BAV Kündigung Direktversicherung Altvertrag 1997

  • Hallo liebe Community.


    Ich besitze einen Kapital-Lebensversicherung aus dem Jahre 1997 in Form einer Direktversicherung. Die Beiträge werden von mir selbst durch Abführung aus dem 13. Monatsgehalt gezahlt. Der aktuelle Arbeitgeber führt hierfür eine 20-prozentige pauschale Lohnsteuer ab.


    Ich spiele mit dem Gedanken die Versicherung a) zu verkaufen oder b) vorzeitig aufzulösen ( ja, mir ist die hohe Garantieverzinsung durchaus bewusst).


    Meine Fragen:
    - fallen hier Sozialversicherungsbeiträge und die Kapitalertragsteuer an?
    - im Falle einer Veräußerung: gibt es empfehlenswerte / seriöse Anbieter am Markt?


    Vielen Dank für die Antworten

  • Hallo f.un,



    willkommen hier in der Community. Ich gehe davon aus, dass der Arbeitgeber der VN ist und Sie die versicherte Person (wäre zu prüfen).



    Dann gilt folgendes:



    1.) Steuern


    Nach § 22 Nr. 5 EStG gelten Leistungen aus Direktversicherungsverträgen als sonstige Einkünfte. Fraglich ist allerdings, ob das auch für die Zahlung des Rückkaufswertes im Rahmen einer Abfindung zutrifft. Hierzu unterscheidet das BMF im Schreiben vom 24.07.2013, ob die betriebliche Altersversorgung lediglich mit Wirkung für die Zukunft beendet wird oder ob es sich um eine Rückabwicklung mit Wirkung für die Vergangenheit handelt. Im ersten Fall ist der Rückkaufswert als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG zu versteuern. Bei kompletter Rückabwicklung muss man von einer Arbeitslohnrückzahlung ausgehen, die nach § 19 Abs. 1 EStG im Zeitpunkt des Zuflusses nach den allgemeinen lohnsteuerlichen Grundsätzen zu versteuern ist.



    2.) Ggf. Zustimmung des Arbeitgebers


    Arbeitsrechtlich betrachtet handelt es sich bei dem Rückkauf einer Direktversicherung um eine Abfindung der damit verbundenen Versorgungszusage im laufenden Arbeitsverhältnis. Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters ist die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften und laufender Leistungen gemäß § 3 BetrAVG, außer bei geringfügigen Anwartschaften, grundsätzlich verboten. Eine Abfindung entgegen den Vorschriften des BetrAVG ist nichtig. Der Arbeitnehmer kann dann im Leistungsfall die Leistung theoretisch ein weiteres Mal vom Arbeitgeber verlangen. Anwartschaften aktiver Mitarbeiter im laufenden Arbeitsverhältnis können dagegen abgefunden werden, und zwar unabhängig von der Höhe. Bei Abfindungen kurz vor Ausscheiden aufgrund einer Kündigung ist allerdings Vorsicht geboten. Hätten sich bei Ausscheiden nach § 3 BetrAVG nicht abfindbare unverfallbare Anwartschaften ergeben, könnte in der kurz vorher abgewickelten Abfindung im laufenden Arbeitsverhältnis eine Umgehung des Abfindungsverbotes gesehen werden. Im laufenden Arbeitsverhältnis kann eine bAV-Anwartschaft nur im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgefunden werden. Keine der beiden Parteien kann eine Abfindung einseitig erzwingen. Einzige Ausnahme: Mit Urteil vom 22.06.2011 (2 Sa 76/10) hat das LAG Bremen jedoch entschieden, dass ein Arbeitnehmer bei finanzieller Notlage die Auflösung seines Entgeltumwandlungsvertrages vom Arbeitgeber verlangen kann. Dieser ist nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die eigenen Interessen gegenüber denen des Arbeitnehmers abzuwägen. Wenn ein Arbeitgeber also einen Abfindungswunsch des Mitarbeiters ablehnt, muss er seine Entscheidung begründen.



    3.) Sozialversicherungsrechtliche Folgen


    Die vorzeitige Abfindung hat offensichtlich keinen Versorgungscharakter. Deshalb wird sie von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in deren Rundschreiben vom 25.09.2008 als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV eingestuft und nicht als Versorgungsbezug im Sinne von § 229 SGB V. Der Arbeitgeber muss also sofort bei Auszahlung für den Rückkaufswert Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil der Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung abführen. Soweit die Summe aus Gehalt und Abfindungsbetrag die Beitragsbemessungsgrenzen übersteigt, ist kein Beitrag zu zahlen. Wird der Rückkaufswert direkt vom Versicherer an den Arbeitnehmer gezahlt, muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass noch ausreichend sonstiges Einkommen verfügbar ist, um die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten zu können.


    Es ist zu empfehlen, dass Sie den Vertrag prüfen oder prüfen lassen und alle Optionen „auf den Tisch“ legen, bewerten oder bewerten lassen und dann eine Entscheidung treffen.



    Ich zähle die Optionen auf:


    1.) Optionen, die sich aus dem Versicherungsvertragsgesetz ergeben:


    (i) § 165 VVG – Prämienfreie Versicherung


    (ii) § 168 VVG – Kündigung (Rückkauf – siehe § 169 VVG)


    2.) Optionen, die sich auf dem Vertrag ergeben können


    (i) Laufzeitverkürzung


    (ii) Vorverlegung des Rentenbeginndatums


    (iii) Teilauszahlung



    Die von Ihnen angesprochene Option Policenverkauf besteht m.E. nur theoretisch. Wir haben es in den letzten drei Jahren noch nie geschafft eine bAV-Direktversicherung an einen der Policenaufkäufer zu veräußern.



    Die eher rechtlich angelegte Vertragsprüfung kann durch Verbraucherzentralen, Versicherungsberater(innen) oder Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen erfolgen. Achten Sie dabei bitte auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis.


    Dann sollten die verbleibenden Optionen systematisch bewertet werden. Sollte eine Option als „die beste“ und machbare analysiert werden, können Sie die Option umsetzen. Wenn Sie sich gleich auf eine Option verengen / fokussieren, wissen Sie nie, ob die anderen Optionen nicht besser waren. Das ist insbesondere von Relevanz, wenn es um eine größere Vermögensdisposition geht.



    Viel Glück!


    HAFTUNGSAUSSCHLUSS
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  • Vielen Dank für die rasche und ausführliche Antwort.


    Folgende Anmerkungen dazu:


    1) Ich denke dies wird nicht der Fall sein, da die Beiträge von mir persönlich aus meinem Brutzogehalt direkt bezahlt werden.
    Zudem sagte man mir bei Abschluss 1997, das nach mind. 12 Jahren Laufzeit die Versicherung steuerfrei ausgezahlt werden kann.
    2) Die Zustimmung liegt vor.
    3) hier bin ich noch unsicher, da mein Arbeitgeber seit Versicherungsbeginn jedes Jahr eine 20-prozentige Pauschalsteuer abführt. Ich sehe hier nicht die Notwendigkeit einer Sozialversicherungspflicht.


    Besten Gruß und nochmals vielen Dank.

  • Da Sie über die bAV Ihr Steuer- und SV-Brutto gesenkt haben, hatten Sie in den vergangenen Jahren einen Vorteil, den Ihnen der Gesetzgeber nicht uneigennützig eingeräumt hat.


    Wenn Sie denn Vertrag nun anders nutzen, dann wird dies Konsequenzen haben. Daher würde ich Ihnen zu einer gründlichen Abwägung raten. @Vers.BeraterGamper hat hierzu Möglichkeiten aufgezeigt.