntenkreis geben viele überhaupt kein Geld für Obdachlose, weil sie glaube es sei ein selbst gewähltes Schicksal bzw. keinen Alkohol- oder Drogenkonsum unterstützen wollen und liebe für Tiere oder die Umwelt oder Kinder spenden. Ich kann das schon irgendwie nachvollziehen, aber mit tut grundsätzlich jeder Mensch in Not Leid, ich differenziere da nicht so.
    Auf jeden Fall großen Respekt an alle, die Menschen helfen wollen und auch etwas tun!

  • Hallo driverinb, danke für deine Ergänzung. Ich finde deine Einstellung gut. Jeder Mensch in Not sollte Beachtung finden. Ich finde es immer sehr traurig, wenn einige Menschen einfach an Obdachlosen vorrüer gehen, ohne ein wenig Geld zu spenden. Ein paar Cent sind immer in der Geldbörse. Ich finde es schade, dass einige Menschen denken, dass man es sich aussucht, im Winter in einem Bahnhofstunnel zu schlafen. Ich würde mich freuen, wenn einige Menschen Ihre Ansichten noch einmal überdenken würden.