Risiken ETFs

  • Inwiefern gibt es mit der Investition in ETFs (z.B. auf den MSCI World) in Krisensituationen spezifische Risiken, die man als Anleger ohne Spezialkenntnisse in Finanzrecht nicht überschauen kann?

    • Beispiel: Hat ein Emittent etwa die Möglichkeit, einen ETF einfach zu schließen – und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem es für den Anleger besonders ungünstig wäre. In einem solchen Szenario könnte der Anleger gezwungen sein, das Papier zu einem besonders niedrigen Kurs zu verkaufen.
    • Gibt es solche oder ähnliche Risiken?
  • Hallo @rfr, willkommen in der Community.


    Klar gibt es diese Risiken. Deswegen bist Du ja auch verpflichtet, das KIID und den Wertpapierprospekt zu lesen und zu verstehen bevor Du investierst.


    Habe ich mal beim ETF110 kurz gemacht.


    Quellen
    http://documents.fww.info/fwwdok_enm8zg9Uoc.pdf
    http://documents.fww.info/fwwdok_YX9WW8eu6F.pdf


    Da gibt es dann so nette Aussagen wie


    Der Teilfonds kann an jedem Bankgeschäftstag zum Nettoinventarwert (NAV) zurückgegeben oder zum aktuellen Marktpreis börslich oder außerbörslich gehandelt werden. Die Verwaltungsgesellschaft kann die Rücknahme aussetzen, wenn außergewöhnliche Umstände dies unter Berücksichtigung der Anlegerinteressen erforderlich erscheinen lassen.


    Heißt Du kommst an Dein Geld über kurze oder lange Frist nicht mehr ran.


    Um das Engagement beizubehalten, müssen die Positionen in Futures-Kontrakten „gerollt“ werden: Das Rollen von Futures-Kontrakten besteht in der Übertragung von bald fällig werdenden (und, in jedem Fall vor der Fälligkeit der Futures-Kontrakte) Futures-Kontrakten in Futures-Kontrakte mit einer längeren Laufzeit. Die Aktionäre unterliegen einem Verlustrisiko aufgrund des Rollvorgangs bei den Futures-Kontrakten


    Heißt Du verlierst ggf. einen signifikanten Anteil des Wertes Deines Investments.


    Kann die Gesellschaft (gleich aus welchem Grund) ihre Verpflichtungen oder Verbindlichkeiten nicht erfüllen bzw. ist sie nicht in der Lage, ihre Schulden zu bezahlen, können Gläubiger einen Antrag auf Abwicklung der Gesellschaft stellen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens kann Gläubiger (einschließlich Swap-Kontrahenten) berechtigen, Verträge mit der Gesellschaft zu kündigen (einschließlich der Vermögenswerte des Teilfonds) und eine Entschädigung für durch diese vorzeitige Beendigung entstehenden Verluste zu verlangen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens kann (i) zu einer Auflösung der Gesellschaft und der Veräußerung ihrer Vermögenswerte (einschließlich der Vermögenswerte aller Teilfonds), (ii) zur Zahlung der Gebühren und Aufwendungen des ernannten Liquidators oder sonstigen Insolvenzverwalters, (iii) zur Befriedigung gesetzlich vorrangiger 64Ansprüche und (iv) zur Zahlung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft (in dieser Rangfolge) führen, bevor Überschüsse an die Aktionäreder Gesellschaft ausgeschüttet werden


    Auch eine Insolvenz Deiner Anlage ist möglich wenn es z.B. behördliche Auflagen gibt.


    Die Verpflichtung des Market Makers, Liquidität bereitzuhalten, ist auf bestimmte Mengen (Mindestquotierungsvolumen) zu maximalen Preisspannen begrenzt. Die minimale Einstelldauer von Nachfrage-und Angebotspreisen erstreckt sich in der Regel nicht über die gesamte effektive Handelszeit der jeweiligen Börse. Dies kann für kurze Zeit zu einer Unterbrechung der Kurseinstellung führen. Dadurch kann es zu Orderausführungen kommen, die nicht den festgelegten Qualitätskriterien der jeweiligen Börse entsprechen.


    Beim nicht limitiertem Verkaufsauftrag kannst Du sehr viel verlieren,


    Die Gesellschaft wurde für eine unbestimmte Zeit gegründet. Die Gesellschaft kann jedoch jederzeit durch Beschlusseiner außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäreunter Beachtung der in der Satzung enthaltenen Vorschriften aufgelöst und liquidiert werden.Bei Auflösung wird der oder werden die von den Aktionärender Gesellschaft nach Luxemburger Recht ernannte(n) Liquidator(en) das Vermögen der Gesellschaft im besten Interesse der Aktionärenrealisieren. Die Verwahrstellewird auf Anweisung des Liquidators oder der Liquidatoren den Reinerlös der Liquidation unter den Aktionärenjeder Aktienklasse im Verhältnis zu ihren jeweiligen Rechten verteilen. [...] Der Verwaltungsrat kann die Zwangsrücknahme aller Aktiender in einem Teilfonds ausgegebenen Aktienklassen beschließen, falls aus irgendeinem Grund der Wert des Nettovermögens in einem Teilfonds unter 20 Millionen Euro bzw. der Wert des Nettovermögens in einer Aktienklasse unter 10 Millionen Euro sinkt.


    Das war so etwas auf das Du in der Frage abgehoben hast.


    Daher noch mal die dringende Empfehlung Deine Fondsdokumente zu lesen und zu verstehen bevor Du investierst.

  • Vielen Dank! Das ist sehr hilfreich.
    Ganz ehrlich: Selbst wenn ich die entsprechenden Dokumente gelesen hätte, wäre es mir sehr schwer gefallen, sie zu interpretieren. Für mich stellt sich die Frage: Ist das Risiko, in eine solch unschöne Lage zu kommen, bei ETFs größer als bei anderen Anlageformen? Ich weiß, eine sehr pauschale Frage...

  • Anlagen sind immer mit Risiken verbunden. Deswegen schreibe ich hier manchmal ein wenig spitz, da mir vielfach eine gewisse Sorglosigkeit begegnet. Daher an der Stelle ein Kompliment, dass Du Dich mit dem Thema auseinandersetzt.


    Zur pauschalen Frage: ich kenne keine Anlageklasse ohne Risiko.


    Bei Anlagen auf Konten besteht das Risiko in der Solvenz der Bank und bei massenhaften Probleme in der Tragfähigkeit der Einlagensicherung.


    Anleihen stehen und fallen mit der Solvenz des Staates bzw. des Unternehmens.


    Rohstoffe man als Anleger i.d.R. nur als Future / Derivat erwerben mit entsprechendem Ausfallrisiko. Physische Metalle haben zumindest ein Kursrisiko und ggf, politische Risiken.


    Immobilien haben politische Risiken, s..den Mietendeckel und Ideen Wertzuwächse abzuschöpfen. Für den Kleinanleger zusätzlich das Klumpenrisiko, Sofern finanziert wird gehört das Objekt der Bank.


    Aktien können auch wertlos werden, ich tendiere allerdings wie viele hier zur Ansicht, dass Unternehmen mit solider Finanzierung und guten Geschäftsmodellen Krisen überleben werden. Man kann aber auch daneben greife. Daher ist Streuung wichtig, wodurch an Fonds/ETF für den Kleinanleger kein Weg vorbeiführt. Man sollte sich eben nur der Risiken bewusst sein. Mehrere Depotbanken und mehrere KVG schaden mMn nicht,


    Ferner dann auch über die Anlageklassen streuen, Finanztip empfiehlt zumindest Cashreserve, Tages-/Festfeld, ETF Auch von einer kleinen Goldreserve rät Finanztip nicht ab.


    Ich hatte schon mal erwähnt, dass wir zwei Girokonten in unterschiedlichen Sicherungssystemen haben mit Tagesgeld, das auch in unterschiedlichen, auch ausländischen, Sicherungssystemen liegt.


    Eine letzte Anmerkung: Vielleicht gibt die aktuelle Lage auch noch einen Hinweis was über diesen finanziellen Risiken hinaus wichtig ist.

  • Die "Wesentlichen Anlegerinformationen" musst Du immer zumindest anhaken sie gelesen zu haben. Leider braucht man zum tiefen Verständnis selbst bei dieser vereinfachten und zusammengefassten Information mehr Hintergrundwissen als auf dieser Website steht und zusätzlich die nötige Muße, jedem einzelnen Punkt nachzugehen. Entweder fehlt es an dem einen oder an dem anderen.


    Es gibt zwei Fehler, die man bei einer Anlageentscheidung machen kann: Fehler A ist zu kaufen, obwohl es das falsche Produkt ist. Fehler B ist nicht zu kaufen obwohl es das richtige Produkt gewesen wäre. Fehler A passiert, wenn Dir dein Kumpel erzählt, dass er in vor einem Monat in "Gehtabwie'neRakete" investiert und inzwischen sein Kapital verdoppelt hat und Du es dann auch gleich machst. Fehler B passiert, wenn Du eine Liste aller Bedenken von allen Bedenkenden zusammenträgst, erschrickst, den Prospekt anschaust, nochmal erschrickst und dann - nichts tust. Die Geschichte tendiert hier gerade mehr Richtung B.


    Deine Frage war ja eigentlich, was mit Deiner Anlage passiert, wenn ein ETF plötzlich schließt. Warum sollte ein ETF schließen? Der ETF-"Betreiber" verdient Geld damit, das Fondsvermögen zu verwalten. Da ist es erstmal egal, ob die Kurse steigen oder fallen (steigen ist natürlich besser, denn der Verdienst steigt mit dem verwalteten Vermögen). Ein Problem gibt es, wenn der ETF zu klein wird, weil viele Anleger die Anteile zurückgegeben haben und/oder die Kurse stark gesunken sind. Dann sind die Verwaltungskosten höher als die Verwaltungs-Einnahmen aus dem ETF. Jetzt könnte man die Preise erhöhen, aber der Wettbewerb ist hart.


    Es wird aber selten bis nie liquidiert, sondern nahezu immer mit einem anderen ETF der gleichen Fondsgesellschaft verschmolzen. Da geht beispielsweise der thesaurierende im ausschütteten Fonds auf oder die CHF-Tranche im USD. Wenn man den Fonds gerade wegen der Eigenschaft gewählt hatte, die jetzt "wegverschmolzen" wird, ist das ärgerlich, aber meist kein Drama. Das wird Monate vorher angekündigt und im schlimmsten Fall muss man auf einen passenderen wechseln. Manchmal wird auch ein ETF Anbieter komplett von einem anderen übernommen, dann werden im zweiten Schritt meist auch die korrespondierenden Fonds zusammengelegt um entsprechende Kostenvorteile zu generieren. Wenn man vermeiden möchte, von solchen Mergern betroffen zu werden, könnte man auf die Idee kommen, möglichst große Fonds von möglichst großen Fondsgesellschaften zu kaufen und kleine junge mit exotischen Themen zu meiden.


    Ich will nicht behaupten, den totalen ETF-Überblick zu haben, aber ich kannte bisher keine Liquidation. (Eine kurze Webrecherche hat allerdings drei in Kroatien gefunden.) Die Abwicklung müsste so aussehen, dass Du innerhalb einer Frist die Anteile bei der Fondsgesellschaft zurückgibst und dafür den Anteilwert ausgezahlt bekommst. Wenn Du das bis Tag X nicht gemacht hast, wird das automatisch für Dich erledigt. Also so ähnlich wie bei einem Immobilienfonds mit dem Unterschied, dass die Fondsmanager nicht Käufer für Einkaufszentren suchen müssen, sondern 1600 verschiedene Aktien verkaufen oder die Derivate bei einem synthetischen Fonds.


    Eine Erwiderung nur zum ersten Punkt mit dem Zitat von Kater.Ka aus dem Prospekt:


    "Der Teilfonds kann an jedem Bankgeschäftstag zum Nettoinventarwert (NAV) zurückgegeben oder zum aktuellen Marktpreis börslich oder außerbörslich gehandelt werden." -> Das ist die Besonderheit bei diesem börsengehandelten Fonds: Man kann ihn bei der Fondsgesellschaft zurückgeben oder an der Börse verkaufen oder außerbörslich handeln.


    "Die Verwaltungsgesellschaft kann die Rücknahme aussetzen, wenn außergewöhnliche Umstände dies unter Berücksichtigung der Anlegerinteressen erforderlich erscheinen lassen." -> Wenn die Verwaltungsgesellschaft die Rücknahme aussetzt (und das könnte der Fall sein, wenn auf einen Schlag viele verkaufen wollen und/oder die Aktienkurse sehr schnell stark fallen) könntest Du trotzdem noch an der Börse verkaufen. Wenn die Börse auch gerade geschlossen wurde, könntest Du sie außerbörslich z.B. an einen Nachbarn verkaufen. Wenn der Nachbar noch eine Nacht darüber schlafen möchte...


    ...hältst Du nochmal inne und überlegst, ob es sinnvoll ist, genau dann wenn alle Welt wie wild verkauft auch verkaufen zu wollen.


    Viele Grüße
    Guido