Wohnung verkaufen für Eigenheimfinanzierung

  • Hallo Finanztip Community,


    Ich habe mit meiner Frau einen Baugrund gekauft und wir sinddzt an der Hausplanung. Die Kosten für den gesamten Bau werden sich etwa auf 600.000€ belaufen. Das müssen wir fast zu 100% finanzieren. (Der Baugrund ist bereits bezahlt, das war unser Sparkonto:)
    Wir Konditionen um ca. 1,2% bei 20-jähriger Zinsbindung für 600.000€


    Wir haben eine Wohnung in München im Wert von ca. 600.000€, in welcher wir noch wohnen und auf der wir noch ca. 100.000€ Schulden haben.
    DIe Wohnung lässt sich etwa für 1400€ kalt vermieten.


    Für die Finanzierung stellt sich nun die Frage, ob wirunsere Eigentumswohnung verkaufen oder vermieten sollen.


    Wie seht ihr das? Darf ich fragen, wie ihr euch entscheiden würdet bzw wie ihr an die Sache rangehen würdet?


    Freundliche Grüße
    Martin

  • Hallo Martin,


    Sie sollten sich verschiedene Fragen stellen, quasi eine Checkliste, das zur Systematisierung, Objektivierung und Visualisierung auch auf Papier bzw. als Datei. Und dann versuchen Sie, sich alle Fragen ehrlich und realistisch selbst zu beantworten. Mit etwas Glück steht am Ende eine mehr oder weniger eindeutige Antwort ("Für" und "Wider" wird es vermutlich für beide Positionen geben).


    Aus meiner Sicht sollten Sie sich u. a. mit folgenden Fragen beschäftigen (nicht abschließend):

    • Haben Sie Erfahrung mit Wohnungsvermietung? Kennen Sie sich im Mietrecht aus? Können Sie sich ggf. vorstellen, Spaß daran zu haben, sich in diese Thematik einzuarbeiten?
    • Ziehen Sie weit weg von München, so dass jedweder Besuch der vermieteten Wohnung mit großem Aufwand verbunden wäre?
    • Sie haben den Vorteil, die Wohnung, die Sie ggf. vermieten möchten, einschl. der Hausverwaltung zu kennen. Steht der Hauswart / Hausmeister auch Mietern ohne Weiteres hilfreich zur Verfügung? Wie oft und in welchem kostenmäßigen Umfang fallen Reparaturen an der Wohnung an?
    • Pi mal Daumen können Sie aus der Wohnungsvermietung eine Bruttorendite von 2,1 % / Jahr erzielen (Berechnung: 1.400 Euro Kaltmiete / Monat mal 12 Monate = 16.800 Euro Bruttokaltmiete / Jahr abzgl. 25 % - 4.200 Euro - pauschal für nicht auf die Mieter umlegbare Kosten, die Sie aus der Kaltmiete finanzieren müssen = 12.600 Euro x 100 ./. 600.000 Euro Wohnungswert). In diese Rechnung, die die Richtigkeit der von Ihnen mitgeteilten Parameter unterstellt, können Sie natürlich gerne für die nicht auf die Mieter umlegbaren Kosten reale Werte ansetzen. Vergessen Sie dabei bitte nicht, eine zusätzliche (zumindest virtuelle) Rücklage für die Instandhaltung der Wohnung (bzw. des Sondereigentums) und für Leerstände zwischen zwei Vermietungen zu berücksichtigen. Speziell, wenn Sie sich eher nicht selbst um die Vermietung und die Abrechnungen mit den Mietern kümmern möchten, kommen weitere Kosten für die entsprechende zusätzliche individuelle Wohnungsverwaltung hinzu (Ihre Hausverwaltung übernimmt die Aufgabe vermutlich gern und teilt Ihnen auch die Kosten mit ...). Von der so berechneten Rendite sind noch die Steuern abzuziehen, die Sie auf Gewinne aus Vermietung und Verpachtung zahlen. Ich schätze grob, dass sich Ihre Nettorendite, auch wenn Sie in gewissem Umfang Abschreibungs- und Finanzierungskosten (Zinsen des 100.000-Euro-Restdarlehens) geltend machen können, auf 1,5 bis 1,8% reduzieren wird. Dem stehen 1,2 % Zinskosten für die neue selbst genutzte Immoblie gegenüber, die Sie sich bei Wohnungsverkauf weitestgehend sparen können - steuerfrei!. Wiegt für Sie ein solcher (erhoffter) wirtschaftlicher Vorteil die Nachteile der Vermietung bzw. den Vorteil, auch künftig in einer nahezu vollständig bezahlten eigenen Immobile zu wohnen, auf?
    • Ist (absehbar) mit Kosten für Sonderumlagen für grundlegende Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu rechnen? Können Sie diese tragen?
    • Können Sie das Risiko ungeplanter langfristiger Mietausfälle (Mieter zahlt nicht, zieht aber leider auch nicht freiwillig aus ...) tragen oder steht dann recht bald der Gerichtsvollzieher, den Sie dem Mieter geschickt haben, vor Ihrer Tür ... (Hinweis: Diese Frage zielt in besonderer Weise auf Ihre finanzielle aber auch persönliche Stressresistenz ab ;)
    • Haben Sie (immaterielle) Gründe, sich die Wohnung erhalten zu wollen (z. B.: Sie ziehen jetzt der Kinder wegen ins Grüne vor die Tore der Stadt, können sich aber gut vorstellen, die Wohnung "im Alter" wieder selbst zu nutzen)?

    Alles "nur" Denkanstöße, wie gesagt nicht unbedingt abschließend (vielleicht steuert das eine oder andere Communitymitglied ja noch weitere Ideen zur Vorgehensweise und dazu, woran Sie denken sollten, bei ...) und ohne abschließende Wertung, jedoch mit dem Hinweis, dass mir persönlich die Vermietung einer einzelnen Wohnung ein zu hohes Klumpenrisiko und zu viel Stress / Aufwand für zu wenig Ergebnis wäre - aber ich bin nicht Sie und kenne zudem Ihren sonstigen persönlichen und finanziellen Hintergrund (Lebensalter, Kinder - Unterhaltsverpflichtungen, beruflicher Status, Einkommenshöhe und -sicherheit, sonstiges Vermögen) nicht.


    Viele Grüße


    BSHKunde

  • Hallo BSHKunde,


    vielen Dank für die ausführliche und gut hergeleitete Antwort!
    Deine Denkanstöße sind tatsächlich genau das, was mir gerade weiterhilft. So zB habe ich an die eigene Nutzung um Alter zwar schon gedacht, aber bisher nur hinsichtlich den "materiellen Gründen".
    Auch habe ich schon gerechnet, was finanziell sinnvoller sein könnte. Da habe ich deine Ansätze mit aufgenommen.


    Bisher bin ich der Meinung, dass man dies nicht so recht ausrechnen kann, weil eine steuerfreie Einmalzahlung aus dem Wohnungsverkauf von ca 500.000€ ungeachtet den Rechnungen die Möglichkeit gibt, Haus und Garten schnell fertig zu stellen, dabei noch für irgendwelche unvorgesehene Ereignisse (Auto kaputt,...) gewappnet bin und ich nach dem Hausbau hoffentlich noch weiter flüssig bin, um mit dem restlichen Kapital wieder in Vermögensaufbau und Altersvorsorge einzusteigen. (Ich würde also das 600.000€-Eigenheim zB mit ca. 400.000€ aus dem Verkaufspreis der Wohnung und mit ca. 200.000€ Darlehen finanzieren.


    Noch bin ich also nicht ganz durch mit meiner Entscheidung :) Aber Dank deiner Ausführung habe ich eine klarere Sicht darauf


    Beste Grüße und nochmal vielen Dank!!
    Martin

  • Hallo Referat Janders,


    Danke für die unkomplizierte Antwort!:) Vielleicht ist es tatsächlich so einfach,... Noch bin ich aber am rechnen und überlegen,.... ;)


    Beste Grüße
    Martin

  • Ich würde an Ihrer Stelle verkaufen. Die Rendite aus der Mietwohnung ist sehr kümmerlich. Siehe die Renditeberechnung von @BSHKunde, die ich grundsätzlich für realistisch halte. Mit dem Kumulrisiko müssen Sie halt leben. Und das Mietausfallrisiko ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen.


    Wenn Sie jedoch die Wohnung vermieten wollen, dann würde ich an Ihrer Stelle umschulden. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung können Sie die Zinsen wenigstens steuerlich geltend machen. Die Zinsen, die Sie für Ihr Eigenheim zahlen müssen, sind reine Privatsache. Deshalb wenn schon, dann möglichst viel Fremdkapital auf die vermietete Wohnung und möglichst viel Eigenkapital auf das selbstgenutzte Haus.

  • Meine Antwort basiert in Ermangelung von tiefergehenden Kenntnissen des Mietmarktes vor Ort und über das Objekt auf reinem Bauchgefühl. Daher wäre ich, was die Vermietung anbelangt, sehr zurückhaltend.


    Nur zur Einordnung. :D