ETF-Herdentrieb

  • Hallo liebe Community,


    da ich zu diesem Thema nichts finden konnte, erstelle ich ein neues Thema über den "Herdentrieb" bei ETFs:
    Es ist ja schon seit längerem (und in meinem Eindruck nach vor allem momentan) en vogue, in ETFs für die Altersvorsorge zu investieren. Angenommen, eine hinreichend große Masse an Anleger tut dies heute und wählt einen Anlagehorizont von 40 Jahren. Aufgrund Internetrecherche kaufen (fast) alle einen ETF auf den MSCI World und wollen ihre Anteile dann, im Jahr 2060, entweder direkt oder nach und nach verkaufen (simultan),
    Erwachsen daraus irgendwelche Nachteile, z.B. schlagartig zu hohes Angebot, Probleme beim Verkauf der Anteile, Preisverfall der Anteile etc.?
    Wie seht ihr das?


    Generell bin ich nämlich skeptisch, wenn alle in die gleiche Richtung laufen/das gleiche machen (Stichwort Herdentrieb).


    Vielen Dank und viele Grüße
    Alex

  • Hallo.


    Das Szenario ist zwar denkbar, aber bleibt wohl eher theoretisch.


    Es gibt kein ehernes Gesetz, das einen dazu zwingt, mit Rentenbeginn das Depot auf Null zu fahren. Nur eine Minderheit der Langfrist-Anleger wird dies tatsächlich so tun. Es wird wohl eher so sein, dass man nach und nach seinen Bestand abbaut bzw. schon vorher umgeschichtet hat.


    Zudem sollte man den Marktanteil der Privatanleger nicht so hoch vermuten, institutionelle Anleger gibt es ja auch noch.


    Daher sehe ich das entspannt.

  • Erwachsen daraus irgendwelche Nachteile, z.B. schlagartig zu hohes Angebot, Probleme beim Verkauf der Anteile, Preisverfall der Anteile etc.?

    Zu den schon gegebenen richtigen Antworten möchte ich noch anmerken, dass der TE mMn von einem grundsätzlichen Denkfehler startet: In einem Fonds und damit in einem ETF sind andere Vermögenswerte abgebildet, er stellt damit keine eigenständige Anlageklasse an. Da wir hier i.d.R- von Aktien-ETF sprechen entspricht die Frage des TE der Frage, ob es im Jahre 2060 noch eine Nachfrage nach Aktien gibt. Aktien sind Anteile am Eigenkapital von Unternehmen. Solange nicht eine grundsätzliche Änderung der Wirtschaftsstruktur erfolgt ist damit nicht zu rechnen. Also einfach nur in der Wahlkabine aufpassen keinen Populisten mit sozialistischen Phantasien auf den Leim zu gehen.

  • Macht 5% Anteil der Depots. Fazit. Der Privstanleger ist systemseitig irrelevant.

    Da würde ich mal sagen "jein". Die Ausgangsfrage ist tatsächlich sehr theoretisch, aber wenn 300 Mrd. Euro tatsächlich innerhalb weniger Tage auf den Markt kommen würden, könnte das systemseitig mMn schon kurzfristig zu Problemen führen. Systemseitig könnte das auch nur der Anbieter seín.


    Beispiel:
    ich habe die Kursstellung meiner ETF in den letzten Tagen sehr genau beobachtet. Es gab immer wieder Zeiten (also einige Stunden), wo der Spread zwischen Geld und Brief ziemlich auseinander lief. In der Spitze bis zu 8 Prozent! Das war ein kleiner ETF (50 Mio. Euro Volumne), der aber nur in große Werte investiert ist, also kann Liquidität nicht das Problem gewesen sein. Auch beim ishares Global Dividend 100 lag der Spread oft bei drei Prozent. Und hier lagen die Umsätze bei ein paar 100.000 Euro am Tag. Wenn hier also einer mal 10 Mio. auf den Markt wirft, könnte ich mir schon vorstellen, dass der Geldkurs in die Knie geht.

  • Zunächst muss man unterscheiden zwischen "Verwerfungen am Aktienmarkt" und "Verwerfungen durch ETF am Aktienmarkt". Ich glaube die Unterschiede sind hier klein, dh was für Aktienfonds gilt, gilt für ETF und umgekehrt.


    Der TE fragt ob Berufseinsteiger die in 40 Jahren ihr Depot leerräumen systemrelevant sind. Er nimmt an, sie investieren in MSCI World. Damit ist klar, dass der weltweite und nicht der deutsche Anleger allein Einfluss haben müsste.


    Der Weltmarktanteil der ETF an asset under management ist <10%. Da ist ein guter Teil institutionelle Anleger dabei. Ich sage weiterhin, der deutsche ETF Inhaber wird in 2060 irrelevant sein (abgesehen von Multi-Millionären die mal eben Kasse machen, aber das gleicht sich aus). Und kein vernünftiger Depotinhaber macht mit Renteneintritt Kasse. Bis dahin werden sich die Anbieter smarte Entnahmestrategien mit Teilabsicherung einfallen lassen. Noch ist das kein großer Markt. In 40 Jahren wird sich damit Geld verdienen lassen.


    Und ansonsten werden bei zukünftigen Krisen Aktienfonds und ETF in ähnlicher Weise leiden. "Echte" Nachteile rein bei ETF sind mir nicht bekannt, so dass ich vor einem Investment nicht zurückschrecke.

  • Wobei "Herdentrieb" ja auch nicht zutreffend wäre, wenn die Anleger alle individuell zu der Entscheidung kämen "Jetzt ist Ruhestand, jetzt brauche ich Cash!" und auf einen Schlag verkaufen.


    "Herdentrieb" wäre es ja eher, wenn alle aufgrund von Maya-Kalender oder Marktdaten simultan verkaufen.


    Und wenn alle schon 40 Jahre dabei sind, werden sie wohl nicht gleichzeitig die Nerven verlieren. :whistling:

  • Ist zwar schon ein paar Tage her, aber in 40 Jahren müssen sich die Leute auch noch um ihre Altersvorsorge kümmern. Das heißt, wenn die Entwicklung anhält, werden da auch einige junge Arbeitnehmer die dann Käufer sind und auch einen Anlagehorizont von 40 Jahren haben.