Gewinn- oder Verlustwerte verkaufen? (Gewinnmitnahme vs. Verlustrealisierung)

  • Würdet Ihr diese Diskussion auch so führen, wenn es Fonds wären (also Fondsentwicklung negativ und andere Fond mit einer positiven Entwicklung)?

    Im Grundsatz ja.


    Bei ETF auf Indizes gibt es i.d.R. einen Grund für die relative Entwicklung zwischen den Märkten. Da würde ich relativ lange warten. Beim DAX und ESTX gibt es ja z.B. schon länger nichts zu holen.


    Bei gemanagten Fonds ist die Sache relativ klar: Was für einen Grund sollte ich haben, einem schlechten Fonds in der Peergroup die Treue zu halten?


    Allerdings muss man das schon sehr im Detail anschauen. War in 2018 ein "Aktienfonds global" stark in USD investiert hat er dadurch deutlich besser performt als einer der überdurchschnittlich in EUR investiert war. Daher schaue ich mir hier längere Zeiträume an, speziell auch solche mit deutlichem Drawdown. Hat bis Anfang 2018 sehr gut geklappt, in 2018 nicht.


    Am fernen Ende kommt man wieder auf die Frage zurück, ob man sich eine Meinung zu Märkten zutraut und diese Meinung auch umsetzt. Die Mehrheitsmeinung bei Finanztip ist dazu nach meinem Eindruck: nein. Dazu diskutiere ich aber auch nicht mehr, da ich die Verantwortung für mein Handeln trage.

  • Meine Antwort wäre im Grundsatz eher ein nein, und zwar aus folgenden Gründen:

    • Einzelaktien (v.a. wenn lediglich von 2 Aktien die Rede ist) ist ein Stock-Picking mit hohem Risiko
    • Fond ist für mich aktuell gleichbedeutend mit ETF und ETF bedeutet im Kern buy & hold und es gibt kein Verkauf (außer absoluter Notfall bzw. Rebalancing). Die abgewandelte Fragestellung wäre daher, welcher ETF (ETF G oder ETF V) nun als nächster nachzukaufen ist.
    • Vor der eigentlichen Antwort kurz meine Anforderungen an ETFs

      • breit diversifiziert (DAX fällt raus, MDAX ist grenzwertig -- obwohl ich diesen in meinem Depot habe)
      • keine Sektoren - ETFs
      • mindestens Regionen - Indizes (also SP500, STOXX600, EM, JAPAN, u.s.w.)

    Wir alle wie wir hier lesen, schreiben, diskutieren gehen ja von der Grundannahme aus, dass die Börse sich laaaaangfristig nach oben entwickelt (weil sie das halt die letzten Jahrzehnte) so gemacht hat. Unter dieser Prämisse und der eingangs gestellten Fragestellung ergibt sich m.E.

    • Alle ETFs die obige Kriterien erfüllen werden ihre Verluste früher oder später aufholen (o.k. JAPAN scheint da ein wenig aus der Rolle zu fallen).
    • Da ETF V nun mehr abgefallen ist, hat er mehr zukünftiges Potential und wäre daher nachzukaufen oder umgekehrt bei Notverkauf wäre ETF G zu verkaufen da ETF V "eher aufholt".


    Das Beispiel hat angewendet auf ETFs wie ich sie verstehe (große Indizes i.d.R. auf Regionsebene, kein Immobilien-, keine Sektoren-, keine Rohstoffe-ETFs) allerdings einen größeren Haken, und zwar: Die Fragestellung ist kaum realistisch, da diese Indizes und damit ETFs eigentlich zu stark korreliert sind und sich diese Renditeschere gar nicht auftun wird.


    So long ...

  • @ Ben24:
    1. Meinen Sie wirklich, dass Sie Ihre ETFs NIE verkaufen wollen, nicht einmal im Alter, als Rentenaufstockung?
    Dann wäre diese Anlage ja nur eine Notfallreserve bzw. nur für Ihre Erben bestimmt..?


    2. Zur These "langfristig aufholen, deshalb mehr Potenzial bei bislang schlechterem ETF":


    Das würde nur stimmen, wenn man annimmt, dass auch tatsächlich alle ETFs in langfristig gleichem Umfang Gewinn machen. Diese These ist aber nicht haltbar.


    Man darf "nur" davon ausgehen, dass man langfristig Gewinn macht, aber der wird nicht bei allen ETFs gleich groß sein.

  • Ich kapiere nicht wo hier von Glücksspiel und Daddelei die Rede ist.


    Was hat buy & hold bei einem breit diversifizierten Depot mit Daddeln oder Glücksspiel zu tun?


    Sich als Privatperson irgendwelche Marktprognosen selbst herzuleiten, kann auf Grund empirischer Überlegungen im gewissen Rahmen fundiert sein, allerdings kann der Markt dann doch etwas anderes machen, allein schon durch die psychologische Komponente.


    Es gibt ja verschiedene Untersuchungen zu buy & hold im Vergleich zur ständigen Umschichterei. Das ist aber auch wieder vergangenheitsbezogen.
    Leider habe ich trotzdem meine Glaskugel gerade verlegt. Wenn Ihr eine habt, dann Glückwunsch!

  • Was hat buy & hold bei einem breit diversifizierten Depot mit Daddeln oder Glücksspiel zu tun?

    Mir geht es darum klarzumachen, dass das bei breit diversifizierten ETF propagierte buy-and-hold so nicht bei Einzelwerten funktioniert.


    Klassische Witwen- und Waisenpapiere in D waren z.B. die Energieversorger RWE und E.On, die seit 10 Jahren nur den Abwärtstrend kennen, analoges gilt für die von mir schon genannte Deutsche Bank. Auch in USA gibt es große Werte wie z.B. die Kaufhäuser, die durch "death by amazon" seit Jahren auf dem Rückzug sind.


    Deswegen plädiere ich dafür, bei Einzelwert-Investments diese zyklisch zu prüfen und im Zweifelsfall auch mal auszusteigen. Auf Basis der Eingangsfrage würde ich mir bei einem Wert, der im Minus ist, eben überlegen, ob er noch attraktiv ist. Wenn er gegenüber der Peergroup deutlich schlecht verloren hat liegt das noch näher.


    Bei der Menge an Aktiengesellschaften muss es doch einen Grund zum Kauf gegeben haben (Bewertung, erwartetes Gewinnwachstum, nachhaltige Dividende, ...) ,, warum dann nicht nach dem Grund zum Halten fragen, wenn sich das nicht erfüllt?

  • Dass man nicht verkrampft Verluste auszusitzen versuchen sollte, ist nachvollziehbar.


    Nur ist die zyklische Prüfung ein unbestimmter Rechtsbegriff und wird zwischen Flensburg und Konstanz wahrscheinlich mehrfach unterschiedlich ausgelegt.


    Daher wird der Eine es zyklische Prüfung und anschließenden Verkauf nennen, für den Anderen sind da schon die zittrigen Hände am Werk.


    Menschen sind halt verschieden.

  • Ja nun dass man nicht völlig blind auf Ewig hält ist ja auch eine andere Geschichte, da gebe ich Dir Recht.
    Deutsche Bank, General Electric, H&M oder EON sind gute Beispiele weil sie auch aus dem allgemeinen Indextrend negativ ausbrechen.


    Was ich eingangs eher meinte mit "Nachkaufen" aber zugegebenermassen nicht sauber formuliert habe ist, dass wenn wir einen allgemeinen Rücksetzer haben, sagen wir um 15% im DOW. Warum soll ich dann nicht einen Titel, der im gleichen Maße oder sogar geringer (sagen wir 10%) runter gegangen ist nachkaufen, wenn der Konzern ansich gut dasteht und/oder eine vernünftige Dividende zahlt?
    Weil den perfekten Aus- und Wiedereinstiegszeitpunkt erwische zumindest ich sowieso nicht...
    Ist das aus Eurer Sicht so glücksspielmässig??


    Für mich ist es eher stressfrei.

  • Ich denke, wir müssen hier differenzieren zwischen zwei verschiedenen Fragen, die zwar teilweise miteinander zu tun haben, aber eben nicht identisch sind:

    1. Wenn ich Wertpapiere verkaufe, ist es dann grundsätzlich / per se relevant, ob ich mit den zu verkaufenden Werten bislang Gewinn oder Verlust gemacht habe?


    (Nach meiner Überzeugung:
    irrelevant,
    es sei denn aus Steuergründen sind Verkäufe mit Verlust günstiger.)




    2. Kann ich (insb. als kleiner Privatanleger) die kurz-, mittel- und/oder langfristige, zukünftige Entwicklung des Wertpapiers so gut abschätzen, dass ich damit Gewinn mache?


    - "...so gut, dass man Gewinn macht" heißt vermutlich "besser als der Markt" (?)


    - Der Zusammenhang zwischen den beiden Fragen besteht darin:


    a) Nur wenn pauschal (mindestens mit erhöhter Wahrscheinlichkeit) die Wertentwicklung in der Vergangenheit die Wertentwicklung in der Zukunft indiziert, muss man Frage 1 verneinen (dann gilt die These: "Verlustwerte raus!").
    In diesem Fall wäre Frage 2 zwangsläufig zu bejahen.


    b) Wenn die Annahme aus a) nicht stimmt, ist die Antwort auf Frage 2 stets ohne Auswirkungen für Frage 1:


    (1) Wenn ich in der Lage bin, gewinnbringende Prognosen anzustellen:
    mache ich meine Verkaufswahl NICHT von Gewinn/Verlust in der Vergangenheit abhängig, sondern nur von der Zukunftsprognose!


    (2) Wenn ich schon gar keine gewinnbringenden Prognosen leisten kann:
    dann ist die Verkaufsentscheidung ohnehin egal.*




    *In diesem letztgenannten Fall, könnte man von Glücksspiel reden.
    Allerdings gilt dies richtigerweise nur für kurze und mittlere Zeiträume, wenn man annimmt, dass Aktien (breit aufgestellt, etc.) langfristig immer steigen werden.

  • @Geldvergelter


    In aller Kürze:
    ad 1) Ja, ist irrelevant
    ad 2) ein klares NEIN


    Etwas Ausführlicher:
    * Theorie und Wissenschaft bestätigen deine grundlegenden Antworten.
    * In der Praxis und in der Realität kommen bei dieser Fragestellung -- also unter der ursprünglichen Annahme, dass es sich um Einzelaktionen und nicht um breite ETFs handelt -- noch folgende Überlegungen mit rein
    -- "follow the trend" -- hat eine Aktien vielleicht aktuell ein Momentum
    -- welche Aktie passt besser zu meiner Anlagestrategie und sollte "verbleiben"
    -- wie sieht die Korrelation und Diversifikation zu meinen anderen Aktien im Depot aus
    -- welcher Branche gehören V und G an, welchen Konjunkturzyklus haben wir
    ==> Auch wenn du diese Fragen beantwortest bleibt der Erfolg nach Theorie/Wissenschaft eine 50:50 Change, aber dann hat man sich mit dem eigenen (verspielten) Geld auch eine Weile damit beschäftigt (i.S. was kostet mich die Stunde Freizeitspaß im Kino vs. an der Börse).

  • @Geldvergelter, sorry, hatte ich übersehen
    ad 1) klare Antwort JEIN bzw. weiß ich jetzt noch nicht
    ad 2) Antwort: DOCH, denn nach ein paar Jahren vereinbaren die Indizes, dass sie sich mal wieder treffen um eine gemeinsame Zeit (wenn auch nur ein paar Tage) miteinander zu verbringen.


    Spaß beiseite: Aktuell fasziniert mich der folgende Kursverlauf von ETFs der Kategorie WORLD, VALUE, MIN VOLADILITY, SMALL-CAP und SP500 sehr und ich versuche mir darauf einen Reim zu machen. Nach drei Jahren unterschiedlichster Verläufe liegen alle 5 Indizes Ende Dezember eng zusammen (lediglich 2%-Punkte maximale Differenz) ==> siehe die angehängten Grafiken für 1 und für 3 Jahre.


    Die Gretchenfrage als buy-und-hold Käufer (Annahme: monatlicher gleichbleibender Einsatz) ist daher nicht nur, welcher INDEX bzw. ETF hat heute / zukünftig welchen Stand sondern auch wie habe ich mich (monatlich) einkaufen können? Bei gleicher Rendite auf 3 Jahre sieht das Ergebnis orange / rot / blau / grau im Depot massiv anders aus.


    Was hättet ihr im Nachhinein gekauft bzw. welche Schlüsse für die Zukunft: orange? blau? grau?


    lG, Ben42

  • @ Ben42 (vorletzter Beitrag):


    Schön, dass wir uns komplett einig sind. :)


    @ Ben42 (letzter Beitrag):
    zu 1) :
    Wenn Sie das die ETF-Ersparnisse NIEMALS antasten wollen (auch nicht im Alter), wofür ersparen Sie es dann?
    Nur für Ihre Erben?


    zu 2):
    Zu dem ersten Satz:
    Ein (eigentlich nicht ungebildeter) Freund von mir meinte mal, im Casino beim Roulette wüsste man ja, dass Rot und Schwarz gleich häufig kommen - deshalb habe man, wenn bspw. ganz oft hintereinander Rot gekommen sei, bessere Chancen, wenn man auf Schwarz setzt; schließlich müsse sich das ja wieder ausgleichen... :S


    (Das ist die gleiche Denke... ;) )



    Bzgl verschiedene ETF-Kategorien habe ich keine Meinung. Mir reicht zu wissen, dass ich mit "World" langfristig gut aufgestellt bin; dazu noch ein bisschen Entwicklungsländer, sowie Japan und Dax on top, und gut is. 8)